Über „Wilma und das Rätsel der gefrorenen Herzen“ von Emma Kennedy bin ich durch Zufall in der Bibliothek gestolpert. Denn während ich darauf wartete, dass ein älteres und etwas verpeiltes Ehepaar inklusive vier mindestens doppelt so verpeilten Enkelkinder endlich ihre paar Bücher verbucht bekamen, stand ich vor dem Regal mit Kinderbüchern und habe mir Klappentexte durchgelesen. (Das extremste Enkelkind hat es dann noch geschafft – nachdem mir die Gruppe Platz gemacht hatte, damit ich meine Bücher ausleihen konnte – sein Buch so neben meinen Stapel zu legen, dass es gleich mitverbucht wurde und wir dann doch noch eine Angestellte bemühen musste, um das wieder auseinander zu sortieren. *argh*)
Auf jeden Fall klang die Geschichte rund um Wilma Tenderfoot nett und durfte deshalb mit nach Hause – und weil ich an dem Tag vor lauter Hitze eh nicht mehr viel tun konnte, habe ich den Roman auch gleich am Nachmittag noch gelesen. Schon während des Lesens fühlte ich mich etwas zwiegespalten. obwohl die Idee sehr nett und Wilma eine sympathische, wenn auch arg übereifrige Protagonistin ist. Wilma ist in „Cooper Islands Unterland-Institut für Elende Kinder“ aufgewachsen, einem Waisenhaus, das von der grauenhaften Mrs. Scratch geleitet wird. Diese Dame verkauft regelmäßig die ihr anvertrauten Kinder als Dienstboten in die angesehenere Hälfte der Insel, wobei eine Klausel besagt, dass beim Tod des Kindes innerhalb der Probezeit natürlich der volle Kaufpreis zu zahlen sei.
Auch Wilma wird an eine Arbeitgeberin verkauft und muss dort die unangenehmsten Aufgaben erfüllen, die man sich nur vorstellen kann. Auf der anderen Seite landet sie durch diesen Ortswechsel prompt in dem Haus, das direkt neben dem Heim von Theodore P. Goodman liegt, dem größten Privatdetektiv, den es auf Cooper Island nur gibt. Und genau dieser Theodore P. Goodman ist seit klein auf Wilmas Idol und so setzt sie alles daran, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Vor allem hofft sie, dass er sie vielleicht als Lehrling aufnimmt, wenn sie ihn erst einmal von ihren ernsten Absichten überzeugt hat. Zu Wilmas großem Glück zieht sich gerade eine Mordserie über die Insel, die mit dem Diebstahl eines ungewöhnlich seltenen Edelsteins ihren Anfang nimmt – und selbstverständlich nimmt das Mädchen sofort die Ermittlungen auf.
Wilma, Theodore P. Goodman, seine Haushälterin und der Polizist der Insel sind wirklich sympathische Figuren, die alle ihre ganz besonderen liebenswerten Eigenheiten haben. Auch wimmelt der Roman vor lauter ungewöhnlichen Ideen und Einfällen, von denen mir vor allem die gut gefallen haben, die für uns ganz normale Vorgänge wie zum Beispiel einen Grenzübertritt mit einem angemessenen Schuss Spott darstellen. Auch der Kriminalfall war – trotz all der Toten – kindgerecht (das Buch wird am 9 Jahren empfohlen) und spannend erzählt. Man kann während Wilma fleißig und – mehr oder weniger – erfolgreich ermittelt mitraten und bekommt immer wieder neue Hinweise auf die Hintergründe der Tat präsentiert.
Aber trotzdem konnte mich der Roman nicht vollständig begeistern, da ich die Welt, in der das Ganze spielt unstimmig und übertrieben fand und mich oft genug geärgert habe, dass hier so viel Potenzial verschenkt wird. Es gibt so viele wunderbare und lustige Elemente in „Wilma und das Rätsel der gefrorenen Glasherzen“, dass es nur einen aufmerksameren und passenderen Weltenaufbau benötigt hätte, damit die Geschichte auch rund wird. So richtig aufgefallen ist es mir zum Beispiel beim Thema Essen: Während der Privatdetektiv gerne so normale Sachen wie Pfefferminztee und Maisplätzchen (ein Rezept ist am Ende des Buches abgedruckt) zu sich nimmt, scheint es ebenso selbstverständlich zu sein, dass man eine Schneckensuppe kocht oder Spinnen fängt, um aus ihren Beinen ein Essen zuzubereiten. Mal davon abgesehen, dass das von der Autorin gewollt lustig und ekelig beschrieben wird, finde ich es einfach unrealistisch – und ich bestehe darauf, dass eine erfundene Welt in sich zumindest einigermaßen logisch ist.
Ebenso gibt es zwar spezielle Bonsaischeren, aber Wilma muss ihrer Arbeitgeberin mit den Zähnen die Fußnägel abnagen. Natürlich ist mir bewusst, dass Emma Kennedy diese Elemente eingebaut hat, um – je nach Szene – die Situation lustiger oder abschreckender zu gestalten, aber mich persönlich stört das beim Lesen gewaltig. Es wäre doch schon unangenehm genug, wenn Wilma mit einer Schere die ungepflegten Fußnägel hätte kürzen müssen, da muss man doch nicht so übertreiben. Diese Unstimmigkeiten haben am Ende dann leider dazu geführt, dass ich Wilma zwar ins Herz geschlossen hatte, aber leider keine weiteren Bücher mit ihr mehr lesen würde.
Trotz deiner Kritikpunkte klingt das Buch irgendwie nett, finde ich… Würde ich mir als Bibliotheksbuch möglicherweise auch mal ansehen.
Irgendwie nett war es auch, ich fand nur diese kleinen Unstimmigkeiten jedes Mal wieder ärgerlich – und habe mich dann davon aus dem Lesefluß reißen lassen. Aber vielleicht findest du das Buch ja mal in der Bibliothek und störst dich dann nicht so sehr daran. 🙂
Ich musste sehr über dein Bibliothekserlebnis lachen, selbiges ist mir vorgestern beim Einkaufen passiert. Allerdings war`s nicht mal ansatzweise lustig. Als ich an der Kasse stand, hatte sich sehr dicht hinter mir ( also nicht in der Schlange, sondern direkt hinter mir) eine Frau mit Kind auf dem Arm gestellt und das Kind brüllte unvermittelt dermaßen los, daß man dachte, es wird geschlachtet. Ich habe mich so erschrocken, daß ich mich umgedreht habe und die Frau ebenfalls angebrüllt habe, das war ein Reflex. Und der Oma hinter mir an der Kasse ist ein Marmeladenglas runter gefallen, Gott sei Dank aber nicht kaputt gegangen. Das Kind hat dann noch ewig weiter gebrüllt, die Frau bekam es nicht mal im Buggy gebändigt. Ich meine, ich hab schon genug brüllende Kinder erlebt, aber sowas noch nicht. In ner Bibliothek stelle ich mir das auch toll vor…vor allem, wenn man grade lesetechnisch irgendwie abdriftet mit einem Buch…
Ich habe mir einfach mal eine Leseprobe auf den Kindle schicken lassen, habe aber erst ein Drittel gelesen.
Planst du eigentlich im September wieder ein Herbstlesen?
@Devona: Uff, das muss wirklich ein Schreckmoment gewesen sein! Normalerweise tun mir Mütter mit kleinen (brüllenden) Kindern ja immer eher leid, weil so ein Kind nun mal keinen Ausschaltknopf hat und man seinen Kram trotzdem auf die Reihe bekommen muss, während alle Umstehenden genervt sind, aber bei so einem Schreck hätte ich wohl auch zurückgebrüllt. *g*
In der Bibliothek macht es sich zur Zeit wirklich deutlich bemerkbar, dass Schulferien sind und die Kinder dort auch gern mal abgestellt werden, damit die Eltern (oder Großeltern) etwas Luft haben. Während der Schulzeit begegne ich in der Regel relativ wenig Kindern dort – was dazu führt, dass ich selber in Ruhe bei den Kinderbüchern stöbern kann. 😀
@Kiya: Es wäre ja auch sehr ungewöhnlich, wenn du so viel in einem Buch am Stück lesen würdest. 😉
Richtig geplant hatte ich bislang noch nichts in Richtung Herbstlesen. Und wenn ich was mache, dann definitiv nur einen Monat lang, sonst ist es doch etwas zu viel. Hättest du denn wieder Lust darauf?
Ja, aber eine Leseprobe am Stück kann ich durchaus schaffen 😉 Hat mich aber noch nicht sofort gepackt.
Lust hätte ich auf jeden Fall, gerade weil ich das Lesen im Herbst und Winter besonders gemütlich finde. Außerdem gab es lange kein gemeinsames Lesen… Ich bin nur im September durch den Umzug zeitlich etwas eingespannt, aber ein paar Lesestunden sollten sich gegebenenfalls trotzdem ermöglichen lassen.
@Kiya: Hättest du im Oktober eher Zeit? Ich bin ja flexibel, ich hatte bislang ja nichts geplant. 🙂
Schade, dass die Welt in dem Buch nicht so stimmig ist. Mich stört so etwas auch ziemlich, daher kann ich nachvollziehen, dass das dein Lesevergnügen geschmälert hat.
Für ein Herbstlesen im Oktober melde ich übrigens auch mein sehr vorsichtiges Interesse. Da es bei mir zu der Zeit ziemlich große Umbrüche in meinem Leben gibt (eine Ausbildung), weiß ich noch nicht, wieviel Zeit ich wirklich dafür hätte, aber andererseits wäre es vielleicht gerade bei dem Stress schön, mir ab und zu mal bewusst Lesezeit zu nehmen. 🙂
@Neyasha: Mich hat es gerade deshalb besonders geärgert, weil es so viele andere ungewöhnliche Einfälle gab.
Ui, eine Ausbildung? Das klingt spannend! In welchen Bereich willst du denn gehen? Und ja, bei Stressphasen finde ich bewusste Auszeiten auch immer wichtig. Deshalb hatte ich mir im letzten Jahr das Herbstlesen ja vorgenommen und es hatte auch gut funktioniert, weil es eben ohne Vorgaben ist, abgesehen von dem Vorsatz, dass man sich am Wochenende Zeit für sich und – wenn möglich – ein Buch nimmt. 🙂
Auch wenn das jetzt als Buchbloggerin grad voll klischeehaft klingt: in den bibliothekarischen. Ich hab schon seit einer Weile einen kleinen Job in der Nationalbibliothek, habe aber bei den Stellen, die ich wirklich gern machen würde, keine Chance ohne bibliothekarische Ausbildung (und "nur" mit Germanistikstudium). Deshalb werde ich ab Ende September einen Lehrgang dort machen, bei dem ich glücklicherweise einen Platz bekommen habe.
@Neyasha: Ich finde es cool! Warum solltest du als Buchblogger nicht in deinen Bereich gehen, der dich in mehr als einer Hinsicht reizt? 😉 Ich wünsche dir viel Spaß und Erfolg bei dem Lehrgang und drücke die Daumen, dass du darüber Fuß in dem Bereich fassen kannst.
Hui, da wurde wohl meine gestrige Antwort irgendwie verschluckt… Also ja, im Oktober rechne ich mit etwas mehr Zeit; da geht es ja dann vor allem ums Auspacken und das kann man ja eigentlich ohne großen Zeitdruck erledigen. Außerdem habe ich dann auch diverse andere Dinge, die den September unschön füllen, hoffentlich erledigt.
Wäre schön, wenn sich noch mehr Mitleser finden 🙂 Viel Spaß bei deinem Lehrgang @Neyasha! Wirklich doof, daß man sich auch mit Studium für jeden eventuellen Einsatzbereich immer erst gesondert qualifizieren muß (ich kenne das auch, hab ja u.a. auch Germanistik studiert).
@Kiya: Sie ist auf jeden Fall nicht im Spam gelandet … Fein, dann halten wir das mal für Oktober im Hinterkopf. Ich bin mir sicher, es gibt dann noch den einen oder anderen Mitleser – im letzten Jahr wurden es ja auch mit jedem Wochenende mehr Leute. 🙂