Kategorie: Rezension

W. R. Gingell: Spindle (The Two Monarchies Sequence 1)

Ich habe noch nicht so viel von W. R. Gingell gelesen, aber was ich gelesen habe („Gothel and the Maiden Prince“, „Twelve Days of Faery“ sowie die anderen beiden Bänder der „Shards of a Broken Sword“-Trilogie  und eine Kurzgeschichte), hat mir so gut gefallen, dass ich noch ein paar eBooks von der Autorin auf dem Reader schlummern habe. „Spindle“ war eines dieser ungelesenen eBooks, bis ich Anfang des Monats Lust auf eine etwas märchenhaftere Geschichte hatte. Erzählt wird die Handlung aus der Perspektive von Polyhymnia (Poly), die zu Beginn der Geschichte aus einem magischen Schlaf erwacht. Genau genommen wacht Poly aus einem jahrhundertelangen Schlaf auf, nachdem sie von dem Zauberer Luck geküsst wurde. Schnell steht für die Leser*innen fest, dass Poly keinerlei Erinnerungen daran hat, wie es dazu kam, dass sie verzaubert wurde, dass sie keine Prinzessin (sondern die Hofdame einer Prinzessin) ist und dass sie im Besitz einer magischen Spindel ist und sich ihre Haare sehr ungewöhnlich verhalten. Gemeinsam mit Luck macht sich Poly auf den Weg zur Hauptstadt des Landes, wobei mehrere Zwischenfälle die Reise der beiden deutlich verlängern.

Ich muss zugeben, dass es für mich einen großen Kritikpunkt an „Spindle“ gab, und das war, dass Poly und Luck nicht ein einziges Mal richtig miteinander reden. Während ich bei älteren Romanen eher damit leben kann, wenn sich Figuren so verhalten, finde ich das bei aktuellen Geschichten wirklich nervig. Vor allem, wenn noch dazukommt, dass Luck immer wieder damit droht, dass er Poly wohl noch einmal küssen müsse (um die Nebeneffekte ihrer Verzauberung zu mildern), während Poly Luck immer wieder tritt oder schlägt, weil er ihr mit seinem Verhalten/Mangel an Kommunikation auf die Nerven geht. Die Geschichte hätte ebenso gut funktionieren können, wenn die Charaktere respektvoller miteinander umgegangen und miteinander geredet hätten, auch wenn dann einige „lustige“ Szenen anders hätten geschrieben werden müssen. Besonders frustrierend finde ich daran, dass mich W. R. Gingell in ihren anderen Geschichten eben auch deshalb überzeugt hat, weil die Figuren so gut darin waren, miteinander zu kommunizieren und die Grenzen des anderen zu respektieren.

Trotz dieses Kritikpunkts muss ich sagen, dass ich mich wirklich gut mit „Spindle“ amüsiert und mich regelmäßig an Diana Wynne Jones‘ Roman „Howl’s Moving Castle“ erinnert gefühlt habe. Vor allem das Verhältnis zwischen Poly und Luck hat mich immer wieder an die pragmatische Sophie und den eher egozentrischen Howl erinnert, aber auch sonst gab es immer wieder Elemente, die mir sehr vertraut vorkamen, ohne dass W. R. Gingell eine Nacherzählung geschrieben hätte. Mir hat diese Vertrautheit gut gefallen und mich immer wieder schmunzeln lassen, aber ich muss auch anmerken, dass das Ganze dazu geführt hat, dass die Figuren nicht gerade vielschichtig ausgearbeitet wurden und die „Liebesgeschichte“, die sich zwischen Poly und Luck entspinnt, jeglicher Romantik entbehrt. Alles in allem kann ich sagen, dass W. R. Gingell es wirklich hervorragend hinbekommen hat, den Stil einer Diana-Wynne-Jones-Geschichte aufzugreifen, auch wenn ich fürchte, dass einige der Erzählelemente so von Diana Wynne Jones heutzutage wohl nicht mehr verwendet würden. Aber ich bin mit dieser Art von Romanen aufgewachsen und ich lieber die vielen kleinen und großen fantastischen Elemente, ich mag den Humor und die Absurdität, die aus einem gewissen Pragmatismus der Figuren entsteht. So ist es kein Wunder, dass ich mich insgesamt mit „Spindle“ gut unterhalten gefühlt und all die ungewöhnlichen Elemente in dieser „Rapunzel“-Variante von W. R. Gingell genossen habe.

Angela Slatter: All the Murmuring Bones

„All the Murmuring Bones“ von Angela Slatter habe ich am Lese-Sonntag im August angefangen und dann in den folgenden Tagen relativ schnell beendet. Die Geschichte wird aus der Perspektive der siebzehnjährigen Miren O’Malley erzählt, die gemeinsam mit ihren Großeltern und zwei Dienstboten in dem verfallen(d)en Herrensitz Hob’s Hallow an einer unwirtlichen Küste aufwächst. Miren ist sich von klein auf bewusst, dass ihre Familie ein düsteres Geheimnis hütet. Trotzdem kann sie nicht so recht daran glauben, dass ihre Vorfahren wirklich einen Handel mit den Meermenschen abgeschlossen haben, damit diese den O’Malleys zu Ruhm und Reichtum verhelfen. Doch nach dem Tod ihres Großvaters Ósín wird immer deutlicher, dass Miren für ihre Großmutter Aoife nicht mehr ist als ein Pfand, das diese einsetzen kann, um die Familie zu früherem Einfluss und Wohlstand zurückzubringen. Miren hingegen hat vollkommen andere Vorstellungen davon, wie ihre Zukunft ausschauen soll, und ist dadurch gezwungen, Mittel und Wege zu finden, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Ich liebe die Art und Weise, in der Angela Slatter die Handlung in „All the Murmuring Bones“ erzählt, und war entzückt davon, dass der Roman deutlich mehr fantastische Elemente enthielt, als ich ursprünglich erwartet hatte. Auf der einen Seite verwendet die Autorin eine sehr klare Sprache, auf der anderen Seite ziehen sich sehr ungewöhnliche und häufig düstere Bilder durch die Geschichte. Dabei spielen immer wieder die „Märchen“, die Miren als kleines Mädchen von ihrer Großmutter vorgelesen bekommen hat, eine wichtige Rolle, wobei schnell deutlich wird, dass diese unheimlichen Märchen weniger erfunden sind, als Miren glaubt. Ich mochte es sehr, dass es für die junge Frau eigentlich selbstverständlich ist, dass die Personen in ihrer Umgebung manipulativ und egozentrisch sind, und dass sie ihre Verwandtschaft zwar nicht mochte, aber doch einige von ihnen geliebt hat. Es gibt ein paar „überraschende“ Wendungen in der Handlung, die leider nicht ganz so unvorhersehbar waren, aber das hat mich bei der insgesamt sehr atmosphärischen Erzählweise überhaupt nicht gestört.

Da ich vor allem die Passagen rund um das Meer so schön fand, hat es mich aber ziemlich überrascht (und etwas enttäuscht), dass Miren nach dem ersten Drittel der Handlung ihr Zuhause verlässt. Genau gesagt ist die Handlung in drei Teile aufgeteilt, der erste spielt in Hob’s Hallow, der zweite begleitet Miren auf einer Reise, die ihr Informationen über ihre Eltern und eine Zukunft fern von dem Fluch der O’Malleys bringen soll. Und der dritte Teil bringt die Geschichte – wenn auch nicht ohne einige weitere Wendungen und dramatische Ereignisse – zu einem glücklichen Ende für die Protagonistin und spielt in einer kleinen ländlichen Ansiedlung fern der Küste. Ich muss zugeben, dass dieser dritte Abschnitt für mich die schwächste Passage der Handlung war, kann aber nicht sagen, ob das daran liegt, dass ich diesen Schauplatz so nicht erwartet hatte, oder ob sich dieser Teil der Geschichte wirklich so sehr vom Rest unterscheidet, wie es sich für mich angefühlt hat. Doch auch wenn ich diese letzten Kapitel nicht ganz so gelungen fand wie die ersten beiden Drittel des Romans, gibt es doch immer noch sehr viele atmosphärische Momente, in denen verschiedene fantastische Elemente aus den keltischen und slawischen Mythologien verwendet wurden.

Mirens Welt ist voller Gefahren, voller Geister und Ungeheuer – und nicht alle diese Monster sind übernatürliche Wesen. Aber die Protagonistin findet auch immer wieder Personen, die ihr zur Seite stehen, selbst wenn das bedeutet, dass diese sich selbst in Gefahr bringen. Ich mochte dieses ständige Gefühl von Bedrohung beim Lesen und habe es genossen mitzuerleben, wie Miren immer wieder Lösungen für die verschiedenen Herausforderungen gefunden hat. Überhaupt hat es mir Freude bereitet, diesen Charakter zu begleiten, weil Miren sich nicht selbst belügt, wenn es um ihre eigenen Motive geht, weil sie immer wieder Schwächen zugibt und weil sie trotzdem immer weitermacht. Sie ist nicht immer nett und sie handelt an manchen Stellen ziemlich skrupellos, aber es hat sich beim Lesen stimmig angefühlt, dass eine Person, die so aufgewachsen ist wie Miren, sich eben genau so verhalten würde. Ebenso rund fand ich Mirens Entwicklung im Laufe des Romans, und so kann ich sagen, dass mir „All the Murmuring Bones“ mit all seinen düsteren Elementen und skrupellosen Charakteren insgesamt sehr viel Spaß gemacht. Ich bin wirklich neugierig, was Angela Slatter sonst noch so für Geschichten geschrieben hat, und werde definitiv noch weitere Titel der Autorin lesen!

L. D. Lapinski: Jamie

Von L. D. Lapinski mochte ich ja schon die „Strangeworlds Travel Agency“-Bücher, weshalb ich auch neugierig auf diesen Titel war. Im Gegensatz zu der Trilogie rund um die magische Reiseagentur beinhaltet „Jamie“ keine fantastischen Elemente. Die Geschichte wird aus der Perspektive einer nicht-binären Person namens Jamie Rambeau erzählt. Jamie ist elf Jahre alt und hat sich schon vor einiger Zeit als nicht-binär geoutet. Jamie fühlt sich weder als Mädchen, noch als Junge und hat das Glück, dass sowohl die Eltern als auch Lehrer*innen und Mitschüler*innen dies relativ problemlos akzeptiert haben. Doch bei einer Informationsveranstaltung der Schule findet Jamie heraus, dass die weiterführenden Schulen des Ortes eine „Jungenschule“ und eine „Mädchenschule“ sind – und niemand auf der Veranstaltung kommt auf den Gedanken zu fragen, was das für Jamie bedeuten würde.

Ich mochte es sehr, wie L. D. Lapinski beschreibt, wie es sich für Jamie Tag für Tag anfühlt, dass „nicht-binär“ aus Sicht der Gesellschaft in der Regel keine Option ist. Wie anstrengend und aufreibend es für Jamie ist, dass they nicht einfach eine Toilette besuchen kann, ohne vorher zu überlegen, ob die Damen- oder die Herrentoilette die bessere Alternative ist (und ob vielleicht jemand ein Problem damit haben würde, dass Jamie diese Toilette nutzt). Noch schlimmer ist es, als Jamies Eltern, die bislang eigentlich recht unterstützend waren, auf einmal zugeben, dass sie hofften, dass Jamies Nicht-binär-Sein nur eine Phase sei und dass sie der Meinung sind, dass Jamie sich einfach für eine der weiterführenden Schule entscheiden soll. Einzig Daisy und Ash (Jamies beste Freunde) und Olly (Jamies älterer Bruder) stehen Jamie zur Seite  – und alle drei sind der Meinung, dass Jamie dafür kämpfen sollte, dass die weiterführenden Schulen in der Region die Existenz von nicht-binäre Personen anerkennen und bei ihrer Schulpolitik in Betracht ziehen.

Für mich war das Lesen von „Jamie“ eine großartige Mischung aus sehr berührenden und sehr amüsanten Momenten. Ich mochte Jamie als erzählende Person, vor allem dieses Gefühl von „ich will doch nur in Ruhe mein Leben leben und werde stattdessen täglich gezwungen, die Welt um mich herum aufzuklären“, das in jedem Kapitel durchschimmerte. Für mich waren häufig gerade die kleinen Nebensätze ziemlich erhellend, wenn es um die Existenz als nicht-binäre Person in einer binär dominierten Gesellschaft geht, weil da so viele Elemente erwähnt wurden, auf die ich nicht von selbst gekommen wäre. Und das alles kommt zusammen mit einer wirklich lustigen Handlung, bei der ich innerlich immer wieder Jamie und die anderen angefeuert habe, während ich gleichzeitig über all die kleinen unbehaglichen oder peinlichen Situationen, in die sich Jamie, Ash und Daisy da so gebracht haben, kichern musste. Ich habe es wirklich genossen, die Freundschaft zwischen diesen drei so unterschiedlichen Figuren mitzuerleben, und so sehr ich es gehasst habe, dass Jamie für eine nicht-binäre weiterführende Schule kämpfen muss, so schön fand ich es, dass Jamies Umfeld sich dadurch sichtbar weiterentwickelte. Am Ende hat sich „Jamie“ als wirklich unterhaltsames Wohlfühlbuch entpuppt, das hoffentlich noch viele weitere Leser*innen finden wird.

Delilah S. Dawson: The Violence

Ich muss gestehen, dass ich keine Ahnung habe, in welches Genre ich „The Violence“ von Delilah S. Dawson stecken soll. Die Geschichte spielt einige Zeit nach der Corona-Pandemie, als eine weitere – weitaus ungewöhnlichere – Seuche die Welt erschüttert. Diese Seuche wird „The Violence“ genannt und bringt Menschen dazu, dass sie innerhalb von Sekundenbruchteilen vollständig eskalieren und beliebige andere Personen angreifen. Schnell kommt es zu den ersten Todesfällen, die Seuche breitet sich rasant aus und die Behörden raten der Bevölkerung, zuhause zu bleiben und Menschenmassen zu meiden. Während die Welt (erneut) durch eine Seuche aus den Fugen gerät, bietet diese Katastrophe für Chelsea Martin eine überraschende Chance, ihrem manipulativen und gewalttätigen Ehemann zu entkommen. Dabei wird die Handlung aus den Perspektiven von drei Frauen erzählt, als da wären: Chelsea, eine Hausfrau in einer wohlhabenden Gegend in Tempa (Florida), ihre egozentrische Mutter Patricia und ihre siebzehnjährige Tochter Ella.

Während alle drei Frauen versuchen, einen Weg zu finden, in einer Welt zu überleben, die durch The Violence aus den Fugen geraten ist, und dabei zum Teil sehr ungewöhnliche Wege gehen, gibt es immer wieder neue Details zum Leben dieser drei Charaktere zu entdecken. Das sorgt dafür, dass man so etwas wie Verständnis für ihr früheres und aktuelles Handeln entwickelt, selbst wenn alle drei Figuren mit ihrem Verhalten andere Personen verletzt haben. Ich fand es ziemlich spannend zu sehen, welche Wendungen die Geschichte im Laufe der Zeit entwickelt, was für neue Bekanntschaften die drei Protagonistinnen machen und welchen Einfluss diese auf sie und ihr Leben haben. Chelseas Wandel von der rundum polierten Hausfrau zur Underground-Wrestlerin (was schon im Klappentext verraten wird) war dabei überraschenderweise nicht die ungewöhnlichste Entwicklung. Fast noch spannender fand ich, wie sich das Leben für Patricia und für Ella durch die Seuche veränderte und was für Auswirkungen das auf diese Charaktere hatte.

„The Violence“ ist – wie schon erwähnt – ziemlich spannend zu lesen und beinhaltet ein paar wirklich unschöne Szenen, die aber für mich persönlich (von einer Ausnahme abgesehen) nicht „zu viel“ wurden. Delilah S. Dawson gibt im Vorwort an, was für Themen einen in ihrem Roman erwartet und warum sie die Geschichte so geschrieben hat, was ich sehr hilfreich fand. Und jedes Mal, wenn ich befürchtete, dass die Autorin als Nächstes etwas erzählen würde, was ich unerträglich finden würde, gab es eine überraschende Wendung in der Geschichte. Das sorgte häufig dafür, dass aus einem schlimmen Moment eine unerwartete Chance für die jeweilige Figur entstand. Dazu gibt es so einige freundschaftlich-schöne oder amüsante Szenen, die genügend Ausgleich zu den schlimmeren Ereignissen boten, so dass ich die ganze Zeit über neugierig auf den weiteren Verlauf der Handlung war. Ich weiß nicht, wie gut mir die Geschichte bei einem erneuten Lesen gefallen würde, weil dann die überraschenden Wendungen nicht mehr unvorhersehbar wären. Aber ich habe das Buch schon im Mai gelesen und mache mir bis jetzt immer wieder erneut Gedanken über die Charaktere und bestimmte Passagen in der Handlung – und das ist meiner Meinung nach definitiv eine Empfehlung!

Leseeindrücke August 2023

Tọlá Okogwu: Onyeka and the Academy of the Sun
Ich mochte die Grundidee sehr, dass die von ihr so gehassten Haare der Protagonistin Onyeka ihr Superkräfte verleihen. Diese sorgen dann dafür, dass sie mit anderen Jugendlichen in einer geheimen Akademie im Umgang mit ihren Kräften trainiert wird, während ihre Mutter nach Onyekas vor Jahren verschollenem Vater sucht. Dazu gab es noch so einige atmosphärische und interessante nigerianische Elemente (gebt mir gut klingendes, einheimisches Essen, das ich erst einmal recherchieren muss! 😉 ) und einen Haufen sympathischer Charaktere, mit denen sich Onyeka langfristig anfreundet. Allerdings hat mich die Handlung trotzdem nicht richtig packen können und die Person, die sich „überraschend“ als skrupelloser „Strippenzieher“ im Hintergrund entpuppte, war von Anfang an für mich schrecklich offensichtlich. Auch hätte ich gern mehr über Tọlá Okogwus SF-Variante von Nigeria erfahren, in der dieser Teil Afrikas – dank überlegener Solarenergie – zu einer Weltmacht wurde. So kommt Onyeka in ein Land, das vor lauter inovativer und faszinierender Technologien nur so strotzt, was spannend hätte sein können, aber für meinen Geschmack zu wenig ausgebaut und erklärt wurde. Für mich ist „Onyeka and the Academy of the Sun“ ein wirklich nettes Jugendbuch mit einigen interessanten Ideen und Figuren, aber leider nicht so gut, das ich es in meinem Bestand behalten müsste.

Lucinda Race: Books and Bribes (A Book Store Cozy Mystery 1)
Ein weiterer Cozy Mystery, den ich zum Antesten der Reihe kostenlos auf meinen eReader geladen hatte, nachdem ich die Leseprobe ganz nett fand. Auf diesen ersten Seiten wird erzählt, wie die Protagonistin Lily auf einmal ihren Kater Milo verstehen konnte, nachdem sie sich bei einem Sturz in ihrer Buchhandlung den Kopf gestoßen hatte – und Milo sie dann darüber aufklärt, dass sie eine Hexe ist. Dummerweise ging es von diesem Punkt an steil bergab, weil Lily (mit Unterstützung ihres Jugendfreundes, der Polizist ist) einen Mordfall aufklären will, weil sie SOOOOOOOOOOOO GUT BEIM LÖSEN VON RÄTSELN IST! Aber obwohl Lily so gut beim Lösen von Rätseln ist, geht sie nicht nur schrecklich unlogisch mit all den Hinweisen um und bringt sich selbst ständig in Gefahr, sie übersieht auch die offensichtlichsten Indizien. Noch mehr nervte mich aber die Tatsache, dass der „magische“ Teil der Geschichte anscheinend nur eingebaut wurde, um … ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung warum. Fast alles, was Lily mit Magie macht, hätte sie auch ohne hinbekommen können, und die Tatsache, dass sie über Magie verfügt, scheint ihr vor allem lästig zu sein, weshalb sie (sagte ich schon, dass Lily Buchhändlerin ist?!) es nicht einmal schafft, ihr magisches Handbuch zu lesen, weil das ja sooooo anstrengend ist. Dabei versucht wirklich jede Person in ihrem Umfeld ihr klar zu machen, dass sie alle wichtigen Informationen über ihre Magie (inklusive diverser Zaubersprüche) in diesem Handbuch findet. Diese Geschichte habe ich nur beendet, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass die Auflösung des „Krimianteils“ und all der anderen Rätsel wirklich so offensichtlich sein würde, wie es von Anfang an schien.

Toshikazu Kawaguchi: Before the coffee gets cold – Tales from the Cafe
Toshikazu Kawaguchi: Before your memory fades
Zu meiner Überraschung musste ich gerade feststellen, dass ich den ersten Band – obwohl ich mir dessen sicher war – gar nicht rezensiert hatte. Wie schon in „Before the coffee gets cold“ gibt es in jedem dieser beiden Bücher vier Kapitel rund um unterschiedliche Personen, die in einem Café für einen kurzen Moment in die Vergangenheit reisen. Dabei können sie ihren Sitzplatz im Café nicht verlassen und haben nur so viel Zeit in der Vergangenheit, wie ihre Tasse Kaffee zum Auskühlen benötigt. Meiner Meinung nach macht es sich schon bemerkbar, dass die ersten vier Geschichten ursprünglich als Theaterstück geschrieben wurden. Aber obwohl das dazu führt, dass die gesamte Handlung mit begrenzter Personenzahl nur in einem einzigen Raum stattfindet, funktioniert es für mich ziemlich gut. Alle Geschichten sind sich in gewisser Weise ähnlich und (häufig) etwas kitschig, aber ich mag die Figuren, ich mag, wie es immer wieder kleine Einblicke in das weitere Leben der verschiedenen Protagonist*innen gibt, und ich mag die Elemente, die ich als „sehr japanisch“ empfinde. Diese Bücher sind für mich pure Wohlfühllektüre und ich habe mich dabei ertappt, dass ich mir die acht Geschichten bewusst aufgeteilt und dann nur eine pro Tag gelesen habe.

Elsie Winters: Leviathan’s Song (Boundland 1)
Die Autorin hatte ich über eine Anthologie kennengelernt, und weil ich neugierig auf ihre weiteren Bücher war, hatte ich mir dann die Kurzgeschichte „Green-Eyed Monster“ auf den eReader geladen (und dann doch erst vor Kurzem gelesen). „Leviathan’s Song“ spielt ebenso wie „Green-Eyed Monster“ vor allem im Boundland – einem magischen Grenzgebiet, das sich rund um Portale zur Erde gebildet hat – und ist durch und durch Romantasy. (Und angesichts der geringen Zeitspanne, in der die Handlung spielt, ist der Beziehungsteil weniger slow burn, als die Autorin behauptet. 😉 ) Mich reizt an den Boundland-Geschichten die Mischung aus sympathischen Figuren, dem Humor und dem Weltenbau. Ich mag die Grundidee, die darauf basiert, dass magische Wesen nicht (lange) auf der Erde überleben können, dass aber magische Personen, die zum Teil menschlich sind, durchaus in der Lage sind, sich auf der Erde eine Existenz aufzubauen. Das führt zu einer interessanten Mischung aus Magie und Technologie für beide Welten. Ebenso sind Elsie Winters Varianten von vertrauten magischen Kreaturen (hier unter anderem Sirenen, Vampire, Gestaltwandler, Seelenfänger und unterschiedliche Meerpersonen) interessant zu lesen und unterliegen zum Teil ungewöhnlichen magischen Regeln, was ich wirklich unterhaltsam finde. Außerdem machten mir all die kleinen und großen politischen Elemente viel Spaß, und noch amüsanter fand ich die Lösung, die die Protagonistin und ihr Liebster am Ende für all die damit verbundenen Probleme finden. Nichts davon ist so besonders, dass ich das Gefühl hatte, es würde sich eine ausführliche Rezension lohnen, aber die Geschichten sind so nett und unterhaltsam, dass ich definitiv auch noch die anderen Boundland-Romane lesen werde.

Leseeindrücke April bis Juli 2023 (Teil 2)

Nachdem ich am Sonntag schon ein paar Leseeindrücke der letzten Monate veröffentlicht hatte, gibt es hier nun den zweiten Teil:

Delemhach: The House Witch
Delemhach: The House Witch 2
Delemhach: The House Witch 3

Den ersten Band habe ich auf einer Liste mit „cozy Fantasy“ gefunden, und der Klappentext klang reizvoll genug, um „The House Witch“ eine Chance zu geben – was dafür sorgte, dass ich ziemlich schnell hintereinander alle drei Teile gelesen habe, weil ich mich damit gut unterhalten fühlte. Wobei ich es ziemlich schade fand, dass der Protagonist Finlay Ashowan sich im Laufe der Trilogie von einer „House Witch“ zu eine Art „Übermagier“ entwickelt hat, was halt auch dazu führte, dass es zu immer weniger amüsanten Szenen in einer simplen Schlossküche kam und zu immer mehr „Kriegs(vorbereitungs)szenen“. Dabei mochte ich gerade die alltäglichen Momente zu Beginn des ersten Bandes so gern, in dem die Bewohner eines Schlosses mit den exzentrischen Eigenheiten ihres neuen Kochs umzugehen lernen. Es gab viele amüsante Szenen in den drei Romanen, aber einige davon hatten einen etwas arg … pubertären Humor, und bei den Frauenfiguren hatte ich auch das Gefühl, dass sie nicht gerade viel Tiefe aufwiesen. Alles in allem sehr amüsant und mit vielen tollen Ansätzen, aber im Nachhinein nicht so großartig, dass ich mir die beiden weiteren Bände, die in der Welt spielen, besorgen musste.

H.G. Parry: The Magician’s Daughter

„The Magician’s Daughter“ kam mir auf Twitter vor die Nase, wo jemand meinte, dass die Geschichte an „Howl’s Moving Castle“ erinnern würde. Diesen Eindruck kann ich nicht so ganz teilen, auch wenn es eine Verwandlungsszene gibt, die mich an Howls Steckenbleiben in seiner vogelähnlichen Gestalt in dem Anime erinnert hat. Insgesamt hat der Roman auf mich einen angenehm altmodischen Eindruck gemacht. Das Buch bietet eine sehr ruhige Erzählweise, auf die ich mich erst einmal einlassen musste, einen ausführlichen Einstieg in die Situation, in der sich die Protagonistin Biddy befindet, eine ganz wunderbar beschriebene magische Insel, einen faszinierender Magier (der Biddys Pflegevater ist) und seinen hasenförmiger Vertrauten. Die Handlung selbst fand ich nicht so ungewöhnlich, was dazu führte, dass ich relativ wenig neugierig auf die weitere Entwicklung war, aber ich habe die Art und Weise genossen, in der mir die Geschichte durch Biddys Perspektive erzählt wurde. Ich bin mir nicht sicher, ob „The Magician’s Daughter“ zu den Romanen gehört, die ich immer und immer wieder aus dem Regal ziehen werde, aber es ist auf jeden Fall ein Buch, dessen Anblick im Regal mich erfreut, weil es mich an angenehme Lesestunden erinnert.

Matthew Costello/Neil Richards: Mydworth Mysteries 1 – A Shot in the Dark (Hörbuch)
Matthew Costello/Neil Richards: Mydworth Mysteries 2 – A Little Night Murder (Hörbuch)

Die von Nathaniel Parker gelesenen Hörbücher gab es bei Audible im 2-für-1-Angebot, und auch wenn der Krimianteil der Geschichten jetzt nicht soooo qualitativ ist (beim ersten lag die Auflösung von Anfang an auf der Hand, beim zweiten war sie nicht „mit-ermittelbar“, was mich immer stört), sind es unterhaltsame 20er-Jahre-Mysteries. Der Sprecher leistet einen guten Job, die beiden Hauptfiguren sind sympathisch, und ich mag, dass die Hörbücher mit gut drei Stunden Laufzeit eine übersichtliche Länge haben. Die Mydworth Mysteries sind für mich die perfekte Hörbuch-Lösung, wenn kurz und „nett“ genau das ist, was ich gerade auf den Ohren brauche.

Michelle Manus: Guardian of Chaos (Nyx Fortuna 1)
Michelle Manus: Guardian of Shadows (Nyx Fortuna 2)
Michelle Manus: Guardian of Madness (Nyx Fortuna 3)

Der erste Nyx-Fortuna-Band hat mich während des Juli-Lese-Sonntags so gut unterhalten, dass ich das Buch an dem Tag vollständig gelesen habe – und dann habe ich die beiden weiteren Teile direkt im Anschluss verschlungen. Für mich fühlt sich die Serie sehr nach den „Innkeeper Chronicles“ von Ilona Andrews an, was an den drei folgenden Aspekte liegt: Es ist eine Mischung aus Urban Fantasy/Fantasy/Science Fiction (genau genommen spielt Nyx‘ Geschichte auf unserer Erde, in einem magischen Teil der Erde und in verschiedenen Galaxien), es gibt sympathische Charakteren, die alle ihre eigenen magischen Spezialfähigkeit haben, und das zentrale Element ist die „Grenzstation“, die sehr an das Inn in den „Innkeeper Chronicles“ erinnert (inklusive der Fähigkeit das Gebäude an die Bedürfnisse seiner jeweiligen Bewohner anzupassen und Dinge zur Verfügung zu stellen, die aktuell benötigt werden). Trotz all dieser Ähnlichkeiten gibt es genügend eigenständige Elemente, die dafür sorgen, dass ich neugierig auf den weiteren Verlauf der Reihe bin (und deshalb den vierten Band schon vorbestellt habe).

Leseeindrücke April bis Juli 2023 (Teil 1)

Es gibt so einige Bücher, die ich in den letzten Wochen gelesen habe, zu denen mir nicht genug für eine Rezension einfällt, die ich aber nicht ganz unerwähnt lassen möchte. Und da doch einiges an Text zusammenkam, als ich mich endlich ans Schreiben dieses Sammelbeitrags machte, habe ich ihn lieber aufgeteilt. 😉

Stella Bixby: Downward Death (Magical Mane Mystery 1)
Stella Bixby: Bowling Blunder (Magical Mane Mystery 2)

Die „Magical Mane Mysterys“ von Stella Bixby gehören eindeutig dazu – nicht, weil diese Cozy-Paranormal-Mystery-Reihe insgesamt so besonders wäre, sondern weil ich die von der Autorin entwickelten Figuren so gerne mochte. Die Grundidee für diese Serie ist ein bisschen absurd. Die Protagonistin Ellie Vanderwick hat von klein auf das Problem, dass ihre Haare auf ihre Gefühle reagieren und so von einer Minute auf die andere die Farbe (und „Lockigkeit“) ändern – was dazu führt, dass sie von allen Personen, die dies bislang gesehen haben, verlassen wurde. Wie gesagt, die Grundidee ist etwas absurd, und dazu kommt, dass auch die Lösungen der Mordfälle relativ offensichtlich sind. Aber die Geschichten sind unterhaltsam und ich finde es wunderbar, wie Stella Bixby die verschiedenen Figuren anlegt und mit dem Kontrast zwischen „so wirkt die Person auf Außenstehende“ und „so ist die Person wirklich“ spielt. Auch hat die Autorin keine Hemmungen, selbst sehr sympathische Charaktere im Laufe ihrer Geschichte zu ermorden, was ich definitiv anerkennen kann.

Eryn Scott: A Crafty Crime (Stoneybrook Mystery 1)

„A Crafty Crime“ von Eryn Scott hat viele typische Cozy-Mystery-Elemente wie zum Beispiel die frisch getrennte/geschiedene Protagonistin, die über eine Leiche stolpert. Der Schauplatz ist ein kleiner, idyllisch wirkender Ort und es gibt viele heimelige Elemente – hier zum Beispiel der Handwerkermarkt und die Tatsache, dass Hadley James ihren Lebensunterhalt mit ihrer selbstgemachten Marmelade bestreitet. Was ich sehr schön fand, ist die Tatsache, dass Hadley nicht in Verdacht gerät, die Täterin zu sein, und deshalb die Ermittlungen aufnimmt. Stattdessen ist ihr Zwillingsbruder der in dem Ort stationierte Deputy Sheriff, und da sein Vorgesetzter die Ermittlungen regelrecht behindert, forschen die Zwillinge gemeinsam mit einer Jugendfreundin inoffiziell nach dem Mörder. Den Teil mochte ich sehr gern, aber da ich einige Facetten der Protagonistin (vor allem von der Autorin „amüsant“ gemeinte „jede Frau denkt doch so“-Gedanken) ziemlich nervig fand, werde ich diese Reihe definitiv nicht weiter verfolgen.

Sarah Addison Allen: Lost Lake
Sarah Addison Allan: Garden Spells (Waverly Sisters 1)
Sarah Addison Allen: First Frost (Waverly Sisters 2)

Sarah Addison Allen schreibt sehr nette und erholsame Romane mit einem Hauch von Magie und zum Teil großartigen Nebenfiguren. Die Geschichten selbst sind ziemlich vorhersehbar, aber das fand ich beim Lesen nicht weiter schlimm, vor allem da ich viele der magischen Elemente in den Büchern ziemlich genossen habe, ebenso wie die diversen „alten Frauen“ und die Dialoge, die es mit ihnen gab. Ich glaube, die Handlung in „Lost Lake“ hat mir bislang am besten gefallen, während ich die magischen Gaben (und das Haus inklusive dem temperamentvollem Apfelbaum) in den Waverly-Sisters-Romanen besonders hübsch fand. Ich werde auf jeden Fall noch weitere Titel der Autorin lesen, wenn ich das Bedürfnis nach „anspruchsloser Wohlfühllektüre mit einem Hauch von Magie“ habe (und sei es nur, weil die eBooks wirklich günstig zu kaufen sind).

Sandra Wickham: Death Coach

Ein Urban-Fantasy-Roman, den ich so sehr gern gelesen habe, dass ich die Augen nach einer Fortsetzung aufhalten werde. Die Protagonistin Amy kann mit Geistern kommunizieren, hat diese Fähigkeit aber nach einer traumatisierenden Erfahrung seit ihren Teenagerjahren nicht mehr eingesetzt. Als nun eine ihrer Klientinnen sich das Leben nimmt und Amy vorgeworfen wird, dass ihr Lifecoaching dafür verantwortlich gewesen sei, muss sie auf ihre ungewöhnliche Gabe zurückgreifen, um mehr über die Verstorbene herauszufinden. Für mich hielt „Death Coach“ einen überraschend interessanten Umgang mit Amys Gabe bereit, außerdem mochte ich die Protagonistin (und die Tatsache, dass ihr in der Regel durchaus klar war, wenn sie Mist gebaut hatte, und dann wie eine vernünftige Person versuchte, das wieder in Ordnung zu bringen). Zusätzlich gibt es noch eine Nebenfigur (Amys Cousine Carme) mit Down Syndrom, die als selbstständige junge Frau mit Stärken und Schwächen dargestellt wurde statt als „niedliche Person mit geistiger Behinderung“ und die auch kein Problem damit hatte, z. B. ableistisches Verhalten von Amy zu benennen und zu kritisieren.

 

Den zweiten Teil gibt es am 26. Juli – und ich verlinke den Text dann hier, wenn er veröffentlicht wurde: TEIL 2

Skyla Dawn Cameron: The Killing Beach (Waverly Jones 1)

„The Killing Beach“ von Skyla Dawn Cameron habe ich schon vor ein paar Wochen gelesen und es gibt Elemente an dem Buch, die mich bis heute nicht ganz losgelassen haben. Auf den ersten Blick scheint „The Killing Beach“ ein ganz normaler Thriller zu sein. Die Protagonistin Waverly Jones (ehemals Milton) kommt nach vielen Jahren Abwesenheit zurück in ihre Heimatstadt Port Milton, um dort als Privatdetektivin zu arbeiten. Genau genommen hat eine Reihe von Morden Waverly zurück in ihren Geburtsort gebracht. Die Opfer dieser Morde sind Männer sind, deren äußere Beschreibung die junge Frau an den vor elf Jahren verschwundenen Detective-Sergeant Sebastian Kyle erinnern. Denn diese Mordserie ist nicht die erste, die die kleine Stadt erschüttert: Als Waverly noch eine Teenagerin war, wurden einige junge Mädchen ermordet und Detective-Sergeant Sebastian Kyle hatte vor seinem unerklärlichen Verschwinden die Ermittlungen übernommen.

Da Waverlys gleichaltrige Schwester Meadow vermutlich ebenfalls dem Serienmörder zum Opfer fiel und Waverly schon vor dem Verschwinden ihrer Schwester mit einer Intensität für Sebastian Kyle schwärmte, wie sie nur eine (einsame) Teenagerin aufbringen kann, lässt sie dieser alte Fall natürlich nicht los – womit wir alle Elemente für einen klassischen Thriller hätten. Doch Skyla Dawn Cameron hat mit Waverly eine sehr ungewöhnliche und nicht gerade sympathisch wirkende Figur in den Mittelpunkt ihrer Geschichte gestellt. Ihre Protagonistin ist abweisend und manipulativ, und all die Jahre, die sie in Therapie war, haben weniger dafür gesorgt, dass sich Waverly ein „gesellschaftlich akzeptableres“ Verhalten zugelegt hat, als dass sie sich ihrer Probleme definitiv bewusst ist und deshalb einfach keine Beziehungen zu anderen Menschen eingehen möchte. Dazu kommt, dass das Verschwinden ihrer Schwester Meadow und die Tatsache, dass ihre Leiche nie gefunden wurde, Waverly nachhaltig traumatisiert hatte – was dazu führt, dass sie sich regelmäßig vorstellt, dass ihre Schwester sie begleitet. (Also nicht als Geist, sondern als eine – recht eloquente – Projektion ihres Unterbewusstseins.)

Ich fand es sehr spannend, dass Waverly so gar keine sympathische Figur war und dass ich es trotzdem genossen habe, aus ihrer Perspektive die Handlung zu verfolgen. Skyla Dawn Cameron verzichtet auf reißerische Details rund um die Opfer und die Dinge, die ihnen angetan wurden, und konzentriert sich stattdessen auf die Folgen solcher Verbrechen. Auf die Folgen nicht nur für die Angehörigen und Freunde der Opfer, sondern auch für eine Generation junger Frauen, die mit der Angst vor einem Serienmörder aufwachsen musste, auf all die Bewohner des Ortes, die sich fragen mussten, wer von ihnen wohl der Täter ist und welche Hinweise sie eventuell übersehen, und auf die Ermittler, die mit ihrem Scheitern fertigwerden mussten. Diese Elemente sind es, die bis heute bei mir hängengeblieben sind und die mich auch darüber hinweggetragen haben, dass der Roman in der Mitte ein kleines bisschen langatmig wurde. Ich fand die Geschichte aus Waverlys Perspektive faszinierend zu lesen, und das sorgt – ebenso wie der Cliffhanger am Ende (und die Hoffnung, dass Skyla Dawn Cameron auch bei diesem Punkt nicht den ausgetretenen Pfaden des Genres folgen wird) – dafür, dass ich ziemlich ungeduldig auf den im November erscheinenden zweiten Teil der Reihe warte.

Katy Watson: The Three Dahlias

„The Three Dahlias“ von Katy Watson ist mir im vergangenen Jahr regelmäßig in den Blick gekommen, und jedes Mal gab es dazu begeisterte Stimmen, die sagten, dass dieser Roman ein wirklich unterhaltsamer cozy mystery mit drei wunderbaren Protagonistinnen sei. Trotzdem hat es etwas gedauert, bis ich mir das eBook gekauft habe (schwach geworden bin ich dann, weil es ein Angebot für 1,19 Euro gab) – und inzwischen bereue ich es fast ein bisschen, dass ich nicht früher auf all die Rezensionen gehört habe. Ich weiß nicht, ob ich vorher schon mal einen aktuellen Roman gelesen habe, der in der heutigen Zeit spielt und trotzdem so stimmig die Atmosphäre eines klassischen britischen cozy mystery einfängt, aber genau dieser Punkt hat mir beim Lesen wirklich Spaß gemacht.

Erzählt wird die Geschichte in drei Teilen, so dass die Leser*innen die Handlung aus der Sicht von drei verschiedenen Schauspielerinnen verfolgen können. Katy Watson hat sich für ihre Geschichte die fiktive Dahlia-Lively-Cozy-Mystery-Reihe ausgedacht, die – beginnend in den 1930er Jahren – viele Jahrzehnte lang von der Autorin Lettice Davenport geschrieben wurde. Für mich fühlte es sich ein bisschen an, als ob die Figur der Dahlia Lively an die Phryne-Fisher-Fernsehserie angelehnt wurde, auch wenn sich „The Three Dahlias“ selbst wie eine Hommage an Agatha Christies Romane las. Die drei Schauspielerinen, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, wurden alle für Verfilmungen der Dahlia-Lively-Romane gecastet: Rosalind King spielte die Privatdetektivin in den ersten drei Filmen, die auf den Büchern basierten, Caro Hooper verkörperte Dahlia Lively in dreizehn Staffeln einer Fernsehserie und Posy Starling wurde gerade erst engagiert, um die Hauptrolle im nächsten Dahlia-Lively-Film zu übernehmen.

Ich muss zugeben, dass ich bei jedem Erzählerinnenwechsel eine kleine Eingewöhnungszeit benötigte, weil die drei Schauspielerinnen sich in ihrem Ton und ihren Gedanken sehr unterscheiden, aber insgesamt habe ich es sehr genossen, die Geschichte aus der Sicht dieser drei höchst unterschiedlichen (und sich erst im Laufe der Zeit miteinander anfreundenden) Frauen zu erleben. Denn es sind vor allem die kleinen und größeren Nebengedanken der Protagonistinnen, die diesen Roman so unterhaltsam machen. Der Schauplatz (ein Herrenhaus, in dem Lettice Davenport den Großteil ihres Lebens verbracht hat) und die Beteiligten (eine ausgewählte Gruppe von Personen, die entweder mit dem Lettice-Davenport-Fanclub in Verbindung stehen oder mit der kommenden Verfilmung zu tun haben) wären deutlich weniger interessant, wenn es nicht die ganze Zeit über all die kleinen Nebenbemerkungen und boshaften Gedanken der drei Schauspielerinnen gäbe.

Mir gefiel es auch, dass Katy Watson es recht stimmig gestaltet hat, dass die drei Frauen die Ermittlungen auf eigene Faust aufnehmen. Posy, Rosalind und Caro profitieren dabei nicht nur von ihrem Wissen rund um die Dahlia-Lively-Romane, sondern müssen auch befürchten, dass Geheimnisse an die Öffentlichkeit kommen, mit denen sie erpresst werden sollten. Nicht ganz so überzeugend fand ich hingegen die Identität und das Motiv des Täters, die schon relativ früh vorhersehbar waren, aber da dieser Punkt neben all der Unterhaltung, die mir die drei Protagonistinnen beschert haben, überraschend nebensächlich war, hat es mich nicht so sehr gestört. Stattdessen habe ich es genossen, die Handlung aus der Sicht von Posy, Rosalind und Caro zu erleben, all ihre kleinen Beobachtungen und Gedanken zu verfolgen und zu sehen, wie sich diese drei Frauen – trotz einer gewissen anfänglichen Rivalität – im Laufe der Zeit immer mehr anfreunden. Ich hoffe sehr, dass diese drei so unterschiedlichen Charaktere und ihre ungewöhnliche Freundschaft in der gerade erst erschienenen Fortsetzung „A Very Lively Murder“ ebenso unterhaltsam zu lesen sein werden. Ich freu mich auf jeden Fall schon darauf, das demnächst herauszufinden.

Karuna Riazi: A Bit of Earth (Hörbuch)

„A Bit of Earth“ von Karuna Riazi ist eine moderne Neuerzählung von „Der geheime Garten“ von Frances Hodgson Burnett, wobei sich die Autorin einige (sehr willkommene!) Freiheiten mit dem Original erlaubt. Da die Geschichte zu einem Teil in Versen erzählt wird, habe ich zum Hörbuch gegriffen, weil ich davon ausging, dass mir diese Passagen mit einer professionellen Sprecherin mehr Freude bereiten würden als beim Lesen. Die Handlung wird aus der Sicht von Maria Latif erzählt und beginnt an dem Tag, an dem sich Maria in einem Flughafen in New York wiederfindet, wo sie in die Obhut einer ihr fremden Familie übergeben wird. Von Anfang an steht fest, dass Maria keine einfache Person ist, und das ist ihr durchaus bewusst. Sie ist sogar in gewisser Weise stolz darauf, dass sie so abweisend und stachelig ist und sich nicht unbedingt so verhält, wie es von ihr erwartet wird. Die Tatsache, dass Maria seit dem Tod ihrer Eltern von einer Verwandten zur nächsten abgeschoben wurde, hat nur dafür gesorgt, dass sie umso entschlossener ist, an ihrem widerspenstigen Charakter festzuhalten und sich nicht zu verstellen, nur um besser in ihr jeweiliges „Übergangszuhause“ zu passen.

Schnell findet Maria heraus, dass in der Familie Claybourne einiges im Argen liegt. Lindsay Claybourne, die sich hauptsächlich um Maria kümmert, ist die zweite Ehefrau ihres Mannes und steht im Schatten ihrer verstorbenen Vorgängerin und unter der Fuchtel ihrer konservativen Schwiegermutter. Den Herren des Hauses, der mit ihrem Vater befreundet war, bekommt Maria gar nicht erst zu Gesicht, da er auf Geschäftsreise ist, und Colin, der Sohn der Familie, hält sich zu Beginn der Geschichte in einem Internat auf. Maria selbst kann das alles eigentlich egal sein, sie weiß genau, dass die Claybournes nur eine Station von vielen für sie sind. Und doch beginnt sie sich im Laufe der kommenden Wochen – eher unwillig – für die Personen um sie herum zu interessieren. Dazu kommt noch, dass eines der Mädchen (Mimi) in der Nachbarschaft wild entschlossen zu sein scheint, sich mit Maria anzufreunden, egal, ob diese damit einverstanden ist oder nicht.

Ich mochte die verschiedenen Figuren, die Karuna Riazi für ihre Variante von „Der geheime Garten“ geschaffen hat, sehr. Maria ist sich durchaus bewusst, dass sie eine schwierige Persönlichkeit hat und dass ihr Leben deutlich einfacher wäre, wenn sie liebenswerter wäre, aber gerade dieses Bewusstsein für all die Ecken und Kanten ihres Charakters hat sie für mich so sympathisch gemacht. Colin ist Maria in gewisser Weise ähnlich, was natürlich auf der einen Seite dazu führt, dass die beiden sich aneinander reiben, obwohl sie auf der anderen Seite so gut nachvollziehen können, was den jeweils anderen zu seinem Handeln motiviert. Und dann gibt es da noch Mimi und ihre Familie, die – im Gegensatz zu den Claybournes – alle respekt- und liebevoll miteinander umgehen und mit ihrem Verhalten dafür sorgen, dass Maria, Colin und Lindsay ein bisschen aus ihren eingefahrenen Bahnen ausbrechen und mehr aufeinander zugehen können.

Ein weiterer Aspekt, den ich sehr genossen habe, war Marias pakistanisch-bengalischer Hintergrund, der sich ganz selbstverständlich durch die gesamte Geschichte zieht. Maria ist Muslimin, sie trägt jeden Tag ihre Dupatta, sie betet ganz selbstverständlich und sie sehnt sich nach all den vertrauten Gerichten, die sie bei ihren Eltern und den verschiedenen Verwandten genossen hat. Überhaupt sind Gerüche und Essen zwei wichtige Elemente in der Geschichte. Die Erinnerungen und Gefühle, die Düfte und Speisen auslösen können, spielen eine nicht zu übersehende Rolle in Marias Leben. So ist es auch kein Wunder, dass gerade diese Dinge Kindheitserinnerungen bei Maria auslösen und so dafür sorgen, dass auch die Zuhörer*innen ein Gefühl für Marias Vergangenheit bekommen. Ich fand es auch ausgesprochen stimmig, wie die Autorin die zwiespältigen Gefühle, die Maria gegenüber ihren verstorbenen Eltern und ihrer Verwandtschaft empfindet, darstellte und wie die Arbeit im Garten dem Mädchen hilft, mit all seiner Trauer, seiner Frustration und seiner Sehnsucht fertig zu werden.

Die Sprecherin Subhadra Newton hat für mich noch zusätzlich dazu beigetragen, dass ich diese an sich schon sehr schöne Geschichte noch mehr genossen habe. Sie hat nicht nur den verschiedenen Figuren eine überzeugende Individualität verliehen, sondern auch dafür gesorgt, dass sich all die nicht ganz so vertrauten Begriffe, die Maria verwendet, für mich stimmig anfühlten. Es hat mir wirklich viel Freude bereitet, Subhadra Newton zuzuhören, was dazu geführt hat, dass ich meine Hörbuchzeit deutlich verlängert habe, um nur noch ein bisschen mehr von der Geschichte mitzubekommen. Ich hoffe sehr, dass ich von Karuna Riazi (und Subhadra Newton) in Zukunft noch mehr lesen bzw. hören werde.