Charlotte Brontë: Jane Eyre

Auch „Jane Eyre“ von Charlotte Brontë gehört zu den Romanen, die ich für die „100 Bücher“-Challenge gelesen habe. „Jane Eyre“ habe ich das erste (und letzte) Mal mit ungefähr zwölf Jahren gelesen und inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich damals eine ungekürzte Fassung in die Hände bekommen hatte oder ob ich in der Zwischenzeit sehr viel vergessen hatte.

So konnte ich mich zum Beispiel nicht mehr daran erinnern, dass in diesem Roman anfangs ein gar nicht so unerheblicher Teil dafür draufgeht, das Leben der kleinen Jane bei ihrer Tante zu beschreiben. Dabei wird deutlich, wie sehr das Mädchen unter der ungerechten Behandlung ihrer Verwandten und den Quälereien durch ihren Cousin leidet. Auch die Zeit im Institut hatte ich ziemlich verdrängt, auch wenn ich mich noch daran erinnerte, dass sie in einem solchen ausgebildet wurde. Und ich muss zugeben, dass ich beim nochmaligen Lesen ganz froh war, dass ich an Janes Freundin Helen zum Beispiel keine Erinnerungen mehr hatte, denn deren langen Monologe fand ich stellenweise doch recht ermüdend.

Erst mit Janes Eintreffen auf Thornfield und ihrer ersten Begegnung mit Mr. Rochester kam ich wieder in vertrautes Gebiet. Allein schon die Szene mit dem Pferd und dem Hund ist ja recht unvergesslich, aber auch das langsame Kennenlernen der beiden Charaktere, Janes Sehnsucht nach mehr Abenteuer, als ihr ihr Leben bieten kann, sein launenhaftes Wesen und natürlich das in Flammen stehende Bett – das alles sind bekannte Fixpunkte. Was ich hingegen vollständig verdrängt hatte, war, dass auch Mr. Rochester eine Neigung zu Monologen hegte – natürlich nur herbeigeführt durch Janes geduldiges Zuhören. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass sich alle Menschen in diesem Roman sehr gern selbst reden hören. 😉

Außerdem ist mir der Unterschied zwischen den beiden Männern in Janes Leben nicht mehr so bewusst gewesen. Während ich Mr. Rochester mag und verstehen kann (obwohl er trotz der Dame im dritten Stock Zukunftspläne hegt), ist mir St. John recht zuwider gewesen. Seine Bereitschaft, alle Mittel anzuwenden, um seinen Willen zu bekommen, und dabei immer zu behaupten, es geschehe doch nur im Namen Gottes, fand ich wirklich abschreckend. Ebenso unangenehm war es mir, wie Jane sich in seiner Gegenwart von Woche zu Woche verändert hat.

Am Ende ist es aber – trotz der großen Liebe, die zwischen ihnen herrscht – das Verhältnis zwischen Jane und ihrem Mr. Rochester, das dafür sorgt, dass ich den Roman wohl so schnell nicht noch einmal lesen werde. Jane verhindert anfangs jede Großzügigkeit von seiner Seite, er ist verliebt, er möchte sie erfreuen, aber sie scheint dabei nur das Gefühl zu haben, dass er sie kaufen will. Erst als er derjenigee ist, der abhängig von ihr ist, als sie großzügig und „opferbereit“ sein darf, kann sie ihrer Liebe nachgeben, erst dann gibt es eine Zukunft für die beiden – und das lässt mich das Buch mit einem etwas bitteren Nachgeschmack beenden.

12 Kommentare

  1. Ich denke, angesichts der Frau im dritten Stock und der gesellschaftlich höheren und daher zwangsläufig auch machtvolleren Position Rochesters, ist Janes Verhalten nicht ganz unverständlich. Und in meinen Augen will sie sich vielleicht auch selbst bestätigt wissen, nicht nur, indem sie Großzügigkeiten annehmen könnte, sondern auch indem sie gibt und sieht, dass Rocherster annehmen kann. Hm, ich sollte den Roman auch mal wieder lesen, es ist ziemlich lange her. 😉

  2. Mir gefällt es auch nicht, dass sie anfangs so abhängig und so unter ihm stehend ist – dass ihr das Unbehagen bereitet, finde ich auch durchaus verständlich. Aber auf der anderen Seite rühmt sie sich schon sehr früh immer wieder, weil sie in der Lage sei ihn so gut zu manipulieren. Sie quält ihn, wenn er das Interesse verliert oder sich in düstere Gedanken versteigt, oder schmeichelt ihm, wenn sie das Gefühl hat, dass es seiner Stimmung zuträglich wäre. Wenn sie wirklich so geschickt im Umgang mit ihm ist, dann hätte sie auch eine Möglichkeit finden müssen, um sein Bedürfnis sie zu verwöhnen in eine Bahn zu lenken, die ihrem Gefühl, für das was anständig ist, entgegen zu kommen.

    Dass sie ihm etwas geben kann, wird meiner Meinung nach schon sehr früh deutlich. So ist es vor allem der finanzielle Unterschied und seine Position in der Welt, die sie als Hindernis empfindet (ach ja, und da war ja noch die Dame im dritten Stock :D). Aber seine Position in der Welt wird spätestens dann zerrüttet als sein Geheimnis herauskommt und ihre finanzielle Unabhängigkeit am Ende der Geschichte hätte mir gereicht, um zu zeigen, dass sie aus Liebe und trotz andere Alternativen zu ihm zurückkehrt.

  3. Ich wollte Jane Eyre schon immer mal lesen, habe dann aber irgendwann einmal diese berühmte BBC Verfilmung (oder von wem auch immer) gesehen und fand die ziemlich langweilig und habe sie dann auch nicht zu Ende gesehen. Ich hatte irgendwie immer das Gefühl, dass die Geschichte so düster ist und das mag ich eigentlich nicht und auf der anderen Seite haben immer viele gesagt, Jane Eyre wäre so toll… Seitdem bin ich mir unsicher, ob ich es nicht einfach noch einmal mit der Verfilmung probieren sollte, das Buch gleich anzufangen (auf Englisch) traue ich mich ehrlich gesagt nicht so wirklich. XD

  4. @Lucina: Auf die Sprache muss man sich einlassen und ich würde das nicht so schnell im Original lesen wollen. Auf Deutsch geht es, aber wie schon angedeutet: Alle Figuren benutzen sehr viele Wörter, um eine einfacher Sache zu sagen. 😉 Was das Düstere angeht: Janes Leben beginnt nicht sehr schön und als es zum ersten Mal aufwärts geht, passiert noch einmal ein Drama und so dauert es eine ganze Weile bis zum Happy End, aber ich kann dir versichern, dass es kommt. 🙂

  5. @JED: Ich muss zugeben, dass die Brontes und ich nicht immer kompatibel sind. 😉 Manche Charaktere sind mir einfach zu fern und ich verstehe ihre Beweggründe nicht und deshalb werde ich wohl – nachdem ich es dreimal gelesen habe – nie wieder zu "Sturmhöhe" greifen.

  6. Ich habe letztes Jahr im Krankenhaus angefangen, das englische Original zu lesen. Nach etwa 50 Seiten habe ich aber aufgegeben, weil mich die Sprache damals zu angestrengt hat. Jetzt habe ich aber dank dir doch noch einmal Lust auf die Geschichte bekommen. Werde es aber wohl mit der deutschen Ausgabe versuchen.

  7. @Jai: Kein Wunder, dass du das zu anstrengend fandest! Im Krankenhaus hat meine Konzentration gerade mal für Edgar-Wallace-Geschichten (und zwar auf Deutsch) gereicht! 😉 Ich bin gespannt, wann du einen weiteren Versuch mit "Jane Eyre" wagst. 🙂

  8. Die Szene mit dem Hund und dem Pferd? Warum kann ich mich daran überhaupt nicht erinnern? Dafür hab ich Janes Jugend bei der Tante und vor allem die Zeit im Internat extrem deutlich vor Augen. Lustig was bei verschiedenen Lesern (und im verschiedenen Lese-Alter wahrscheinlich) so hängen bleibt.
    Mir ist der Roman als nicht so besonders spannend im Gedächtnis geblieben, was mit Sicherheit auch bei mir an den ewig langen Dialogen liegt. Ich finde, die Emily hatte da wesentlich mehr Schreibtalent. 🙂

  9. @Mila: Das ist Janes erste Begegnung mit Mr. Rochester. Sie hatte einen Spaziergang gemacht, pausierte an einem Heckenweg und dann kamen ein Hund und ein Reiter den Weg entlang. Das Pferd strauchelte auf einer Eisplatte und obwohl Jane Respekt vor dem gestürzten Pferd hat, bietet sie dem – ihr unbekannten – Reiter ihre Hilfe an. Er ist erst sehr ablehnend, kann aber ohne ihre Hilfe nicht wieder zum Pferd kommen, da er sich den Fuß verletzt hat … Kommt die Erinnerung wieder?

    Bei den Dialogen ist mir dieses Mal erst so richtig bewusst geworden wie oft Aussagen wiederholt werden, um eine Gefühlsregung heraus zu streichen, die auch so deutlich geworden wäre. Und ich glaube auch, dass es bei diesen Klassikern besonders spannend ist zu sehen, was welcher Leser interessant oder erwähnenswert fand. 😀

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