Wer meinen Blog schon länger liest, weiß vermutlich, dass ich die Rachel-Morgan-Serie von Kim Harrison wirklich gern mag. Die Reihe gehört zu denen, bei denen ich gern einige Bände am Stück lese, weil ich nach dem Beenden eines Romans unbedingt noch mehr über die Protagonistin, ihre Freunde und die Herausforderungen, die sie zu meistern haben, lesen will. Auch den ersten Band der Madison-Avery-Reihe mochte ich sehr, obwohl ich da nicht weitergelesen habe, weil mir erst einmal andere Romane wichtiger waren. Trotzdem bin ich, seitdem ich das erste Mal von „Die Zeitagentin“ gehört habe, skeptisch, ob die Geschichte etwas für mich wäre. Also habe ich die Gelegenheit genutzt, als „Zeitspiel“, das angeblich die Vorgeschichte zu „Die Zeitagentin“ erzählt, kostenlos als eBook angeboten wurde.
Dummerweise konnte mich aber „Zeitspiel“ nicht so recht überzeugen. Die Kurzgeschichte handelt von einem Wissenschaftler, der für eine Regierungsorganisation arbeitet, die Zeitagenten ausbildet. Zeitagenten sind Personen, die für – in der Regel – wenige Sekunden in der Zeit zurückspringen und Ereignisse verändern können. Damit die Agenten durch das Springen durch die Zeit nicht zu sehr belastet werden, gibt es sogenannte „Anker“. Diese Anker sind Personen, die in der Lage sind die verschiedenen Zeitebenen zu durchschauen und für die Zeitagenten zu sortieren, so dass diese sich nicht mit den verschiedenen Zeitalternativen in ihrer Erinnerung herumschlagen müssen. Auch der Wissenschaftler Silas wäre gern ein Anker, denn dann könnte er gemeinsam mit seiner Freundin Summer arbeiten, statt nur zusehen zu müssen wie sie sich mit ihrem Partner Allan in Zukunft regelmäßig in Gefahr bringt.
Silas Wunsch nach einer aktiveren Funktion in der Organisation, die katastrophal verlaufende Abschlussprüfung von Summer und ihren Mitstudenten und das Auftauchen der neuen Studentin Peri Reed (die die Hauptfigur in „Die Zeitagentin“ ist), war soweit nett zu lesen, konnte mich aber nicht wirklich überzeugen. Nach so vielen Jahren Ausbildung benehmen sich die angehenden Zeitagenten wie kleine Kinder und geben jedem Impuls nach, egal, welche Folgen das haben könnte – das hat mich wirklich geärgert. Dann hatte ich ein großes Problem damit das Alter der beteiligten Personen einzuschätzen, vor allem bei Silas, der kurz vor seinem zweiten Doktortitel steht, an seiner zweiten Doktorarbeit schon seit Jahren arbeitet – und sich trotzdem nicht erwachsener benimmt als die Studenten. Es ist einfach nicht glaubwürdig, wenn mir auf der einen Seite erzählt wird, dass jemand schon viele Jahre Studium und Arbeit hinter sich hat, dass er hochintelligent ist und Dinge machen kann, die sonst niemand auf die Reihe bekommt, und dann lese ich nur, dass er von Verlustangst getrieben eine Dummheit nach der anderen macht und sich seinen Vorgesetzten gegenüber wie ein schmollender Teenager aufführt.
Auch mit Peri Reed hatte ich ein Problem – sowohl in dieser Kurzgeschichte, als auch in der angehängten Leseprobe von „Die Zeitagentin“ -, denn diese junge Frau wirkt einfach zu perfekt. Sie ist hübsch und zierlich, aber eine super Kämpferin, intelligent, fantastisch ausgebildet, deutlich vernünftiger als die anderen Studenten (und lässt sich trotzdem gleich beim ersten Treffen auf ihr dummes Abenteuer ein?!) und hat Beziehungen innerhalb der Organisation. Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, solch eine Person sympathisch zu finden, abgesehen davon, dass ich auch Schwierigkeiten damit habe, mir vorzustellen, dass gerade Peri Reed zur Gejagten derjenigen Organisation wird, die sie von klein auf ausgebildet hat …
Die Grundidee mit den Zeitagenten finde ich ja eigentlich reizvoll, aber nach dem bislang gelesenen würde ich dem Roman wohl keine Chance geben wollen.