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Colin Cotterill: Dr. Siri und seine Toten

Da ich die „Dr. Siri“-Romane von Colin Cotterill wirklich liebe, wird es Zeit hier mal über den ersten Band rund um den ungewöhnlichen Leichenbeschauer zu schreiben. Eins erst einmal vorweg: Einen klassischen Kriminalroman darf man bei diesen Büchern wirklich nicht erwarten. Obwohl jede Geschichte sich um einen (oder mehr) ungewöhnlichen Todesfall dreht, steht die laotische Gesellschaft kurz nach der Machtergreifung der Kommunisten im Jahr 1975 im Vordergrund. So interessant ich das alles finde, so würden mich diese Bücher doch nicht so packen, wenn Colin Cotterill nicht so wunderbare Charaktere geschaffen hätte.

Allen voran sein Dr. Siri Paiboun, der für einen Laoten ein sehr ungewöhnliches Leben geführt hat. Dank eines reichen Gönners kam er in den Genuss eines Medizinstudiums in Frankreich, wo er damals Mitglied der Kommunistischen Partei wurde (nicht nur, weil er den Kommunismus an sich reizvoll fand, sondern auch, weil er damals von einem Mädchen angetan war, das sich sehr für diese Partei engagierte). Den größten Teil seines Lebens verbrachte der Mediziner dann an den Seiten der Rebellen, die versuchten das laotische Königshaus zu stürzen, und setze sein Wissen dafür ein, die im Kampf verletzten Kameraden wieder zusammen zu flicken. Als dann endlich die Kommunisten die Macht in Laos ergriffen, freute sich Dr. Siri auf seinen wohlverdienten Ruhestand – und das Aufblühen seines in den letzten Jahrzehnten so gebeutelten Landes.

Doch natürlich waren diese Hoffnungen etwas voreilig. Statt in den Ruhestand versetzt zu werden, wurde Dr. Siri (als einziger Mediziner mit ein wenig Wissen in dieser Richtung) mit zweiundsiebzig Jahren auf den Posten des einzigen Pathologen berufen, nachdem der Großteil der gebildeten Laoten nach dem Regierungswechsel aus dem Land geflüchtet ist. So tastet sich Dr. Siri mit ein wenig Basiswissen, viel Improvisationstalent und einer nicht zu stillenden Neugierde an seine ersten beiden Fälle heran.

Auf der einen Seite muss er sich um die Frau eines Parteifunktionärs kümmern, die bei einem Essen ohne eine sichtbare Ursache verstirbt, und auf der anderen Seite ist da das Rätsel um die Leiche eines Chauffeurs, der ermordet in einem See gefunden wurde. Auch wenn Dr. Siri mit einem chronischen Mangel an Arbeitsmaterialien zu kämpfen hat, so hat er immerhin zwei Assistenten an seiner Seite, die ihm eine große Hilfe sind. Und so kann der Mediziner auf das umfangreiche Wissen und den Ideenreichtum der Krankenschwester Dtui zurückgreifen, während die gute Nase von Herrn Geung ebenso gut funktioniert wie so manches medizinische Gerät.

Mir gefallen – wie schon erwähnt – vor allem die liebenswerten und etwas skurril wirkenden Figuren von Colin Cotterill. Dr. Siri zum Beispiel ist zwar ein überzeugter Kommunist, aber nicht gewillt jeden Unsinn mitzumachen, den sich die neue Regierung ausdenkt. Und so wenig er auf seinen neuen Job als Pathologe vorbereitet ist, so ist es ihm wichtig die Toten zu respektieren und ihnen den bestmöglichsten Dienst zu erweisen. Und wenn er sich dafür mit seinen Vorgesetzten anlegen muss (und das kann zu dieser Zeit und in diesem Land auch schnell einmal zu einem Todesurteil führen), dann ist es eben so.

Ich hatte anfangs etwas Probleme damit mich auf die laotische Gesellschaft einzulassen, da die dort beschriebene Denk- und Lebensweise mir manchmal etwas befremdlich vorgekommen ist. Aber mit jeder Seite wuchs mir diese Volk mitsamt seinem Aberglauben mehr ans Herz. Wichtig ist dabei auch für mich das Wissen, dass Colin Cotterill selber in Laos gelebt hat und sich (wie er mal in einem Interview, welches ich jetzt gerade nicht wiederfinde) von laotischen Auswanderern bestätigen lässt, dass seine Geschichten stimmig sind.

Durch all diese Bücher zieht sich ein wunderbarer Humor, der selten überzogen wirkt, und stattdessen für den Leser den harten Alltag in Laos, die Willkür durch die Regierung und andere kleine bittere Erkenntnisse mehr als erträglich werden lassen. Ich glaube, das ist eigentlich das Beste an diesen Büchern: Obwohl ich beim Lesen die ganze Zeit ein Grinsen im Gesicht habe, mich an den Einfällen der Charaktere und den Wendungen in der Handlungen erfreue, lerne ich gleichzeitig unglaublich viel – nicht nur über die Geschichte von Laos, sondern auch über denn Alltag in einem eher unmenschlichem Regime. Und immer wieder klingt durch, dass die beste politische Idee doch allzu schnell an den Menschen scheitert, die versuchen sollen diese umzusetzen.