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Nigel McCrery: Kaltes Gift

Mir ist es egal, ob ich einen gemütlichen Kriminalroman oder einen nervenaufreibenden Thriller lese, aber ich mag gern vorher wissen, worauf ich mich mit einem Buch einlasse. Bei „Kaltes Gift“ habe ich eine Geschichte im Stil der klassischen englischen Krimis erwartet und eigentlich auch bekommen. Allerdings hat der Autor zu Beginn zwei Szenen eingebaut, die mich schnell bereuen ließen, dass ich das Buch zum Frühstück begonnen hatte … Der Prolog zeigt dem Leser eine offensichtlich mit der Betreuung ihrer Enkel überforderte Großmutter, die mit der Gartenschere die Kinder verstümmelt. Eine Tat, die schockierend beschrieben wird! Und weiter geht es kurz darauf mit der eigentlichen Handlung – und dem qualvollen Gifttod einer älteren Dame.

Man erfährt schnell, dass die Mörderin Violet Chambers sich regelmäßig das Vertrauen alleinstehender Damen erschleicht und diese umbringt, nachdem sie genügend Wissen gesammelt hat, um ihr Leben übernehmen zu können. Während die Polizei nach dem Auffinden einer Leiche noch rätselt, wie es sein kann, dass Violet Chambers tot vor ihnen liegt und gleichzeitig quitschfidele Postkarten an die Nachbarn schreibt, geht es für den Leser weniger um das „Wie“, sondern um das „Warum“. Natürlich lebt die Mörderin davon, dass sie den Besitz der ermordeten Frauen übernimmt, doch muss noch deutlich mehr hinter ihren Taten stecken, als auf den ersten Blick ersichtlich ist.

Nigel McCrery nutzt zwei Perspektiven, um seine Geschichte zu erzählen. Auf der einen Seite die der Mörderin, die selbst nicht mehr über ihre Vergangenheit zu wissen scheint, als der Leser. Und andererseits der Polizist, der aufgrund einer extremen Synästhesie, die dafür sorgt, dass er Geräusche schmeckt, kaum arbeitsfähig ist. Detective Chief Inspector Lapslie wird für diesen Fall aus seiner Beurlaubung zurückgeholt und kann nur dank der Hilfe seiner neuen Mitarbeiterin (deren Stimme nach Zitrone schmeckt >g<) überhaupt die Ermittlungen aufnehmen.

Nicht so gut hat es mir gefallen, dass es innerhalb der Polizeibehörde zu Intrigen kommt. Und auch die beiden sehr grausamen Anfangsszenen hätten meiner Meinung nach nicht sein müssen, da die Geschichte in ihrer Ruhe und voller eindringlicher Bilder sonst sehr gut funktioniert. Aber dafür erzeugt der Autor eine faszinierende Stimmung, beschreibt Lasplies gestörte Sinneseindrücke sehr plastisch und lässt einen zusammen mit den Beteiligten Puzzelstückchen um Puzzelstückchen sammeln, bis sich ein erschreckendes Bild ergibt.