[Figurenkabinett] Emily Pollifax

Ich muss zugeben, dass es mir komisch vorkommt, einfach nur „Emily Pollifax“ zu schreiben, denn bei dieser Dame gehört für mich das „Mrs.“ einfach zum Namen dazu. Mrs. Pollifax begleitet mich schon seit sehr vielen Jahren und ich kann die Bücher, in denen sie die Hauptrolle spielt, immer wieder von Neuem genießen. Kennengelernt habe ich Mrs. Pollifax, als sie sich gerade auf dem Weg zur CIA-Zentrale befand. Einige Wochen zuvor stand die Rentnerin auf dem Flachdach ihres Apartmenthauses und hätte beinah einen Schritt über die Dachkante gemacht. Dabei war sie nicht einmal lebensmüde, nur schrecklich gelangweilt. Ihr Mann war verstorben, ihre Kinder aus dem Haus, und nun bestand ihr ganzes Leben nur noch aus den diversen und wenig abwechslungsreichen Vereinsaktivitäten wie dem wöchentlichen Treffen des Gartenklubs. Doch dann hat Emilys Hausarzt die wunderbare Idee, dass sie sich doch eine Beschäftigung suchen soll. Es sollte etwas sein, das ihrem Leben einen neuen Sinn gibt und was sie schon immer machen wollte – und so beschließt Emily Pollifax, ihre Dienste der CIA anzubieten!

Noch ist der Kalte Krieg nicht vorbei und die CIA hat mit den diversen Krisenherden auf der Welt alle Hände voll zu tun. Mrs. Pollifax hingegen wollte schon als kleines Mädchen im Zweiten Weltkrieg Spionin werden und nun, da sie so alt ist, dass sie (ihrer Ansicht nach) für keinen Menschen mehr von Nutzen ist, könnte sie doch ihr Leben im Dienste ihres Vaterlandes opfern. Mrs. Pollifax ist sich sicher, dass die CIA eine Verwendung für sie finden würden, auch wenn sie weiß, dass ihr Wissen und ihre Möglichkeiten begrenzt sind, und so bewirbt sie sich bei der CIA. Das Ganze klingt jetzt naiver, als Emily Pollifax eigentlich ist, aber sie meint ganz zu Recht, dass sie sich schon anbieten muss, wenn sie so einen Job sucht – denn bislang ist ja schließlich noch nie jemand auf sie zugekommen. Dank eines glücklichen Zufalls wird Mrs. Pollifax sogar wirklich für einen kleinen Botenjob engagiert und darf dafür nach Mexiko fliegen. Und natürlich kann sie dann gar nichts dafür, dass sie etwas spontan und unprofessionell handelt und sich deshalb kurz darauf hinter dem Eisernen Vorhang wiederfindet und ein – für den Leser ungemein amüsantes – Abenteuer erlebt!

Denn Mrs. Pollifax ist kein harte Spionin, sie ist eine warmherzige, ältere Frau, die zwar ihrem Land treu ergeben ist, aber trotzdem zum Teil ganz eigene Ansichten über die amerikanische Außenpolitik hat. Sie lässt sich nicht vor jeden (politischen) Karren spannen, ist manchmal etwas zu impulsiv und hört lieber auf ihr Herz und ihre Erfahrungen als auf den Verstand. So treibt Emily Pollifax schon mal ihre „Mitspione“ in den Wahnsinn, findet hinter den feindlichen Linien Verbündete und sorgt in der Regel trotz – oder vielleicht sogar gerade aufgrund – ihrer unkonventionellen Methoden für eine erfolgreiche Durchführung ihres Auftrags. Sie ist so liebenswert, dass sogar ihre Auftraggeber von der CIA ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie Mrs. Pollifax wieder losschicken. Denn auch wenn alles eigentlich ganz ungefährlich sein soll, so kann man doch jederzeit damit rechnen, dass die Geschehnisse rund um Emily Pollifax etwas aufregender werden als geplant. Später findet sie sogar einen wirklich netten Mann, der die Abenteuer seiner Emily nicht nur toleriert, sondern auch tatkräftig unterstützt.

Die Mrs.-Pollifax-Romane erzählen wirklich herzerfrischend lustige Geschichten mit sympathischen Figuren. Dabei ist mir nicht nur Emily Pollifax ans Herz gewachsen, sondern auch ihr späterer Mann und so einige Menschen, die die Freizeit-Spionin während ihrer Aufträge kennenlernt. Obwohl die Handlungen in diesen Bücher relativ unblutig und eher amüsant konzipiert sind, gibt es immer wieder sehr ernsthafte Momente. Mrs. Pollifax‘ Geschichten spielen (wie schon erwähnt) während des Kalten Krieges, und auch wenn es nie zu einer offenen Auseinandersetzung zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten kam, so sieht sie genügend Kriegsschauplätze. Aber auch Armut, die unschönen Seiten des Kommunismus, afrikanische Rebellenkämpfe und Drogenschmuggel sind Themen in diesen Büchern und haben mich in der Vergangenheit immer mal wieder dazu bewegt, mehr über die Geschichte und die Politik eines Landes herauszufinden zu wollen.

Ihren ersten Auftritt hatte Mrs. Pollifax im Jahr 1966 in einem Roman von Dorothy Gilman – und wie ich gerade feststellen durfte, hat die Autorin sogar im Jahr 2000 noch einen Titel mit ihr veröffentlicht. Leider habe ich – dank einer etwas unübersichtlichen Veröffentlichungspolitik – die Reihe irgendwann aus den Augen verloren, so dass ich die letzten vier Titel gar nicht kenne. Ich sollte mir die Bücher vielleicht mal auf Englisch besorgen, denn Mrs. Pollifax ist mir wirklich sehr ans Herz gewachsen.

Mrs. Pollifax-Romane von Dorothy Gilman (nach englischem Erscheinungsdatum sortiert):

1. Mrs. Pollifax kommt wie gerufen (The Unexpected Mrs. Pollifax, 1966)
2. Mrs. Pollifax lebt gefährlich (The Amazing Mrs. Pollifax, 1970)
3. Mrs. Pollifax, der Agentenschreck (The Elusive Mrs. Pollifax, 1971)
4. Mrs. Pollifax macht weiter (A Palm for Mrs. Pollifax, 1973)
5. Mrs. Pollifax auf Safari (Mrs. Pollifax on Safari, 1976)
6. Mrs. Pollifax in China (Mrs. Pollifax on the China Station, 1983)
7. Mrs. Pollifax und der Hongkong-Buddha (Mrs. Pollifax and the Hong Kong Buddha, 1985)
8. Mrs. Pollifax und das goldene Dreieck (Mrs. Pollifax and the Golden Triangle, 1988)
9. Mrs. Pollifax und der tanzende Derwisch (Mrs. Pollifax and the Whirling Dervish, 1990)
10. Mrs. Pollifax und der sizilianische Dieb (Mrs. Pollifax and the Second Thief, 1993)
11. Jagd auf Mrs. Pollifax (Mrs. Pollifax Pursued, 1995)
12. Mrs. Pollifax und der Herr der Löwen (Mrs. Pollifax and the Lion Killer, 1996)
13. Mrs. Pollifax macht Urlaub (Mrs. Pollifax, Innocent Tourist, 1997)
14. keine deutsche Veröffentlichung  (Mrs. Pollifax Unveiled, 2000)

13 Kommentare

  1. Irgendwie kommt mir der Name "Mrs. Pollifax" vage bekannt vor, aber so wirklich kann ich nichts damit anfangen. Dein Figurenkabinett macht jedenfalls große Lust auf die Bücher – die Serie klingt jedenfalls extrem nett, vielleicht find ich da mal nen Band auf dem Flohmarkt zum Antesten!

    Ich hab gerade gesehen, es auch ne Mrs.Pollifax-Verfilmung gibt – kennst du die?

  2. Es gibt die ersten sechs "Mrs. Pollifax"-Bücher in zwei Sammelbänden, vielleicht wirst du da fündig. 🙂 Und schön, dass dir mein Figurenkabinett Lust auf die Bücher macht – so ist es schließlich gedacht. 😀 Abgesehen davon, dass solche Lieblingsfiguren schon viel über einen Leser aussagen. *g*

    Die Verfilmung ist mit Angela Lansbury, oder? Gesehen habe ich die nie, keine Ahnung, ob die überhaupt mal im Fernsehen lief – und ich fürchte, dass die Schauspielerin einfach nicht zu meiner Vorstellung von Mrs. Pollifax passt. Sie ist nicht … rund und gemütlich genug. 😀

  3. Ich hab keine Ahnung, mit wem die Verfilmung ist, hatte mich nicht weiter darum gekümmert. Landsbury spielt die runde und gemütliche Mrs. Pollifax? Dann hat man ja das gegenteilige Problem wie bei den Miss-Marple-Filmen mit Rutherford! 😉

  4. Ich liebe, liebe, liebe Mrs. Pollifax. Heiß und innig. Und bin auf sie gestoßen, weil sie in der Bücherei direkt neben "Im Dutzend billiger" stand.

    Muss ich glatt nachschauen, ob ich den letzten Band habe (geht eben nachschauen) – ja, leider.

  5. @Irina: Ein Problem ist die Besetzung für mich in beiden Fällen! 😀

    @Susanne: Ohhh, du hast alle Roman mit Mrs. Pollifax? Magst du mir mal die leihen, die ich noch nicht kenne? Und "Im Dutzend billiger" habe ich auch gelesen … 😀

  6. Argh, schon wieder eine reizvolle Figur und natürlich wieder eine Serie *grummelt*

  7. Natürlich ist das wieder eine reizvolle Figur! 😀 Sonst würde Mrs. Pollifax ja nicht zu meinen Lieblingen gehören. 😀

  8. Beate Sauer

    … das mit dem Figurenkabinett ist ja eine schöne Idee! Von Mrs Pollifax habe ich noch nie etwas gehört. Nach Deiner Beschreibung – liebe Winterkatze – scheint sie eine sehr interessante und reizvolle Figur zu sein. Mrs Pollifax kommt auf meine Leseliste. LG Beate

  9. @Beate: Schön, dass dir mein Figurenkabinett auch gefällt – es macht mir so viel Spaß "meine" geschätzten Charaktere vorzustellen.

    Ich drücke dir die Daumen, dass du Mrs. Pollifax demnächst einmal in die Hände bekommst. Sie ist eine sehr liebenswerte Figur und die Geschichten sind überaus unterhaltsam. 🙂

  10. Beate Sauer

    … bei mir zu Hause liegt jetzt "Mrs Pollifax kommt wie gerufen". Bin gespannt 😉 . LG Beate

  11. […] Emily Pollifax und Madame Marina Karitska scheinen auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam zu haben, denn während Mrs. Pollifax anscheinend ihr gesamtes Leben in einem ruhigen Vorort ohne große Aufregung verbracht hat, stammt Madame Karitska nicht nur von verarmten russischen Adeligen ab, die vor der Revolution flohen, sondern hat auch von absoluter Armut bis zu großem Luxus die verschiedensten Lebensumstände erlebt. Doch eins haben beide Figuren gemeinsam: Sie verfügen über eine sehr große Bereitschaft, sich auf andere Menschen einzulassen und das Beste aus einer Situation zu machen. Dazu kommt bei Madame Karitska noch, dass sie eine „übernatürliche“ Fähigkeit hat, die es ihr ermöglicht, mehr über einen Menschen zu erfahren, wenn sie einen Gegenstand in den Händen hält, den diese Person lange Zeit über genutzt hat. […]

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