In meinem „Figurenkabinett“ werde ich euch immer mal wieder eine Romanfigur vorstellen, die mir besonders ans Herz gewachsen ist. Den Anfang macht Peter Shandy – der Mann, nach dem ich meinen schwarzen Kater benannt habe. Peter Shandy stammt aus den Büchern der Autorin Charlotte MacLeod und ist Professor an dem „Balaclava Agricultural College“ in Massachusetts. In insgesamt neun (oder eher zehn, aber „The Curse of the Giant Hogweed“ hat es meines Wissens nach nicht nach Deutschland geschafft) Romanen ist er mir – ebenso wie das ungewöhnliche College mitsamt dem dazugehörigen Ort und seinen Bewohnern – ans Herz gewachsen.
Vor allem in dem ersten Band „Schlaf in himmlischer Ruh“ lernt man Peter Shandy von seiner ungnädigsten Seite kennen. Es ist kurz vor Weihnachten und das College wurde, ebenso wie die dazugehörigen Häuser, großzügig und geschmackvoll mit Weihnachtsdekoration bestückt. Nur ein Häuschen steht kahl in der weißen Schneepracht: Das von Peter Shandy. Der Professor kann dem ganzen Deko-Rummel einfach nichts abgewinnen und je mehr ihn seine Nachbarn – allen voran Jemima Ames, die Frau eines Kollegen – bedrängen, desto störrischer wird er. Bis ihm eines Tages der Kragen platzt und er eine auswärtige Firma mit der Dekoration seines Grundstücks beauftragt. Noch bevor ihn seine Nachbarn wegen all der glitzernden, lärmenden, leuchtenden Weihnachtselemente inklusive Rentieren auf dem Dach und geschmackloser Musikbeschallung ansprechen können, flüchtet Peter Shandy aus dem Ort und verbringt friedliche Feiertage fern von Zuhause.
Doch kurze Zeit später juckt ihn sein schlechtes Gewissen und das wird nicht besser, als er bei seiner Heimkehr Jemima Ames tot in seinem Wohnzimmer findet. Anscheinend ist seine Nachbarin – beim Versuch, einen Teil der Fensterdekoration abzuhängen – von der Leiter gestürzt und umgekommen. Doch Peter Shandy ist, wie es sich für einen guten Landwirt gehört, ein hervorragender Beobachter und so fallen ihm gleich einige Ungereimtheiten bei diesem „Unfall“ auf, die ihn dazu animieren, eigene Ermittlungen anzustellen.
Peter Shandy ist eine ganz wunderbare Figur und gehört zu den Romancharakteren, die ich gern in meinem realen Bekanntenkreis hätte (er dürfte sich auch liebevoll meines Gartens annehmen 😀 ). Mit über fünfzig Jahren blickt er auf ein bislang eher ereignisloses Leben zurück, das vor allem von seiner Zuneigung zu seiner Nichte Alice und seiner wissenschaftlichen Forschung geprägt ist. So kann Peter Shandy auf so einige Aufsehen erregende Züchtungen zurückblicken, wie zum Beispiel eine schnell wachsende Futterrübe oder ungewöhnlich gefärbte Veilchen, die ihm und dem College einen gewissen Wohlstand eingebracht haben. Doch auch wenn er die letzten Jahre hauptsächlich als Professor und Forscher gearbeitet hat, so weiß Peter Shandy immer noch mit einer Mistgabel umzugehen und steht im Zweifelsfall auf jedem Bauernhof seinen Mann.
Im Laufe von „Schlaf in himmlischer Ruh“ lernt der Professor mit der Bibliothekarin Helen Marsh eine Frau kennen und lieben, die ganz wunderbar zu ihm passt – und auch in den folgenden neun Romanen mal mehr oder weniger große Rollen bei den Ermittlungen übernimmt. Mit ihr wird sein Leben deutlich lebhafter, auch weil er nun jemanden hat, mit dem er über Literatur reden und gesellschaftliche Veranstaltungen des College besuchen kann. Obwohl Peter Shandy von Natur aus ein sparsamer Mensch ist, liebt er es, für seine Helen Geld auszugeben. Eine weitere kleine „Macke“ von ihm ist seine Leidenschaft fürs Zählen, sehr liebenswert und harmlos – und sehr praktisch, wenn man wissen will, wie viele Murmeln ursprünglich in einer Schale lagen. 😀 Achja, Peter und Helen sind übrigens Katzenliebhaber, und als eine kleine Grautigerdame bei ihnen einzieht, wird sie nach Jane Austen benannt!
Eine Figur wie Peter Shandy würde allerdings nicht so gut wirken, wenn sie nicht in einer so außergewöhnlichen Umgebung zuhause wäre. Das Balaclava College wird von Thorkjeld Svenson geleitet, der – wie so viele andere in Balaclava County – schwedische Wurzeln hat. Der College-Präsident ist ein wahrer Riese, dessen konsequente Führung die landwirtschaftliche Ausbildungsstätte zu einer einzigartigen Institution gemacht hat. An diesem College wird praktische Arbeit großgeschrieben und die Studenten werden hart rangenommen. Doch wer sich während seines Studiums beweist, der bekommt auch großzügige Unterstützung durch das College, wenn er einen eigenen Hof aufbauen will. Svenson war es auch, der dafür gesorgt hat, dass das College (ebenso wie die anliegende Ortschaft) durch ein Biogaskraftwerk beheizt wird, welches aufgrund der College-eigenen Nutzvieh-Zuchtbetriebe und Landwirtschaft immer genug Treibstoff hat.
Zu Peter Shandys Bedauern sorgt Svensons praktische Denkweise auch dafür, dass Peter sehr schnell zum College-Detektiv ernannt wird, so dass nun jede vermisste Zuchtsau (die arme hochtragende Sau Belinda!), jeder mysteriöse Vorfall (warum schleppt Kater Edmund Professor Ungleys Toupet ins Haus?) und jedes kriminelle Vergehen (wer hat die Seifenfabrik gesprengt?) von ihm untersucht werden muss. Mir haben die Bücher rund um Peter Shandy immer ungemein viel Spaß gemacht – und ich kann sie auch nach all den Jahren immer wieder lesen! Leider kann man die Romane nur noch gebraucht bekommen, da „DuMonts Kriminal-Bibliothek“ (in der man noch so viele andere tolle Autoren finden konnte) nicht mehr veröffentlicht wird. Aber wenn ihr mal (vielleicht über die Bibliothek?) einen der Bände in die Finger bekommt, dann erwarten euch viele liebenswerte Charaktere, skurrile Szenen, unterhaltsame Kriminalfälle und wunderbar amüsante Lesestunden!
Peter-Shandy-Romane von Charlotte MacLeod:
1) Schlaf in himmlischer Ruh‘
2) … freu dich des Lebens
3) Über Stock und Runenstein
4) Der Kater lässt das Mausen nicht
5) Stille Teiche gründen tief
6) Wenn der Wetterhahn kräht
7) Eine Eule kommt selten allein
8) Miss Rondels Lupinen
9) Aus für den Milchmann