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J. L. Campbell: The Vet’s Christmas Pet

In den letzten Tagen ist es mir schwer gefallen, mich auf meine Bücher zu konzentrieren, und doch hatte ich ein großes Bedürfnis danach, mich mit Lesen abzulenken. Also habe ich zu einem bewährten Mittel gegriffen und mich auf billige Liebesromane gestürzt. Wobei das „billig“ im doppelten Sinn gemeint ist, die Geschichten waren günstig (ein Bundle mit 16 Liebesgeschichten – mit Schwerpunkt Tiere und Weihnachten – für 99 Cent) und die bislang gelesenen Sachen waren auch so simpel gestrickt, wie ich es erwartet hatte. Da war es egal, wenn ich mit meinen Gedanken woanders war und mich nicht erinnern konnte, ob die Protagonistin nun Debbie oder Noelle hieß und welchen Namen vielleicht ihr Vogel/Hund/Frettchen hatte, ich konnte der Handlung ausreichend folgen, hier und da gab es etwas zum Schmunzeln oder sogar ein Tränchen zu verdrücken und ich habe mich angenehm ablenken lassen.

Nur eine Geschichte aus „Christmas Pets and Kisses“ hat mich geärgert, nachdem ich bislang ungefähr die Hälfte der Texte gelesen habe: „The Vet’s Christmas Pet“ von J. L. Campbell. Die Handlung spielt auf Jamaika, wobei der einzige für mich erkennbare Hinweis auf den Handlungsort das eine oder andere Getränk war, das ich in einem europäischen oder amerikanischen Kühlschrank nicht als selbstverständlich ansehen würde. Aber wer weiß, vielleicht ist das Leben auf Jamaika abgesehen von der Getränkewahl total amerikanisch und die Geschichte fühlte sich deshalb zu Recht so gewöhnlich an. (Allerdings muss ich zugeben, dass verschiedene Rezensionen zeigen, dass englische Muttersprachler anhand der Sprache erkennen können, dass das Ganze auf Jamaika spielt – mir fehlt da definitiv das Gefühl für eventuelle sprachlichen Besonderheiten.)

Außerdem hatte ich ein Problem mit der Erzählweise. Dass die Perspektive von Kapitel zu Kapitel wechselt und man die Handlung sowohl aus der Sicht des männlichen Protagonisten als auch aus Sicht der weiblichen Hauptfigur erzählt bekommt, ist eigentlich normal. Dass das Ganze aber jeweils in der Ich-Perspektive passiert, fand ich allerdings irritierend. Überhaupt hatte ich ein Problem mit den drei Protagonisten: Matthias, der Tierarzt, Toni, die geschiedene Mutter, und Jade, ihre zuckersüße fünfjährige Tochter, die angeblich so unter der – vor über zwei Jahren erfolgten – Trennung der Eltern gelitten hat. Toni und Matthias waren vor achtzehn Jahren auf der gleichen Schule und hatten ein Date, bei dem es zu einem unglücklichen Missverständnis kam. Als er sie nun wiedersieht, weil sie mit einem streunenden Welpen, von dem ihre Tochter befürchtet, dass Toni ihn angefahren hat, in seine Tierarztpraxis kommt, beschließt er, dass er alles dafür tun will, damit er sie nicht aus den Augen verliert.

Also drückt er dieser Frau, die definitiv keinen Hund möchte, keine Hundeerfahrung hat und die sich bis zum Schluss der Geschichte nicht mal von ihrer Tochter umarmen lassen mag, nachdem diese mit dem Hund gespielt hat, weil sie ja Hundehaare auf ihre Kleidung bekommen könnte, das Tier in den Arm und lügt sie kurz darauf noch an, als sie wissen will, ob sich jemand gemeldet hat, der den Welpen vermisst. Seine einzigen Entschuldigungen sind: 1. Er will schließlich Toni wiedersehen und das geht nur, wenn er weiterhin ihren Hund versorgen darf, und 2. Jade hat sich ja schon so in den Welpen verliebt. Natürlich verliebt sich eine Fünfjährige in einen Welpen, aber wenn die Mutter nicht bereit ist, sich mit dem Tier abzugeben und ein so junger Hund den ganzen Tag allein auf der Veranda leben muss, dann sollte ein Tierarzt ernsthaft darüber nachdenken, ob er da richtig handelt.

Erschreckenderweise ist Matthias trotzdem noch der sympathischere Teil des potenziellen Pärchens, denn Toni will sich nach ihrer Scheidung (von der mir die Autorin nicht klarmachen konnte, warum die so schrecklich war, abgesehen davon, dass der Ex-Mann sich seit dem Ende der Ehe für nichts mehr verantwortlich fühlt) auf keinen Mann mehr einlassen, Toni hat angeblich ganz schreckliche finanzielle Sorgen (auch in der Beziehung kann ich ihre Handlung nicht nachvollziehen, denn ein Teil der Sorgen resultiert daraus, dass sie unbedingt das gemeinsame Haus behalten will und nun alleine Schwierigkeiten bei der Abzahlung des Kredits hat, obwohl sie einen gut bezahlten Job hat). Und obwohl ihre Tochter ihr angeblich über alles geht, macht sie sich meiner Meinung nach zu viele Gedanken über Äußerlichkeiten und Erziehungsprinzipien und weniger um das Wohlergehen des Mädchens. Jade selber ist hingegen erwartbar süß, süß und niedlich und sooo weise für ihr Alter – und unterscheidet sich somit nicht sehr von vielen anderen Kindern in solchen Liebesromanen.

Am Ende der Geschichte gibt es noch einen (keineswegs überraschenden) dramatischen Moment, als Toni herausfindet, dass Matthias sie belogen hat. Dummerweise verweigert die Autorin dem Leser die auf den Streit folgende Entschuldigungs- und Erklärungsszene, und so bekommt man nur das „ich muss mit dir reden“-Telefonat des Tierarztes und ihre „nach einem ernsthaften Gespräch hängen wir nun knutschend auf dem Sofa“-Gedanken mit. Abgesehen davon, dass ich diesen Handlungsansatz eh bescheuert fand, hätte ich dann doch gern noch eine anständige Auflösung gehabt anstelle dieses Sprungs in der Handlung zum Happy End.

Vielleicht kommt nun bei dem einen oder anderen Leser die Frage auf, warum ich „The Vet’s Christmas Pet“ überhaupt beendet habe, aber da die Geschichte gerade mal 70 Seiten hatte und auch das Aufregen über eine bescheuerte Handlung und ebenso bescheuerte Figuren ablenkend sein kann, habe ich eben einfach weitergelesen und die Gelegenheit genutzt, mal wieder einen Verriss für den Blog schreiben zu können.