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Chimamanda Ngozi Aidichie: Blauer Hibiskus

Über den Titel „Blauer Hibiskus“ von Chimamanda Ngozi Aidichie bin ich schon häufiger gestolpert – unter anderem hatte Hermia vor einigen Jahren eine Rezension dazu geschrieben. Obwohl ich den Titel all die Zeit im Hinterkopf behalten habe, hatte mich erst eine Rezension zu „Americanah“ dazu gebracht, ein Buch von der Autorin aus der Bibliothek auszuleihen. Doch ehrlich gesagt war mir „Americanah“ zu dem Zeitpunkt zu viel (inhaltlich und sprachlich), um es auf Englisch zu lesen, und so habe ich mir nach dem Rückgabetermin lieber „Blauer Hibiskus“ vormerken lassen, um die Autorin erst einmal auf Deutsch anzutesten.

Die Geschichte in „Blauer Hibiskus“ wird aus der Sicht der (anfangs 15jährigen) Kambili erzählt, die die Tochter eines sehr angesehenen und mindestens ebenso wohlhabenden nigerianischen Zeitungsverlegers ist. Die Handlung spielt zum Großteil zu Beginn der Militärdiktatur 1993, als General Sani Abacha die Macht in Nigeria übernahm. Doch auf den ersten Blick spielt die politische Situation des Landes keine so große Rolle für Kambili und ihre Familie, viel wichtiger für das Mädchen ist das Verhältnis zu ihrem streng katholischen Vater. Hat man auf den ersten Seiten noch das Gefühl, dass das Mädchen den Vater verehren würde, so beschleicht einen nach und nach der Verdacht, dass der Mann eine ungesunde Macht über seine Familie ausübt.

Im Laufe der Geschichte wird deutlich, dass Kambilis Vater sie, ihren Bruder und ihre Mutter regelmäßig misshandelt und alles tut, um die drei von jeglichem äußerem Einfluss abzuschirmen. Erst durch den Einfluss ihrer Tante Ifeoma entdecken die beiden Kinder, wie es sich anfühlen würde, wenn sie in einem liebevollen und unterstützenden Umfeld aufwachsen würden. Über das Leben, das Tante Ifeoma führt, bekommt Kambili auch mit, wie der Alltag – inklusive nicht gezahlter Gehälter, Benzinknappheit und eingeschränktem Zugang zu Wasser und Strom – für weniger reiche Nigerianer ausschaut.

Nachdem ich inzwischen ein paar Bücher gelesen habe, die sich mit der Balance zwischen dem modernen Leben und dem Erhalt der alten Traditionen in Afrika bzw. Nigeria beschäftigten, fand ich es spannend, mal eine Geschichte rund um eine katholische nigerianische Familie zu lesen – auch wenn Kambilis Vater natürlich ein sehr extremes Beispiel dafür ist. Doch vor allem hat mich natürlich beschäftigt, wie es Kambili und ihrem Bruder Jaja ergeht. Es war schön, zuzusehen, wie sich die beiden entwickelt haben, während sie bei ihrer Tante Ifeoma und ihren drei Kindern zu Besuch waren, aber das hat das Problem mit ihrem Vater nicht auf Dauer gelöst.

Ich mochte auch all die wunderschönen und atmosphärischen Beschreibungen vom Leben in Nigeria, angefangen bei dem Hibiskus und dem Duft, der nach dem Regen in der Luft lag, bis zu den Regenwürmern in der Badewanne. Aber insgesamt fand ich die ganze Geschichte schrecklich bedrückend. Mila meinte in einem Kommentar „Aber es gibt auch ganz viel Positives im Buch, …“, aber ich hatte am Ende nicht das Gefühl, dass alles für die Familie gut ausgegangen wäre. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass ich es ganz schlimm finde, was dem Bruder zugestoßen ist, und dass ich mir nicht vorstellen kann, dass für Jaja das Leben noch gut wird. Auf jeden Fall hat der junge Mann, der so selbstvergessen den Garten seiner Tante gepflegt hat, danach für Jahre ein Leben geführt, das ihn noch weiter kaputt gemacht hat.

Auch kann ich der Mutter nicht verzeihen, dass sie ihre Kinder nicht besser – und früher! – beschützt hat (und ja, mir ist bewusst, dass das nicht einfach ist, wenn man selbst von Kindheitsbeinen an Opfer von Misshandlungen ist – und so interpretiere ich die Aussagen über das Elternhaus der Mutter). Sogar die Zukunft von Tante Ifeoma und ihren Kindern sehe ich zwiespältig … So bereue ich es nicht, dass ich das Buch gelesen habe, denn ich fand es spannend und es gab wunderschöne Passagen darin. Aber ich bin doch ganz froh, dass der Roman nur eine Bibliotheksausleihe war und nicht in meinem Regal stehen wird, um mich immer wieder an das Gelesene zu erinnern.