Sommergeräusche

Am vergangenen Sonntag saß ich nachmittags auf dem Sofa und spielte, während mein Mann versuchte ein Youtube-Video zu schauen. Da wir zu dem Zeitpunkt gerade lüfteten, fluchte er immer wieder vor sich hin, weil er trotz aufgedrehtem Ton an einigen Stellen kaum etwas von seinem Video hören konnte. Neben dem „telefonierenden Nachbarn“, der von Freitagabend bis Montagmorgen mit einer sehr durchdringenden Stimme in der Nachbarwohnung durchgehend zu telefonieren scheint, hörten wir nicht nur den üblichen Verkehrslärm, sondern auch klingelnde Hundehalsbänder, jemanden, der Trompete übte, ein Auto mit Startproblemen, Leute, die sich lauthals und angeregt miteinander unterhielten, und viele andere Geräusche, bei denen ich in der Regel froh bin, dass unsere Fenster den Lärm so gut abhalten.

Spannend finde ich es, dass es in diesem Viertel deutlich lauter ist als in unserem alten Stadtteil, ich den Lärm aber normalerweise nicht so schlimm finde wie in der alten Wohnung. Natürlich stören mich die Baustellen im und hinterm Haus, und wenn der Geräuschpegel dadurch zu hoch wird, kann ich oft nichts anderes tun als abwarten, bis die Handwerker Feierabend machen, bevor ich selbst etwas auf die Reihe bekomme. Aber insgesamt geht mich das alles nicht mehr so viel an wie früher, so dass ich Geräusche allgemein besser ignorieren kann, wenn der Lärm nicht zu ohrenbetäubend ist. In der alten Wohnung war ich die einzige Person, die den ganzen Tag ansprechbar war, was bedeutete, dass jeder Handwerker, jeder Paketbote und jeder andere Mensch, der etwas von der Hausgemeinschaft wollte, bei mir klingelte. Außerdem wohnten wir im Erdgeschoss, so dass es keine Distanz zwischen mir und dem Treiben auf der Straße gab, und die Fenster waren so wenig schallisoliert, dass ich jedes Gespräch, jedes Telefonat Wort für Wort mithören konnte. (Ich bin immer wieder fasziniert davon, welche privaten Details und wichtigen Daten manche Leute quer über die Straße brüllen, weil ihre Verbindung schlecht ist. Datenphishing ist da definitiv nicht mehr notwendig, wenn jeder Zuhörer alles mitbekommen kann.)

In der aktuellen Wohnung hingegen sind diese „persönlicheren“ Geräusche in der Regel gut durch die Fenster gefiltert. Ein Gespräch muss schon etwas erregter verlaufend – wie zum Beispiel die diversen Szenen, in denen die aufgedrehten oder müden Kindergartenkinder von gegenüber auf ihre ungeduldigen und/oder müden Eltern treffen – damit ich es durch die geschlossenen Fenster mithören kann. Ich bekomme auch so noch genug von der Nachbarschaft mit, aber all diese Elemente (vom Baulärm abgesehen) laufen tagsüber als eher lästiges Hintergrundrauschen, während ich mich abends regelmäßig amüsiere (sehr schön sind da z. B. immer wieder die beiden Damen, die sich gegenseitig „Rapunzel“ und „Dornröschen“ nennen Oo) oder es sogar angenehm finde, wenn aus der Ferne Lachen und Gespräche an mein Ohr dringen. Letzteres erinnert mich an meine Kindheit, wenn ich in heißen Nächten nicht schlafen konnte und mich hinterm Vorhang versteckt auf die Fensterbank setzte, um den Nachbarn zuzuschauen, die im Garten nebenan feierten.

Ich finde es faszinierend, welch kleine Veränderungen dazu führen, dass bestimmte Geräusche als Lärm empfunden werden und welche Erinnerungen dafür sorgen können, dass manche Geräusche trotz der nicht unerheblichen Lautstärke als angenehm empfunden werden.

2 Kommentare

  1. Interessante Beobachtungen von dir 🙂 Ich denke, grad Lärm (so lange es nicht wirklich richtig laut ist) ist etwas höchst subjektives. Das Empfinden hängt stark von der Gewohnheit und vom Mindset ab.

    Je nach Stimmung empfinde ich beispielsweise auch eine Zugfahrt ganz anders, obwohl der Geräuschpegel vermutlich gar nicht so stark schwankt. Aber oft genug mache ich es mir, wenn ich Konzentration benötige, auch ganz einfach: Geräte aus und Ruhe ist.

  2. Ich empfinde schon schnell Geräusche als Lärm, da ich in meiner Wohnung relativ wenige Geräusche habe und ein Teil seit Jahren mit gespitzten Ohren dasitzt und lauscht wie es den Katzen geht. Auch wenn wir nur noch eine Katze haben, so bekomme ich über die Geräusche, die sie macht, wenn sie sich durch die Wohnung bewegt, oft mehr über ihr Wohlbefinden mit als beim direkten Anschauen.

    Beim Zugfahren finde ich es auch anstrengend, weil man keine Ausweichmöglichkeit vor dem Mitreisenden hat. Und ich merke, dass ich inzwischen mehr Konzentration benötige, um Umgebungslärm auszublenden. Das war früher einfacher. Geräte aus stelle ich mir da sehr praktisch vor. 😀

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