Schlagwort: Fantasy

Andy Sagar: Yesterday Crumb and the Storm in a Teacup

Bei „Yesterday Crumb and the Storm in a Teacup“ von Andy Sagar hat mich als Erstes das Cover angesprochen, und nach dem Lesen der Inhaltsangabe fand ich die Vorstellung von einem magischen Café und einer Teehexe sehr reizvoll. Die Geschichte dreht sich um die zwölfjährige Yesterday Crumb, die fast ihr gesamtes Leben in einem Käfig in einem Zirkus verbracht hat. Dort dient das Mädchen mit den Fuchsohren als Attraktion für die Besucher, und sein einziger Trost ist ein kleines Buch über „Faeries“, das mit ihm zusammen gefunden wurde. Yesterday sehnt sich danach, „normal“ zu sein, weil sie davon ausgeht, dass sie ohne ihre ungewöhnlichen Ohren ein Leben wie jedes andere Mädchen führen könnte. Aber da alles besser ist, als weiterhin in einem Käfig zu existieren, folgt sie eines Tages dem geheimnisvollen unhöflichen weißen Raben Madrigal, der sie zu der Teehexe Miss Victoria Dumpling bringt.

Miss Dumpling ist die Besitzerin des Tea Shops Dwimmerly End, ein magisches Café, das in einem Haus mit Flamingobeinen zu finden ist, und sie bietet Yesterday an, bei ihr eine Ausbildung zur Teehexe zu machen. Außerdem will Miss Dumpling ihr helfen, den Fluch loszuwerden, den der unheimliche Mr. Weep auf ihrem Weg zum Café über Yesterday verhängt hat. In den Wochen nach ihrem Eintreffen in Dwimmerly End erlebt Yesterday also allerlei Abenteuer, während sie ihre Ausbildung zur Teehexe beginnt, seltene Zutaten für ihre magischen Tees sucht und gegen die Anhänger von Mr. Weep kämpft. Es gibt viele rasante und bedrohliche Szenen, aber trotz Yesterdays trauriger Vergangenheit und all der Gefahren, die sie erlebt, ist „Yesterday Crumb and the Storm in a Teacup“ in erster Linie eine Wohlfühlgeschichte voller amüsanter Momente und liebenswerter Figuren.

Als sogenannter Strangeling gehört Yesterday weder in die Menschenwelt, noch wird sie in der magische Welt vollständig anerkannt, und doch findet sie in Dwimmerly End ein liebevolles Zuhause mit Personen, die sie unterstützen und die ihr mehr zutrauen als sie sich selbst. Ich muss zugeben, dass es hier und da Stellen gab, wo ich gern vom Autor mehr Realismus – oder zumindest irgendeine fantastische Erklärung – gehabt hätte. So beinhaltet das Haus, das sich auf Flamingobeinen vorwärtsbewegt und in dessen Erdgeschoss das Café ist, nicht nur mehrere Stockwerke inklusive magischem Entwicklungslabor und Schlafräumen, sondern auch Greifen- und Einhorn-Ställe und ein Gewächshaus, ohne dass groß gesagt wird, wie all diese Räume darin unterkommen, ohne die Beweglichkeit des Gebäudes einzuschränken. Auch wüsste ich gern, wer Yesterday zum Beispiel das Lesen beigebracht hat, wenn sie doch im Zirkus keinerlei Aufmerksamkeit oder Zuwendung erfahren hat. Auf der anderen Seite muss ich zugeben, dass ich für all die magischen Wirkstoffe und Zutaten für Miss Dumplings Tees und Getränke keinerlei Erklärungen erwartet habe, ebensowenig wie für die Existenz des bezaubernden Tea Spirits Pascal oder all der anderen magischen Kreaturen – an diesen fantastischen Dingen konnte ich mich problemlos erfreuen.

Insgesamt fühlte sich „Yesterday Crumb and the Storm in a Teacup“ für mich wie eine zuckersüße, quietschbunte, weniger komplexe und deshalb für eine jüngere Leserschaft geeignete Variante der „Morrigan Crow“-Romane an. Beide Geschichten haben magische Gebäude, die die jeweilige Protagonistin willkommen heißen, eine freundliche und unterstützende erwachsene Person, die sich vor allem im Hintergrund aufhält und darauf vertraut, dass die jugendliche Protagonistin schon ihren Weg findet, und sehr viele ungewöhnliche und fantastische Ideen, mit denen ich sehr viel Spaß habe. Oh, und für diejenigen, die nun Lust auf das Buch bekommen haben, aber lieber auf Deutsch lesen: Der Dressler Verlag hat mit „Faye Fox 1 – Eine Prise Wunder hilft bei jedem Fluch“ eine deutsche Übersetzung veröffentlicht. (Wenn jemand zu dieser Übersetzung greifen sollte, dann seid so nett und klärt mich darüber auf, ob es darin eine Erklärung für den Faye-Fox-Reihentitel gibt – vor allem, da laut Klappentext der Name der Protagonistin weiterhin Yesterday Crumb lautet.)

Anne Ursu: The Troubled Girls of Dragomir Academy

Es ist schon eine Weile her, dass ich „The Troubled Girls of Dragomir Academy“ gelesen habe, aber ich habe den Roman noch immer in guter Erinnerung und will ihn nicht einfach ins Regal stellen, ohne hier ein paar Worte über die Geschichte zu verlieren. „The Troubled Girls of Dragomir Academy“ war für mich die erste Veröffentlichung von Anne Ursu, die ich gelesen habe, aber ich habe mir gleich im Anschluss die Backlist der Autorin auf meinen Merkzettel gesetzt. Die Handlung wird aus der Perspektive der zwölfjährigen Marya Lupu erzählt, die – im Gegensatz zu ihrem älteren Bruder Luka – in ihrem ganzen Leben noch nie etwas richtig machen konnte. Sowohl ihre Eltern als auch alle anderen Bewohner des kleinen Ortes Torak sind sich sicher, dass Luka zu Großem berufen ist. Luka wird ganz gewiss auserwählt, um eine Ausbildung zum Zauberer zu machen und somit zu einem der mächtigsten Männer in Illyria zu werden. Marya hingegen scheint nur darin gut zu sein, sich (und anderen Personen) in Schwierigkeiten zu bringen.

So ist es wenig überraschend, dass Marya an Lukas großem Tag für einen Vorfall verantwortlich gemacht wird, der dafür sorgt, dass ihr Bruder nicht als angehender Zauberer auserwählt wird. Stattdessen landet Marya in einem Internat für „troubled girls“, wo sie gemeinsam mit anderen Mädchen lernen soll, zu einem nützlichen Mitglied der Gesellschaft zu werden. Doch je mehr Marya lernt und je häufiger sie über Regeln stolpert, deren Sinn sie nicht versteht, desto mehr stellt sie all die Dinge in Frage, auf denen die Gesellschaft in Illyira aufgebaut wurde. Es ist für Marya einfach unerklärlich, dass die Magie, die von Frauen ausgeübt wird, so böse und zerstörerisch sein soll, während die Magie der Zauberer das einzige ist, was Illyria vor einer großen Katastrophe bewahrt. Und dann gibt es da noch all die kleinen Rätsel und Geheimnisse rund um die Gründung der Dragomir Academy, die Marya gemeinsam mit ihrer Zimmerkameradin ergründen will.

Ich mochte es sehr, dass Anne Ursu sich viel Zeit nimmt, um Marya und ihr Umfeld vorzustellen. Es war nicht gerade einfach zu lesen wie Marya in ihrem Elternhaus behandelt wird, auch wenn sie in der Meisterweberin Madame Bandu immerhin eine Verbündete hat, die ihr so gut wie möglich zur Seite steht. Aber auf diese Weise wird von Anfang an deutlich, dass Maryas Elternhaus die Gesellschaft Illyrias wiederspiegelt, in der Frauen keinerlei Rechte haben und ihr Können und Wissen nur im Verborgenen weiterreichen können. Ebenso offensichtlich ist, dass Marya nicht das einzige Familienmitglied ist, das unter ihren Eltern leidet, was für eine stimmige Basis für die weitere Entwicklung von Marya (und Luka) sorgt. Auch viele Passagen, die in dem Internat spielen, fand ich – gerade angesichts der aktuellen Entwicklungen (nicht nur) in den USA – fast schon unangenehm zu lesen. Den Schülerinnen wird immer und immer wieder eingetrichtert, dass sie als Frauen so viel weniger wert sind als die Männer in ihrer Gesellschaft, und Marya ist nur zu bewusst, wie fremdbestimmt ihr gesamtes Leben verläuft und wie gering ihr Einfluss darauf ist.

Dabei habe ich die Erzählweise von Anne Ursu trotz des nicht gerade einfachen Themas sehr genossen und mich an vielen kleinen Details in der Geschichte erfreuen können. Häufig fühlte ich mich an Kelly Barnhill erinnert, deren Bücher sich für mich auch durch diese bittersüße Mischung aus Gesellschaftskritik, einer pointierten Sprache und sehr coolen (fantastischen) Elementen auszeichnen. All das hat bei „The Troubled Girls of Dragomir Academy“ dazu geführt, dass es mich nicht einmal gestört hat, dass das große Geheimnis, das Marya mit viel Mühe und Gefahren auflöst, für mich als Leserin schon nach der Hälfte der Geschichte auf der Hand lag. Am Ende ging es in diesem Roman schließlich weniger darum, den Ursprung der Dragomir Academy und die Hintergründe rund um die weibliche Magie herauszufinden, als darum, Marya zu begleiten, während sie all die Dinge hinterfragt, die ihr beigebracht wurden, und mitzuerleben, wie sie mit Hilfe der Personen, die ihr wichtig sind, einen Weg in eine selbstbestimmte Zukunft findet.

[Leseeindruck] Alexis Hall: The Affair of the Mysterious Letter

Über „The Affair of the Mysterious Letter“ von Alexis Hall wusste ich nicht mehr, als dass es eine „Sherlock Holmes“-Hommage mit fantastischen Elementen sein sollte, als ich es mir im Dezember 2021 auf meinen Wunschzettel gesetzt hatte. Beim ersten Anlesen im vergangenen Frühjahr war ich ganz angetan von dem Buch, hatte aber das Gefühl, dass meine Konzentration nicht für die Erzählweise reichen würde, und habe den Roman deshalb erst einmal wieder zur Seite gelegt. Nachdem ich „The Angel of the Crows“ von Katherine Addison gelesen hatte, dachte ich, es wäre der richtige Zeitpunkt, um jetzt auch endlich zu „The Affair of the Mysterious Letter“ zu greifen. Dummerweise habe ich mich in der vergangenen Woche dann ständig dabei ertappt, dass ich zwar Lust aufs Lesen, aber definitiv nicht auf diese Geschichte hatte, und als ich dann auch noch mehrere Abende hintereinander anfing, meinem Mann zu erzählen, was mich alles an dem Roman irritiert und ärgert, habe ich beschlossen, dass ich das Buch unbeendet aussortiere. Ich hinterlasse hier also nichts anderes als meinen „Leseeindruck“ nach 100 von 340 Seiten …

Die Handlung in „The Affair of the Mysterious Letter“ wird erzählt aus der Perspektive von Captain John Wyndham, der hier eindeutig die Rolle des Dr. Watson übernimmt. Captain Wyndham ist Militärarzt gewesen und musste sich aufgrund einer Verletzung einen neuen Job suchen, den er in einem Krankenhaus in der Stadt Khelathra-Ven fand. Aufgrund seiner eher begrenzten Finanzen zieht er dann mit der Zauberin Ms. Shaharazad Haas (die Holmes darstellen soll) zusammen und steht ihr zur Seite, als diese herauszufinden versucht, wer ihre ehemalige Geliebte Eirene Viola erpresst. So weit klang das Ganze noch recht Sherlock-Holmes-inspiriert, und die Tatsache, dass Alexis Hall eine Welt für diesen Roman erschaffen hat, die wirkt, als sei sie aus den Bruchstücken diverser (klassischen) Horror- und Phantastik-Geschichten zusammengesetzt, fand ich anfangs auch ganz interessant. Allerdings gelang es Alexis Hall nicht, eine für mich nachvollziehbare Beschreibung dieser Welt zu liefern. Ich bekam einfach kein Gefühl dafür, wie die verschiedenen Orte zueinander liegen, ob sie sich überhaupt in der selben Dimension befinden und wenn nicht, wie das mit den Reisen und dem Handel usw. organisiert sein soll.

Grundsätzlich muss ich solche Fragen in einer Geschichte nicht unbedingt erklärt bekommen. Aber da die Erzählweise von Captain Wyndham so voller Details, Erklärungen und Einschüben a la „mein Editor meinte, ich muss dieses Element genauer erläutern“ ist, war es für mich unbefriedigend, ständig unnütze Informationsbrocken zu bekommen, während die Fragen, die für mich wichtig waren, nicht geklärt wurden. Zusätzlich zu all dem unnützen Wissen über die Welt, das durchgehend präsentiert wurde, gab es immer und immer wieder Anmerkungen des Captain, dass er wegen seines Editors die genaue Ausdrucksweise einer Person (in der Regel die von Ms. Haas) nicht wiedergeben dürfe, weil die Leser mit solchen Flüchen und ordinären Vokabeln bestimmt nicht umgehen könnten. Die ständigen Wiederholungen dieses Elements haben mich definitiv mehr genervt als amüsiert, auch wenn ich mir sicher bin, dass Letzteres beabsichtigt gewesen ist.

Ein weiteres Problem hatte ich mit den Figuren, die einfach nur langweilig waren. Jedes Mal, wenn ich dachte, dass ein Zusammentreffen mit einer anderen Person oder ein Ereignis einen Charakter zu einer interessanten Reaktion bewegen könnte, verpuffte dieser Moment in einer für mich enttäuschenden Wendung. Was dann dafür sorgte, dass sich keine der Figuren auch nur ein Stückchen weiterentwickelte. Captain Wyndham ist eine sehr konservative Person, die in einem Umfeld aufgewachsen ist, in dem strenge Regeln herrschten, Magie verfolgt wurde (nachdem ein Hexenkönig das Land lange Zeit tyrannisiert hatte) und jegliche Art von Vergnügen verboten war. Was bedeutet, dass Captain Wyndham für mich als „Watson“ eigentlich ganz gut funktionierte und das Element in der Geschichte war, das noch am ehesten den Gedanken an eine Sherlock-Holmes-Hommage aufbrachte. Ms. Haas hingegen hat mit Sherlock Holmes (von einer kleinen Szene beim Kennenlernen zwischen den beiden Figuren abgesehen) nichts anderes gemeinsam als den Drogenmissbrauch und die Überzeugung, allen anderen überlegen zu sein – nicht gerade die sympathischten Züge. Und während es für mich bei Sherlock Holmes funktioniert, weil es zum Ausgleich die Passagen gibt, in denen er Informationen sammelt und Schlüsse zieht, sorgt Ms. Haas‘ Persönlichkeit vor allem dafür, dass sämtliche Ermittlungen sabotiert werden.

Ich glaube aber, das frustrierendste für mich war, dass ich ständig Elemente in „The Affair of the Mysterious Letter“ gesehen habe, die die Grundlage für eine wirklich ungewöhnliche, spannende und unterhaltsame Geschichte hätten sein können. Aber diese Elemente wurden immer auf eine Art und Weise eingesetzt, dass sie mich leider überhaupt nicht amüsiert, sondern statt dessen irritiert und genervt haben. Es hätte mir wenig ausgemacht, dass die Charaktere so gar keine Tiefe haben, wenn die Handlung spannend und die Welt interessant gewesen wäre. Oder ich hätte damit leben können, dass die Welt sich für mich total unrund und unlogisch anfühlt, wenn mich die Figuren und die Sorge um ihr Wohlergehen irgendwie hätten mitreißen können. Ich hätte auch damit leben können, dass es eigentlich kaum Handlung gab, wenn mich die Welt und ihre Bewohner fasziniert hätten. Aber so hatte ich das Gefühl, ich bekomme nichts anderes als einen aufgeblähten Haufen Wörter, in denen jemand ein paar interessante Ideen vergraben hat, die theoretisch zu einem wirklich reizvollen Roman hätten führen können.

Da es eine große Menge wirklich begeisterte Rezensionen zu „The Affair of the Mysterious Letter“ gibt, scheinen sich andere Leser*innen nicht an diesen Punkten zu stören. Viele der Rezensionen, die ich gelesen habe, betonen den guten Sprecher der Hörbuch-Version, und ich muss zugeben, dass ich kurz darüber nachgedacht habe, ob ich damit noch einen Versuch wagen soll. Aber ich denke, ich muss mir einfach eingestehen, dass dieser Roman meinen Geschmack so gar nicht trifft, und es dabei belassen …

Katherine Addison: The Angel of the Crows

„The Angel of the Crows“ von Katherine Addison ist ein Roman, der ursprünglich als Sherlock-Holmes-Fanfiction bzw. „Wingfiction“ anfing. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Dr. J. H. Doyle und beschrieben werden all die Erlebnisse, die Doyle nach dem Zusammenziehen mit dem Engel Crow hat. Die Welt, in der Doyle lebt, erinnert sehr an eine fantastische Variante des realen Viktorianischen Englands um 1888, wobei es in dieser Version Vampire, Werwölfe, an ein öffentliches Gebäude gebundene Engel (ebenso wie „Namenlose“ und „Gefallene“ Engel), Höllenhunde, Dämonen und viele, viele andere übernatürliche Wesen gibt, die zum Alltag der Menschen gehören. Doyle selber wurde von einem gefallenen Engel in Afghanistan verwundet und konnte deshalb nicht weiter als Militärarzt tätig sein, was zu der Rückkehr nach London und der Suche nach einem Mitbewohner führte.

Im Prinzip ist dieser Roman also eine Neuerzählung der bekanntesten Sherlock-Holmes-Geschichten, wobei sich die Whitechapel-Morde wie ein roter Faden durch die gesamte Handlung ziehen. Dabei wirkt Doyle deutlich intelligenter (und aktiver) als das literarische Vorbild Dr. Watson, und der Engel Crow ist mir beim Lesen sehr viel „menschlicher“ vorgekommen als Sherlock Holmes, obwohl Katherine Addison immer wieder betont, dass ihre Engel eben nicht mit Menschen gleichzusetzen sind. Überhaupt wird – je mehr Doyle über die Engel lernt – immer deutlicher, dass die Autorin rund um diese Wesen ein spannendes Stückchen Weltenbau geleistet hat, über das ich gern noch mehr gelesen hätte. So sind die Engel, die einen Namen haben, normalerweise an öffentliche Gebäude gebunden – was sich im ersten Moment seltsam anfühlte, aber später im Buch erklärt Crow, dass Engel über Menschen wachen und die Bindung an ein Gebäude dafür sorgt, dass sie nicht wählen müssen, über welche Menschen sie wachen, sondern sie wachen eben über alle Menschen, die das Gebäude nutzen. Das war eine Engel-Idee, die ich sehr schön fand, ebenso wie die Erklärung dafür, dass Crow nicht an ein Gebäude gebunden ist und trotzdem kein Gefallener Engel, sondern jemand mit einem Namen ist.

Es war wirklich spannend und unterhaltsam, diese Urban-Fantasy-Varianten der Sherlock-Holmes-Geschichten zu lesen, in denen Crows Faktensuche zum Teil eben auch mit übernatürlichen Mitteln stattfindet und in der die Rolle der Baker-Street-Boys nicht von Straßenkindern, sondern von Namenlosen übernommen wird. Es gibt sehr viele kleine Momente in den Geschichten, die dafür sorgen, dass die verschiedenen (Neben-)Figuren so viel mehr Charakter entwickeln können, als dies in den Originalgeschichten der Fall war. Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich das Gefühl hatte, dass Katherine Addison diese Geschichte gut zehn Jahre in der Schublade liegen hatte, bevor jemand sie veröffentlichen wollte. Es gibt zum Beispiel eine Figur, die – meiner Meinung nach – auf Dr. James Barry anspielen soll, aber das erfolgt auf eine Art und Weise, die sich nach „schau, was diese Frau geschafft hat“ anfühlt, statt nach „Dr. Barry war ein trans Mann“. Ebenso gibt es eine lange Liste an Jack-the-Ripper-Quellenmaterial, das die Autorin verwendet hat, aber „The Five“ von Hallie Rubenhold ist nicht dabei.

Ich hingegen habe „The Five“ von Hallie Rubenhold gelesen und hatte deshalb bei „The Angel of Crows“ ein echtes Problem damit, dass die Opfer von „Jack the Ripper“ durchgehend als Prostituierte bezeichnet wurden und es ständig Spekulationen darüber gab, was den Täter dazu gebracht haben könnte, Prostituierte zu ermorden. Und dazu kamen noch die ständigen „Zeugenaussagen“, dass die Opfer vor ihrer Ermordung mit „Kunden“ gesehen worden seien. Trotz dieser Passagen habe ich mich mit dem Roman so gut unterhalten gefühlt, dass ich ihn vollständig gelesen habe, denn es gab ausgleichende Elemente. So wird immer wieder betont, dass weder den Zeugenaussagen noch den Berichten der Zeitungen zu trauen sei. Gerade der Einfluss, den die Zeitungen auf die Sicht der Öffentlichkeit nehmen, wird immer wieder kritisiert, ebenso wie ständig aufgezeigt wird, wo einfach nur reißerisch spekuliert wird und für wie wenige Aussagen wirkliche Fakten vorliegen.

Außerdem wird immer wieder deutlich, dass sowohl Doyle als auch Crow die Opfer als Personen sehen, was dazu führt, dass es auch immer mal wieder kleine Nebenbemerkungen zur ihren Persönlichkeit gibt. Zusätzlich gibt es in diesem Roman überraschend viele Details zum Leben der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten und zu den komplexeren Hintergründen der Lebensumstände im Viktorianischen England, was ich wirklich gut gemacht fand. Alles in allem war das Lesen von „Angel of Crows“ also ein etwas gemischtes Vergnügen für mich, weil ich grundsätzlich die Erzählweise der Autorin und all die vielen Elemente, die den vertrauten Geschichten so viele neue Facetten verliehen haben, sehr genossen habe, aber mir auch gewünscht hätte, dass Katherine Addison aktuellere wissenschaftliche Werke bei ihrer Recherche mit eingebunden hätte, statt nur auf ziemlich reißerische und definitiv veraltete Informationen – gerade rund um die Whitechapel-Morde – zu setzen.

C. L. Polk: Even Through I Knew the End (Hörbuch)

Von C. L. Polk mochte ich schon „Witchmark“ sehr gern (und müsste da wirklich endlich mal die beiden Fortsetzungen lesen), weshalb ich sehr neugierig auf „Even Through I Knew the End“ war, als der Titel angekündigt wurde. Allerdings wollte ich keine 20 Euro für ein Hardcover-Ausgabe zahlen, die gerade mal um die 130 Seiten hat, weshalb ich mich für das Hörbuch entschieden habe. Gesprochen wird die Handlung von January LaVoy, der ich sehr gern zugehört habe, weil sie mit ihrer ausdrucksvollen Stimme den Figuren sehr viel Individualität verlieh und ich ihr die Emotionen der Charaktere problemlos abnahm, obwohl das bei all den zwiespältgen Situationen, in denen sich Protagonistin Helen und ihre Liebste Edith wiederfinden, nicht gerade einfach gewesen sein kann.

Die Handlung von „Even Through I Knew the End“ spielt in einer fantastischen Variante von Chicago in den 1930er Jahren. Helen ist eine Mystikerin, die vor beinahe zehn Jahren von ihrem Orden ausgeschlossen wurde, weil sie ihre Seele verkauft hat, um das Leben ihres Bruders zu retten. Inzwischen verdient sie ihren Lebensunterhalt als Privatdetektivin, wobei sie den Großteil ihres Geldes damit verdient, mit den Geistern von Ermordeten zu kommunizieren und magisch verstärkte Fotos von den Tatorten zu schießen. Zu Beginn der Geschichte wird Helen damit beauftragt, den aktuellsten Tatort eines Serienmörders zu untersuchen. Als sie den Auftrag ablehnen will, wird ihr in Aussieht gestellt, ihre Seele zurückzubekommen, falls sie den Mörder finden sollte. Allerdings hatte Helen nicht erwartet, dass ihr alter Orden ebenfalls an den Morden interessiert ist und dass ihre Liebste Edith ebenfalls in die Mordermittlungen involviert wird.

Bei gerade mal 130 Seiten Handlung ist es verständlich, dass der Weltenbau in „Even Through I Knew the End“ nicht gerade komplex ausfallen konnte, aber ich mochte diese düstere Version von Chicago, die mit all ihren fantastischen Elementen, die für Helen so alltäglich zu sein scheinen, die perfekte Kulisse für diese Geschichte bildet. Vor allem fand ich es faszinierend, dass es C. L. Polk gelingt, die perfekte Film-Noir-Atmosphäre zu kreieren und dabei trotzdem unglaublich viel Realismus in die Geschichte einfließen zu lassen. Helen ist pragmatisch und zynisch, und natürlich geht sie in eine Bar (die während der Prohibition ein Speakeasy war), wenn sie sich entspannen will. Auf der anderen Seite ist diese Bar einer der wenigen Zufluchtsorte, die es für lesbische Frauen in dieser Zeit gibt und wo Helen sich nicht einen Ehering anstecken muss, um mit Edith ausgehen zu können. Immer wieder gibt es kleine Szenen, in denen deutlich wird, wie eingeschränkt das Leben von Frauen in dieser Zeit ist und wie viel Mut und Einfallsreichtum es von Helen erfordert, einfach nur ihrem Beruf nachgehen zu können.

Bei den fantastischen Elementen setzt C. L. Polk sehr auf klassische christliche Motive mit Dämonen und Engeln, und trotzdem gibt es keine Schwarz-Weiß Zeichnungen, wenn es um all die Charaktere in dem Roman geht. Gemeinsam mit der Privatdetektivin erfährt man immer mehr über den Mörder und seine Opfer und warum es so wichtig ist, dass gerade Helen in diesem Fall ermittelt. Überhaupt ist Helen eine wunderbare Protagonistin mit all ihren Ecken und Kanten, die dafür sorgten, dass ich jederzeit die Gründe für ihr Handeln nachvollziehen konnte. Ich fand es großartig, dass die Beziehung zwischen Helen und Edith von Anfang an eine etablierte Tatsache war. Die beiden Frauen lieben sich seit langer Zeit und träumen von einer gemeinsamen Zukunft in San Francisco, und trotzdem habe ich die ganze Geschichte hindurch um ihre Beziehung gebangt – nicht, weil mich C. L. Polk daran zweifeln ließ, dass die Gefühle der beiden Figuren aufrichtig waren, sondern weil es so viele Hindernisse von außen gab, an denen alles scheitern konnte. Ich muss gestehen, dass ich es so viel reizvoller finde, eine „Liebesgeschichte“ zu lesen, wenn es nicht um das erste Verlieben geht, sondern darum, irgendwie die gemeinsame Zukunft zu retten.

Dafür, dass das Hörbuch gerade mal 3 Stunden und 50 Minuten lang ist, gibt es überraschend viele Wendungen in der Handlung und wirklich viele Elemente, die nach dem Hören noch in mir nachklangen. Und ich glaube nicht, dass es der Geschichte gutgetan hätte, wenn C. L. Polk sie länger gemacht hätte, auch wenn ich online einige Rezensionen gesehen habe, die das „schöner“ gefunden hätten. Der eher skizzenhafte Weltenbau reicht vollkommen, um einen Eindruck von den fantastischen Elementen zu geben, die Liebesgeschichte ist fundiert genug, dass die Beweggründe der beiden Frauen definitiv nachvollziehbar sind, und all die kleinen Beobachtungen und Anmerkungen von Helen sorgen für ein erschreckend realistisches Bild der Zeit, ohne von der eigentlichen Handlung abzulenken. Gerade weil so viele Elemente nur angedeutet wurden, habe ich im Nachhinein immer wieder darüber nachgedacht. Alles in allem habe ich mich von der bittersüßen Geschichte sehr gut unterhalten gefühlt, ich habe die Arbeit der Sprecherin January LaVoy genossen, und ich hätte große Lust, in Zukunft noch mehr Veröffentlichungen in dieser Art von C.L. Polk zu hören (oder zu lesen).

Leslye Penelope: The Monsters We Defy

Ich muss zugeben, dass es vor allem das Cover war, das ursprünglich meine Aufmerksamkeit auf diesen Roman gezogen hatte. Aber der Klappentext von „The Monsters We Defy“ mit seinem Versprechen von einer „magical heist“-Handlung reizte mich dann ebenso sehr, weshalb ich den Roman unbedingt vorbestellen musste. Bevor ich auf die Geschichte eingehe, möchte ich noch erwähnen, dass sich Leslye Penelope für ihre Protagonistin von einem Zeitungsartikel über Clara „Carrie“ Minor Johnson inspirieren ließ. Carrie wurde aufgrund eines Vorfalles während des Summer Riot im Jahr 1919 in Washington, D.C. wegen der Tötung eines weißen Polizisten verurteilt, um dann zwei Jahre später überraschenderweise bei einem erneuten Verfahren freigesprochen zu werden. Auch bei den Nebenfiguren (wie zum Beispeil Carlas Mitbewohnerin Zelda) hat die Autorinnen Informationen einfließen lassen, über die sie während ihrer Recherchen gestolpert ist, außerdem sorgt die Erwähnung diverser historischer Persönlichkeiten und Ereignisse dafür, dass sich die Geschichte – trotz aller fantastischen Elemente – überraschend real anfühlt.

Wie „Carrie“ Johnson hat auch die Protagonstin Clara Johnson, aus deren Perspektive wir den größten Teil der Handlung in „The Monsters We Defy“ verfolgen, zwei Jahre im Gefängnis verbracht, was dazu gesorgt hat, dass sie eine Art zweifelhafte Berühmtheit innerhalb der Schwarzen Bevölkerung von Washington erlangt hat. Dazu kommt, dass Clara mit einer besonderen Gabe geboren wurde und von klein auf mit Geistern und anderen übernatürlichen Wesen wie zum Beispiel den „Enigmas“ kommunizieren kann. Diese Gabe nutzt sie, um für verzweifelte Personen mit den Enigmas in Kontakt zu treten und ihnen bei ihren Verhandlungen mit diesen Wesenheiten beizustehen. So ist es auch die Enigma, die Clara unter dem Namen „The Empress“ kennt, die sie anruft, um herauszufinden, was mit all den Schwarzen Personen passiert ist, die in den letzten Wochen verschwunden sind – und die ihr im Gegenzug den Auftrag gibt, einen verfluchten Ring von der Hand der mächtigsten Schwarzen Frau der Stadt zu stehlen. Um diesen Diebstahl durchführen zu können, benötigt Clara allerdings die Hilfe von anderen Personen, die – ebenso wie sie selbst – von einem Enigma mit einem Charm (und dem dazugehörigen Fluch) belegt wurden.

Es gibt eine Menge, was ich an „The Monsters We Defy“ mochte, wobei ich auch zugeben  muss, dass mich die Geschichte nicht so sehr packte, dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen wollte. Ich habe stattdessen die verschiedenen Lesepausen genutzt, um über die diversen Handlungselemente und all die Informationen zum Leben Schwarzer Personen in den 1920er Jahren in Washington nachzudenken. Leslye Penelope zeichnet mit ihrem Roman ein sich realistisch anfühlendes Bild von dieser Zeit, in der für viele Schwarze Personen die Sklaverei gerade mal eine bis zwei Generationen her ist. Der Erste Weltkrieg hat seine Spuren hinterlassen und die Prohibition beeinflusst selbst den Alltag derjenigen, die kein Geld für Alkohol haben. Dabei wird in dem Roman immer wieder deutlich, dass es auch innerhalb der Schwarzen Bevölkerung so einiges an Unterdrückung und Aufstiege auf Kosten Schwächerer gibt, während gleichzeitig alle tagtäglich Rassismus erfahren und auf der Hut sein müssen vor dem wieder aufblühenden Ku-Klux-Klan.

Neben diesem spannenden Einblick in die 1920er Jahre gibt es noch sehr viele unterschiedliche fantastische (amerikanisch-)afrikanische Elemente, die von der Erwähnung von Hoodoo bis zur Geschichte von Königin Makeda und König Salomo reichen. Ich mochte dabei vor allem, wie präsent Geister und die anderen übernatürlichen Wesenheiten im Leben von Clara sind und wie sehr ihr besonderes Talent sie geprägt hat. All dies erklärt auch sehr gut die Stärken und Schwächen, die dieser Charakter aufweist. Ich habe Claras Perspektive gern verfolgt und es ausnahmsweise sogar gern gelesen, wenn sie sich selbst das Leben schwer machte, weil das von Leslye Penelope wirklich stimmig beschrieben wurde. Gerade weil Claras Persönlichkeit so eine widersprüchlich wirkende Mischung aus Hilfsbereitschaft und Misstrauen aufweist, ist es schön zu verfolgen, wie sie im Laufe der Geschichte lernt, den anderen Personen zu vertrauen, die sie für die Durchführung des Diebstahls benötigt.

Ich mochte es auch sehr, wie die Autorin immer wieder Claras Perspektive verließ, um einem die anderen Figuren und ihre Geschichten vorzustellen. Das sind die einzigen Momente, in denen ich als Leserin mehr über die gesamte Situation wusste als die Protagonistin, während alles rund um den Diebstahl aus Claras Sicht erzählt wird, was dafür sorgte, dass ich beim Lesen immer wieder überrascht wurde. Selbst für eine Wendung am Ende der Geschichte, die aufgrund eines besonderen Talents eines von Claras Komplizen relativ vorhersehbar war, wurde von Leslye Penelope so gut eingebaut, dass ich mich davon gut unterhalten gefühlt habe, statt darüber irritiert zu sein, dass dieses Element die einzige Lösung für ein Gelingen der ganzen Aktion darstellte. Insgesamt habe ich das Lesen von „The Monsters We Defy“ sehr genossen und bin nun neugierig auf die anderen Romane der Autorin. Allerdings gehören die bisher erschienenen Bücher von Leslye Penelope nicht ebenfalls in den Bereich der „Historical Fantasy“, sondern es sind High-Fantasy-Geschichten, und das Genre lese ich eigentlich kaum noch. Aber ich denke, ich werde mir zumindest die Leseprobe von „Song of Blood & Stone“ anschauen, um zu prüfen, ob mir da die Erzählweise von L. Penelope ebenso zusagt.

Rebecca Thorne: Can’t Spell Treason Without Tea (Tomes & Tea Cozy Fantasy 1)

„Can’t Spell Treason Without Tea“ von Rebecca Thorne wurde – wie die Autorin selbst im Nachwort anmerkt – stark von Trevis Baldrees Roman „Legends & Lattes“ inspiriert, und das ist beim Lesen auch deutlich spürbar. Ich muss zugeben, dass es einige Aspekte gab, die mir bei „Legends & Lattes“ etwas besser gefielen, aber trotzdem habe ich mich mit „Can’t Spell Treason Without Tea“ gut unterhalten gefühlt und freue mich jetzt schon darauf, dass es einen weiteren Band mit den Protagonistinnen Reyna und Kianthe geben soll. Rebecca Thorne erzählt die Handlung abwechselnd aus der Sicht ihrer beiden Protagonistinnen. Reyna ist von Kindheitsbeinen an dazu erzogen worden, ihrer Königin Tilaine als Palastwache zu dienen, während Kianthe nach dem Tod des Arcandor vom „Stone of Seeing“ zu seinem Nachfolger – und damit zur mächtigsten lebenden Magierin – erwählt wurde. Keine von beiden wäre es jemals in den Sinn gekommen, ihren Posten aufzugeben, wenn sie sich nicht ineinander verliebt und dabei entdeckt hätten, dass sie eigentlich vom Leben mehr erwarten als nur ihre Pflicht zu erfüllen.

Die einzige Möglichkeit für Reyna, den Dienst der Königin zu verlassen, besteht darin, zu sterben oder zu desertieren, und auch Kianthe kann als Arcandor nicht einfach ihre Position aufgeben. Trotzdem träumen die beiden seit Längerem davon, eine Laden zu eröffnen, in dem sie Bücher verkaufen und Tee servieren können – und nach einem Vorfall im Palast beschließt Reyna, dass es Zeit ist, diesem Traum zu folgen. Gemeinsam reisen die beiden Frauen in die abgelegene Stadt Tawney und versuchen dort, einen Laden zu eröffnen, während Kianthe gleichzeitig immer wieder dem Ruf des „Stone of Seeing“ folgen und Reyna die Augen nach den Assassinen der Königin offen halten muss. Gerade der letzte Teil klingt etwas dramatischer, als die Geschichte wirklich ist, denn obwohl es schon zu einigen Vorfällen, Kämpfen und einem Drachenangriff kommt, ist dieser Roman vor allem sehr, sehr gemütlich. Allein schon die Tatsache, dass Kianthe nun mal eine Magierin mit unglaublich großen Fähigkeiten ist, sorgt dafür, dass die beiden Frauen sehr viele Hindernisse mit Leichtigkeit bewältigen können, die andere Personen vor Herausforderungen stellen würden.

Ich muss zugeben, dass diese Leichtigkeit mir gerade am Anfang schon fast etwas zu viel war. Ich hätte im ersten Drittel gern mehr das Gefühl gehabt, dass Reyna und Kianthe wirklich für ihren Traum arbeiten müssen, statt dass ihnen sehr viele Dinge (die passenden Handwerker, neue Freunde) in den Schoß fallen. Aber nachdem mir klar wurde, dass dieses erste Drittel vor allem die Welt, die Figuren und ihre Ausgangssituation vorstellen sollte, konnte ich den Roman etwas mehr genießen. Vor allem fand ich es sehr nett, dass Reyna und Kianthe schon seit Längerem ein Paar sind, auch wenn sie diese Beziehung immer verheimlichen musste. Das sorgt dafür, dass sich so einige Passagen darum drehen, wie die beiden langfristig dafür sorgen, dass ihre Beziehung funktioniert, und dass sie immer wieder miteinander reden müssen, um herauszufinden, ob die anderen wirklich das Gleiche will. So ist es auch stimmig, dass die Kapitel abwechselnd aus Reynas und Kianthes Sicht erzählt werden, so dass nicht nur immer deutlich ist, warum welche Protagonistin wie handelt, sondern auch, wie das auf ihre Partnerin wirkt.

Es gab immer wieder Elemente in der Geschichte, die ich etwas unglaubwürdig fand (wie die Tatsache, dass ihr Laden „Tomes & Tea“ von Anfang an so erfolgreich ist, obwohl ihre Nachbarn alle nicht gerade reich sind), aber wenn ich mich auf all die netten und gemütliche Elemente konzentrierte, konnte ich den Roman wirklich genießen. Außerdem gab es immer wieder amüsante Szenen, die mich zum Schmunzeln gebracht haben, wenn es z. B. darum ging, mit den Banditen umzugehen, deren Hauptquartier der Laden früher war. „Can’t Spell Treason without Tea“ ist sehr gut geeigent, wenn man nicht zu viel nachdenken und einfach nur etwas entspannte Lesezeit mit Cozy Fantasy verbringen möchte – und ich liebe es, dass es mittlerweile genügend Romane in der Richtung gibt, so dass sich der Begriff inzwischen im englischsprachigen Raum etabliert hat! Es gibt sympathische Figuren, ein paar nette fantastische Elemente rund um die Welt, in der Kianthe und Reyna leben, und wenn es in der Handlung doch mal ernsthafter wird, gibt es in der Regel kurz darauf amüsante Momente, die einen schnell wieder aufheitern.

Once Upon a Forbidden Desire: Fairy Tales and Other Stories (Anthologie)

Als ich vor 1 1/2 Jahren die „Once Upon A Curse“-Anthologie gelesen hatte, hatte ich mir vorgenommen, dass ich nach weiteren „Once Upon“-Titeln die Augen aufhalten würde, was der Grund ist, wieso ich mir „Once Upon a Forbidden Desire“, das Mitte September erschienen ist, vorbestellt hatte. Erst nach dem Lesen habe ich festgestellt, dass dieser Titel nicht zu der „Once Upon“-Anthologie-Serie gehört, aber da sich die Geschichten ähnlich anfühlen und auch hier zum Teil unterhaltsame/überraschende/amüsante Märchen-Varianten zu finden waren, ist mir das eigentlich egal. 😉 Ich halte hier wieder kurze Eindrücke zu den jeweiligen Kurzgeschichten fest, damit ich etwas habe, worauf ich in Zukunft zurückgreifen kann, wenn ich mich frage, ob ich von einer Person schon mal was gelesen habe und wie es mir gefiel.

1. A.J. Lancaster: How to Marry a Winged King (Cinderella)
Von A.J. Lancaster hatte ich schon „Lord of Stariel“ gelesen und so sehr gemocht, dass ich auf jeden Fall auch noch die anderen Teile der Stariel-Reihe lesen möchte. In „How to Marry a Winged King“ ist das Aschenputtel dieses Mal ein Wechselbalg, das bei Feen aufgewachsen ist. Cinder wird von ihrer Stiefmutter und ihren Stiefschwestern nicht schlecht behandelt, aber ihr „Adoptivvater“ lässte sie tagtäglich spüren, dass sie als Mensch nicht so viel wert ist wie der Rest der Familie. Ich fand es schön, von dem Verhältnis der Protagonistin zu den anderen weiblichen Familienmitgliedern zu lesen, und noch netter war es zu verfolgen, wie sie den Feenkönig kennenlernte und er um sie warb. Aber ich habe ja grundsätzlich eine Schwäche für Figuren, deren „romantische Liebesgeschichte“ gerade deshalb funktioniert, weil die Beteiligten vorher gründlich darüber nachgedacht haben, was sie vom anderen erwarten, und weil sie darüber dann auch miteinander reden.

2. H.R. Moore: The Prince and the Fairy Godmother (Snow White)
Diese Geschichte hat mir nicht so gut gefallen, was ich wirklich schade finde, weil ich die Idee von einer „Fairy Godmother“, die ihre Ausbildung beendet hat und nun ihr erstes Patenkind zugewiesen bekommt, wirklich nett fand. Dummerweise bekam hier aber die Protagonistin ihren heimlichen Geliebten als „Patensohn“ zugewiesen und musste nun mit ihm irgendwie eine Lösung für diverse Probleme finden. Allerdings gingen all diese Probleme zwischen den Sexszenen etwas unter, außerdem sorgte das auch dafür, dass ich überhaupt kein Gefühl für die Welt bekam, in der die Geschichte spielte – alles in allem kommt es mir so vor, als ob ich die anderen Veröffentlichungen der Autorin kennen müsste, um die Geschehnisse und die Figuren einordnen zu können. Allerdings machen mir weder Erzählweise noch die wenig reizvollen „sexy“ Szenen noch die verschiedenen Details rund um die fantastische Welt Lust darauf, mehr darüber zu lesen.

3. Lisette Marshall: Heartfall (Rapunzel)
Es gab so einige Elemente, die ich in „Heartfall“ mochte, wie zum Beispiel den amüsanten Austausch zwischen Rapunzel und Egill, der gekommen war, um sie aus ihrem Turm zu retten. Sehr nett fand ich auch die Hintergrundgeschichte, die erklärt, wieso Rapunzel im Turm gelandet war und wieso so viele Personen bereit waren, sie zu retten (oder zu entführen), obwohl sie damit Gothel und die anderen Priesterinnen Orins gegen sich aufbringen würden. Oh, und sogar die Sexszene (nachdem ich das in der vorhergehenden Kurzgeschichte kritisiert hatte) war nett zu lesen. Alles in allem vielleicht keine Geschichte, die lange bei mir hängenbleibt, aber sie hat mich neugierig auf Lisette Marshalls Fantasywelt(en) und ihre Romane gemacht.

4. Vela Roth: Blood Dance (The Twelve Dancing Princesses)
Puh, diese Geschichte las sich wie eine der frühen „sexy Vampirgeschichten“ und das fand ich nicht so ansprechend. Dabei war ich anfangs schon neugierig auf die zwölf Prinzessinnen, die nicht alle dieselben Eltern hatten, aber von demselben Möchtegern-König als Handelsware in seinen politischen Spielchen eingesetzt wurden. Diese Welt voller Kriege und Machtkämpfe hätte interessant sein können, aber da sich die Kurzgeschichte vor allem auf die Begierde, die die älteste Prinzessin und ihr Vampir-Liebster füreinander empfinden, konzentriert hat, war ich am Ende ziemlich enttäuscht von dem Ganzen.

5. Erin Vere: Breathing Techniques for Water Nymphs (Odine)
Von Erin Vere hatte ich vor einiger Zeit „Pyromancy for Beginners“ gelesen und gemocht, und so fand ich es auch nicht überraschend, dass ich mit „Breathing Techniques for Water Nymphs“ ebenfalls meinen Spaß hatte. Die Geschichte wird aus der Perspektive von Cyd(nides) erzählt, die als Teichnymphe in einem städtischen Park lebt. Ihr Leben wird regelmäßig davon unterbrochen, dass Dichter in ihren Teich fallen, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. So geht sie natürlich davon aus, dass auch der Dichter Alfred eine Muse sucht, als er beinah in ihrem Teich ertrinkt. Doch Alfred hat schon eine göttliche Muse und diese kommt auf die Idee, dass Cyd und Alfred gemeinsam an einem Projekt arbeiten sollten. Ich fand es sehr niedlich zu verfolgen, wie die beiden Figuren sich gegenseitig von ihren Interessensgebieten erzählten und sich immer besser kennenlernten. Das Ende war sehr süß und ich muss zugeben, dass ich gern noch mehr Geschichten mit Personen lesen würde, die von Alfreds göttlicher Muse … inspiriert werden. *g*

6. Colleen Cowley: Into the Bargain (Rumpelstiltskin)
Die Geschichte hat mir wirklich gut gefallen! Die Protagonistin Penelope Novak ist verzweifelt, da sie nur noch zwei Wochen hat, bis ihr Onkel ihr Elternhaus verkauft und sie mit ihm in seine Heimatstadt reisen und als Kindermädchen für seine vier Kinder bei ihm leben muss. Also beschließt sie, dass sie den örtlichen Zauberer dazu bringen muss, sie zu heiraten – dummerweise begegnet sie aber nur seinem Assistenten, mit dem sie dann einen Pakt schließt. Ich mochte es sehr zu verfolgen, wie sich Pen und der namenlose Assistent näher kennenlernten und wie sie am Ende eine Lösung für ihrer beider Probleme fanden. Das war sehr süß und amüsant und ich bin sehr versucht, mir die anderen Bücher der Autorin zu besorgen, die in dieser fantastischen Welt spielen.

7. Zoey Ellis: Call of the Dark Piper (The Pied Piper of Hamelin)
Boah, vielleicht sollte ich die Kurzgeschichten, die als „scorching“ mit vier Kerzen gelabelt wurden, überspringen, denn diese Art von Sexszenen bereitet mir wirklich keine Freude. Dabei fand ich die Grundidee gar nicht schlecht, eine Rattenfänger-von-Hameln-Variante aus der Sicht einer Frau zu erzählen, die von ihrem verstorbenen Mann das Bürgermeisteramt geerbt hat und nun gegen den ausdrücklichen Wunsch des Stadtrats den Rattenfänger engagiert. Aber ich hasse Geschichten, in denen Beziehungen mit erzwungenem Sex anfangen, und finde es extrem frustrierend, wenn dann das Happy End auf einer später nachgereichten „du warst von Geburt an zu meiner Gefährtin bestimmt“-Erklärung basiert. Nicht unterhaltsam, nicht ansprechend!

8. Mimi B. Rose: A Dragon and a Hard Place (Sleeping Beauty)
Eine Protagonistin mit dem Namen Lady Aurora McQuestern und ein Minenbesitzer namens Royce Lindwarm?! Ernsthaft? Das mit der Namensfindung für ihre Figuren sollte Mimi B. Rose vielleicht noch einmal überdenken … Immerhin mochte ich auf Anhieb Aurora und ihre Schwestern sowie die paar Einblicke, die ich in die fantastische Welt, in der die Geschichte spielt, bekam, aber ich muss auch zugeben, dass Auroras Motivation und Handeln für mich nicht immer so ganz nachvollziehbar waren, selbst wenn ich den Magie-Anteil mit einbeziehe. Außerdem wünschte ich mir, Mimi B. Rose hätte auch nur halb so viele Zeilen in den Aufbau der Beziehung zwischen Aurora und Royce investiert wie in das Geplänkel der Schwestern. Alles in allem eine Geschichte mit einer netten Grundidee und netten Charakteren, aber die Handlung wäre definitiv ausbaufähig.

9. Elsie Winters: The Merman’s Kiss (The Little Mermaid)
Das war eine überraschend süße Geschichte über eine junge Elfe, die während ihres Aufenthalts im Sommerhaus der Familie einen jungen Mermann (einen Mer-Jungen? 😉 ) kennenlernt. Im Laufe mehrerer Jahre intensiviert sich die Freundschaft der beiden, bis sich Sadira – angesichts einer von ihren Eltern arrangierten Ehe – eingestehen muss, dass sie Lorn liebt und sich kein Leben ohne ihn vorstellen kann. Ich fand es wirklich schön zu verfolgen, wie sich die beiden besser kennenlernten, und es gefiel mir, dass Elsie Winters ein Ende für ihre Geschichte gefunden hat, das andeutet, dass es für eine Elfe und einen Mermann ein glückliches Leben geben kann, wenn beide bereit sind, Kompromisse einzugehen. Lustigerweise schleiche ich schon länger um einen Roman der Autorin herum, den ich mir nun nach dem Lesen dieser Kurzgeschichte wohl besorgen muss. 😉

10. Trish Heinrich: Seducing the King (Cinderella)
Uff … diese Geschichte hatte sehr, sehr viele Elemente, die ich nicht mochte, dabei kann ich nicht mal sagen, dass sie schlecht geschrieben war. Aber eine Werwolf-„The Bachelor“-Variante, in der die Protagonistin auf ihren (eigentlich nicht zur Wahl stehenden) „vorherbestimmten Gerfährten“  trifft, was dafür sorgt, dass sie und ihre Wölfin nicht weiterleben können, ohne mit ihm ins Bett zu hüpfen … nee, nicht meine Art von Geschichte! Da lässt es mich auch vollkommen kalt, dass die Protagonistin eine „tragische Hintergrundgeschichte“ hat und der Protagonist so weit ganz nett wirkt.

11. S. L. Prater: Three Kings (Baba Yaga)
Ich mochte die – wenn auch sehr vorhersehbare – Auflösung der Geschichte, aber insgesamt war ich mit der Ausgangssituation (die Waldhexen-Protagonistin Rae verzehrt sich nach einem unsterblichen Ritter, darf aber nicht mit ihm schlafen, weil ihn das weiter in den Wahnsinn treiben würde) nicht glücklich. Immerhin war es nett zu lesen, wie Baba Yaga die Hexe Rae für jeden kleinen Hinweis Haushaltsdinge verrichten ließ, aber insgesamt sind mir weniger „sexy“ Geschichten mit überraschenderen Entwicklungen definitiv lieber.

12. Kathryn Ann Kingsley: The Big Bad Wolf (Little Red Riding Hood)
Ich habe definitiv eine Schwäche für fluffige Werwolf-Geschichten, bei denen Werwölfe Personen sind, die in größeren, etwas chaotischen Familienverbänden leben, gern Körperkontakt haben und über ein ausgeprägtes Gefühl für ihre Gemeinschaft verfügen – und das hier war keine solche Geschichte! Dafür wieder mal eine „ich weiß, dass du meine Gefährtin bist, also lass uns harten, aggressiven Sex haben, damit ich dich schwängern kann“-Grundidee, und auch wenn es irgendwie ganz nett erzählt wurde, weil nach den ersten nervigen Szenen doch noch so was wie ein Gespräch zwischen den beiden Figuren stattfand, fand ich es vor allem langweilig und wenig kreativ – und das bringt mich zu der Frage, wieso ich eigentlich das Gefühl habe, ich müsste Kurzgeschichten nicht abbrechen, nur weil sie kurz sind …

13. Jaycee Jarvis: Wish Upon a Frog (The Frog Prince)
Oh, das war eine nette Geschichte! Eine verzauberte Froschdame, die einem Prinzen einen Gefallen tut und dafür drei Tage und drei Nächte mit ihm verbringt. Dass sie sich in der Nacht wieder in eine Frau verwandelt, ist ein Nebeneffekt, den beide sehr zu schätzen wissen, der aber nicht dabei hilft, den auf ihr liegenden Fluch zu brechen. Mir gefiel es sehr, dass Prinz Nathaniel und Liesa sehr viel Zeit mit Reden und anderen gemeinsamen Tätigkeiten verbringen und sich so in den wenigen Tagen gut kennenlernen. Die Nebenfiguren hätten weniger klischeehaft sein können, aber bei einer Kurzgeschichte kann ich damit leben.

14. November Dawn: By the Skin of a Bear (Bearskin – French Version)
Tja … das war weder gut noch schlecht, was im Endeffekt dann schon wieder fast frustrierend ist. Es gab Aspekte an der Grundidee (Hexe begleitet ihrer beste Freundin, eine Werwölfin, zu dem Typen, dem sie versprochen ist, und stellt fest, dass sie gern an die Stelle ihrer Freundin treten würde), die gut hätten sein können. Aber insgesamt stimmten für mich weder das Timing noch die Gewichtung der verschiedenen Elemente der Handlung. Sehr viel „tell“ und wenig „show“ bei den Sachen, die ich gern gelesen hätte, und so richtig sympathisch fand ich auch keine der Figuren, wobei die beiden Protagonisten am Ende Charakterzüge zeigten, die für mehr Sympathie hätten sorgen können, wenn sie schon früher aufgetaucht wären. Ich bleibe bei „frustrierend“.

15. Dani Morrison: The Troll’s Daugther (The Troll’s Daughter)
Puh … ich muss nicht jede Geschichte beenden. Ich muss nicht jede Geschichte beenden. Ich muss nicht … oder auch: Nicht mein Fall! Ganz ehrlich, ich habe das Gefühl, dass im Originalmärchen deutlich mehr Charakterentwicklung zu finden ist als in dieser Version – dafür bietet diese Variante von Dani Morrison eine Runde „Karnickelsex“ (wie diese Art von Sexszenen inzwischen in unserem Haushalt genannt werden, weil ich ja einen Begriff dafür benötige, wenn ich mich bei meinem Mann über das gerade Gelesene beschweren will 😉 ).

16. Maria Vale: Idyllwild (Cernunnos, Lord of the Wild Things)
Eine interessante Grundidee rund um Frauen, die als Demonkeeper die Dämonen anderer Personen übernehmen können, und um Idara, die eines Tages einen ungewöhnlichen Dämon übernimmt, der ihr überraschend vertraut vorkommt. Ich mochte diesen Hintergrund mit den Demonkeepers und ich mochte Idaras Erzählstimme, weniger überzeugend fand ich den/die Bösewicht/e in der Geschichte. Alles in allem also ein etwas gemischtes Leseerlebnis, aber „Idyllwild“ beinhaltet einige Ideen, aus denen noch etwas entstehen könnte, wenn die Autorin damit noch etwas spielen mag …

17. Kristin Gleeson: Dream Girl (Snow White)
Das war mal eine nette Schneewittchen-Variante! Die Protagonistin Aisling ist eine irische Musikerin und Tänzerin, die mit der Band ihres Vaters rumreist, als sie vom Model-Agenten ihrer Stiefmutter Jade entdeckt wird. Ich mochte die Grundidee, ich mochte all die (wenn auch etwas sehr klischeebehafteten) irischen Elemente und ich mochte Aislings Erzählstimme, allerdings fand ich die Lösung für den letzten Angriff der Stiefmutter ein bisschen … einfallslos. Trotzdem insgesamt eine nette Geschichte, die ich gern gelesen habe.

18. L. Penelope: Her Majesty’s Wolf (Red Riding Hood)
Lustigerweise lese ich gerade einen Roman von Leslye Penelope, der mir bislang sehr gut gefällt, da war es eine angenehme Überraschung, über diese Kurzgeschichte zu stolpern. Die Handlung erzählt von der Werwölfin Shani, die auf der Suche nach ihrer verschollenen Königin Lucrezia ist und dabei auf jemanden stößt, den sie für Lucrezias Diener hält. Es gab so einige Momente, in denen ich mich beim Lesen gut amüsiert habe, und ich habe gern verfolgt, wie sich Rowan und Shani in der kurzen Zeit, die sie zusammen reisten, besser kennengelernt haben. „Her Majesty’s Wolf“ hat mir überraschend viel Spaß gemacht!

19. Jennie Lynn Roberts: Back to the Woods (Hansel and Gretel)
Das war eine ganz nette Hänsel-und-Gretel-Variante, allerdings hatte ich den Großteil der Zeit das Gefühl, ich hätte die Geschichte schon einmal gelesen. Was eigentlich nicht sein kann, denn die Beiträge haben alle ein 2022er Copyright und ich finde die Autorin in keiner meiner Leselisten. Auf der anderen Seite kam mir die Anfangsszene (ein Reisender sucht in einer verruchten Kneipe nach einer Monster-Jägerin) so vertraut vor und ich wusste von Anfang an genau, was am Ende die „überraschende“ Auflösung sein würde, so dass ich mich nun frage, ob das eine ältere Geschichte ist, die einfach neu überarbeitet hier veröffentlicht wurde, oder ob sich Jennie Lynn Roberts von einer anderen Geschichte rund um „Hansel, den Schwertschmied“ und „Greta, die Monster-Jägerin“ inspirieren ließ …

20. C.M. Nascosta: The Sadder But Wiser Girl (Beauty and the Beast)
In dieser Geschichte gefiel es mir sehr, dass Marionette kein junges Mädchen ist, das das Biest aufsucht, weil es jemand anderen retten muss (bzw. einen Handel einhalten muss, den jemand anders eingegangen ist), sondern die Bibliothekarin beugt sich ganz bewusst den Regeln ihrer Welt, in der Frauen nichts anderes als Handelsware sind. Die Aussicht, die Ehefrau eines ihr unbekannten Mannes zu werden, ist zwar nicht gerade reizvoll, aber die finanzielle Sicherheit, die damit einhergeht, und die Tatsache, dass Lord Rosebriar für seine umfangreiche Bibliothek bekannt ist, scheinen ihr ein angemessener Ausgleich zu sein. Es war auch schön zu lesen, dass es ihrem potenziellen Ehemann wichtig ist, dass sie aus freien Stücken bei ihm bleibt und dass sie einen Monat Zeit hat, ihn ausreichend kennenzulernen, um diese Entscheidung zu treffen. Alles in allem war das eine überraschend hübsche Geschichte, wenn ich bedenke, dass sie in einer fürchterlichen Welt spielt und dass Marionette schon früh an kaum etwas anderes denken kann als an die Frage, wie wohl der Sex mit ihrem potenziellen Ehemann wäre. Außerdem habe ich all die kleinen Bibliothekarinnen-Gedanken der Protagonistin rund um Bücher und den Umgang damit genossen und mich darüber amüsiert.

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Diese Anthologie beinhaltete eine sehr bunte Mischung an Geschichten. Grundsätzlich mochte ich, dass jeder Beitrag in gewisser Weise eine Märchenvariante war. Ich habe ein paar Geschichten wirklich sehr genossen (und neue Autor*innen für mich entdeckt) auch fand ich es angenehm, dass am Anfang jeder Geschichte ein kleiner Teaser mit der Ausgangssituation zu finden war. Weniger stimmig waren für mich die „Kerzen“ unter den Überschriften, die anzeigen sollten, ob eine Geschichte mehr oder weniger „steamy“ war. Es gab so einige Geschichten mit vielen Kerzen, die schöne Kennenlern- und relativ wenig Sexszenen hatten, und andere, die deutlich weniger Kerzen hatten, während ich mich beim Lesen fragte, wo zwischen all den Sexszenen (oder zumindest der ausgeprägten körperlichen Anziehung zwischen den Figuren) die Handlung zu finden sei. Da wüsste ich wirklich gern, nach welchen Kriterien (Wortwahl? Explizite Beschreibungen? Anteil an Sexszenen?) diese Kerzenvergabe stattfand und ob jemand anders als die Autor*innen Einfluss darauf hatten. Diese Unberechenbarkeit bezüglich des „Sexanteils“ bei den einzelnen Geschichten in der Anthologie ist definitiv mein größter Kritikpunkt, weil es so einige Beiträge gab, die mir nicht gefielen und die ich gar nicht erst (an)gelesen hätte, wenn ich vorher gewusst hätte, was mich da erwartet … Auf der anderen Seite finde ich die Tatsache, dass ich bei einer Anthologie nie so recht weiß, was mich bei den einzelnen Geschichten wohl erwarten wird, ja grundsätzlich auch sehr reizvoll. Was dann auch der Grund ist, wieso auf meinem eReader noch so viele ungelesene Anthologien auf mich warten …

Phil Hickes: The Vanishing of Aveline Jones (Aveline Jones 3)

„The Vanishing of Aveline Jones“ ist schon der dritte Band von Phil Hickes (mit Illustrationen von Keith Robinson) rund um Aveline Jones und ihre unheimlichen Erlebnisse. Ich freue mich inzwischen jedes Mal sehr, wenn ein neuer Teil angekündigt wird, weil ich diese gruseligen Kinderbücher wirklich wunderbar atmosphärisch finde. Und nachdem die letzte Geschichte im Sommer spielte, fand ich es umso schöner herauszufinden, dass sich Aveline dieses Mal in den Tagen vor Weihnachten übernatürlichen Gefahren stellen muss. Genau genommen reist Aveline gemeinsam mit ihrem Freund Harold und ihrer Mutter und ihre Tante Liliane nach Scarbury, wo sie das Haus von Avelines Onkel Rowan für einen Verkauf herrichten wollen. Onkel Rowan ist vor zehn Jahren kurz vor Weihnachten von einem Moment auf den anderen spurlos verschwunden. Es gab keinerlei Hinweise auf ein Verbrechen und bis heute fragen sich seine Schwestern, was aus Rowan geworden ist.

Aveline und Harold sind fest entschlossen, während ihres Aufenthalts in Scarbury mehr über Onkel Rowans Verschwinden herauszufinden. Bei ihrer Durchsuchung seines Arbeitszimmers finden sie einige Hinweise auf ein altes Hügelgrab, das in der Nähe des Ortes liegt, und in Sammy, der einen Blog für übernatürliche Ereignisse betreibt, finden die beiden einen örtlichen Experten rund um das Hügelgrab. Sammy ist es auch, der Aveline und Harold weitere Details zu all den Menschen erzählen kann, die in der Vergangenheit in der Umgebung von Scarbury spurlos verschwunden sind, und zu den Gerüchten, dass das Hügelgrab der Eingang zum Feenreich sein soll. So unheimlich und beängstigend diese Vorstellung ist, so gibt sie Aveline doch die Hoffnung, dass sie vielleicht in der Lage sein könnte, ihren Onkel wiederzufinden, wenn sie nur mehr über die Feen und ihre Machenschaften herausfindet.

Wie schon bei den anderen beiden Romanen („The Haunting of Aveline Jones“ und „The Bewitching of Aveline Jones“) hat mir diese Mischung aus eher alltäglichen Momenten und den unheimlichen Elementen, die damit verwoben wurden, sehr viel Spaß gemacht, auch wenn mir in „The Vanishing of Aveline Jones“ die Handlung fast schon zu schnell voranschritt, weil die nahe Wintersonnenwende für etwas „Termindruck“ sorgte. Ich genieße es bei diesen Geschichten sehr, wie gut sich Aveline und Harold mit ihren gegensätzlichen Fähigkeiten und ihrer gemeinsamen Bereitschaft, sich auf Übernatürliches einzulassen, ergänzen. Die Freundschaft dieser beiden Charaktere ist schon mehrfach auf die Probe gestellt worden, ohne dass es jemals zu Zerwürfnissen kam, was dazu führt, dass ich beim Lesen das Gefühl habe, dass ich darauf vertrauen kann, dass die beiden zusammen schon einen Weg aus den Schwierigkeiten finden, in die sie geraten sind.

Im Kontrast zu dieser wirklich nett zu lesenden Freundschaft stehen all die Szenen mit den Fae, die unheimlich und düster sind, die Aveline und den anderen Fallen stellen und jeden ihrer Schwachpunkte ausnutzen. Dabei fand ich es schön zu sehen, wie Phil Hickes immer wieder Elemente aus Avelines vorherigen Abenteuern aufgreift und aufzeigt, dass diese Herausforderungen sie stärker gemacht haben und ihr nun helfen, mit neuen Problemen fertigzuwerden. Ich muss gestehen, dass mir das Ende von „The Vanishing of Aveline Jones“ für so eine unheimliche Geschichte schon fast ein bisschen zu harmonisch war, aber auf der anderen Seite lese ich ja vor allem deshalb gruselige Kinderbücher, weil ich da sicher sein kann, dass am Ende alles gut ausgeht. Dieser Roman ist auf jeden Fall perfekt, um sich an einem kalten und regnerischen (oder verschneiten) Tag mit einer heißen Schokolade einzurollen und sich eine wunderbar atmosphärische und gruselige Geschichte erzählen zu lassen

James Nicol: The Spell Tailors

Nachdem mir die Apprentice-Witch-Titel von James Nicol so gut gefallen hatten, musste ich natürlich auch den neusten Roman des Autors lesen. „The Spell Tailors“ dreht sich um die Familie Danelli, die als Schneider von magischen Kleidungsstücken seit mehreren hundert Jahren Zaubersprüche in die von ihnen gefertigten Waren einsticken. Diese magischen Stiche versehen die Kleidungsstücke mit besonderen Eigenschaften, was für Sommerkleidung sorgt, die kühlt, oder Reisekleidung, die den Träger vor diversen Unannehmlichkeiten beschützen kann. Doch in den vergangenen Monaten lief das Geschäft nicht gerade rund. Es gab Gerüchte, dass magische Kleidung ihre Träger krank machen kann, und dann ist da noch die wachsende Popularität der Kleiderfabrik von Tiberius Pepper, der günstigere verzauberte Massenware anbietet. So muss sich der zwölfjährige Hen(ryton) nicht nur Sorgen um den Laden machen, den seine Nana führt, sondern auch mitansehen, wie ein Schneidergeschäft nach dem anderen in der kleinen Stadt Sparrow Down schließt. Noch ernsthafter wird die Situation, als sein Onkel Bertrand mitsamt dessen Frau Lucia und Tochter Connie bei Hen und Nana einzieht. Onkel Bertie ist wild entschlossen, das Familiengeschäft am Leben zu halten, und er hat auch ganz genaue Vorstellungen davon, wie er das erreicht. Hen hingegen setzt seine Hoffnungen auf all die Dinge, die er von seiner Nana gelernt hat, und auf den neuen Erinnerungszauber, den er gerade erst entdeckt hat.

So sehr ich die Grundidee der Geschichte mochte, so muss ich doch gestehen, dass ich beim Lesen der ersten Hälfte von „The Spell Tailors“ (gemeinsam mit Hen) unglaublich frustriert war. Es hat mich regelrecht fertiggemacht, dass Hen und seine – noch recht unerprobten – magischen Fähigkeiten als Sündenbock für alles herhalten mussten, was in dem Geschäft der Danellis schlief läuft, während gleichzeitig sein Onkel Bertie in all seiner Besorgtheit und seinem Übereifer die Situation kontinuierlich verschlimmert. Einzig die langsam wachsende Freundschaft zwischen Hen und seiner Cousine Connie hat diesen Teil für mich erträglich gemacht.

Die zweite Hälfte der Geschichte konnte ich hingegen deutlich mehr genießen, da James Nicol dort trotz aller erschütternden Entdeckungen, die Hen und Connie machen, und all der Gefahren, die sie durchstehen müssen, eine für mich besser funktionierende Balance zwischen schrecklichen Ereignissen und humorvollen und gemütlichen Momenten gefunden hat. Insgesamt mochte ich die Idee mit den verzauberten Kleidungsstücken und ihrer Auswirkung auf die Person, die sie trägt, sehr. Auch Hen und seine Nana habe ich von Anfang an ins Herz geschlossen, weil beide so unglaublich liebenswert und so sorgfältig und aufmerksam bei ihrer Arbeit sind. Die Tatsache, dass Hens Leben mit Nana zwar nicht perfekt, aber grundsätzlich sehr schön war, hat es mir vermutlich auch so schwer gemacht zuzusehen, wie Onkel Bertie mit seiner besserwisserischen Art einfach über alles hinweggeht, was Nana in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut hat.

Insgesamt muss ich zugeben, dass mir „The Apprentice Witch“ etwas besser gefallen hat als „The Spell Tailors“, weil da für mich die Balance zwischen schönen und schrecklichen Elementen besser passte. Aber ich denke auch, dass ich ein zweites Lesen von „The Spell Tailors“ mehr genießen werde als dieses erste Mal, weil ich mich dann weniger auf die Handlung (und Onkel Berties Verbohrtheit) und mehr auf all die hübschen kleinen Details rund um die magischen Stiche und die verschiedenen liebenswerten Figuren konzentrieren kann. Es war halt nicht gerade einfach, all diese bezaubernden Einfälle des Autors zu würdigen, während ich nur endlich miterleben wollte, dass es für Hen wieder aufwärts geht. Immerhin kann ich sagen, dass James Nicol es am Ende sogar geschafft hat, mich mit Onkel Bertie auszusöhnen und davon zu überzeugen, dass Hen einfach alles flicken kann – sogar seine Familie.