Auf „Malcolm Max“ bin ich durch das Heft zum Gratis-Comic-Tag aufmerksam geworden und als ich vor einigen Wochen im Comicladen war, musste das Album gleich gekauft werden, als ich es in der Auslage fand. Mit der Inhaltsangabe mache ich es mir mal wieder leicht und zitiere den Klappentext des Verlags:
„Malcolm Max und seine wagemutige Begleiterin Charisma kommen anno Domini 1889 in London eigenartigen Ereignissen auf die Spur, die sich negativ auf ihre Lebensspannen auszuwirken drohen. Im Flackerlicht der Gaslaternen nimmt eine Serie grausamer Frauenmorde, die mit der Hinrichtung des Mörders „Der Poet“ eigentlich ein Ende gefunden haben sollte, ihre Fortsetzung. Dieses Bluttaten stehen möglicherweise im Zusammenhang mit den Leichendiebstählen, die Malcolm Max im Auftrag der Geheimloge „Custodes Lucis“ untersucht. Schon bald erfahren der Vampirjäger und die Halbvampirin am eigenen Leib, wie schnell aus Jägern Gejagte werden können.“
So gern ich die Zeit des ausklingenden 19. Jahrhunderts mag, so selten läuft mir ein Comic über den Weg, der in diesem Zeitraum spielt und dessen Inhalt mir zusagt. Genauso bin ich normalerweise extrem skeptisch, wenn Comics von deutschen Zeichnern und Autoren geschaffen werden, denn da habe ich in den letzten Jahrzehnten erschreckend wenige gefunden, die mir gefallen haben (vor allem bei denen, die es zur Verlagsveröffentlichung schafften). Mit „Malcolm Max“ hingegen habe ich ein Album gefunden, bei dem mich sowohl die Geschichte als auch die Zeichnungen sehr ansprechen.
Vielleicht liegt es daran, dass der Autor Peter Mennigen zwar Erfahrungen mit dem Schreiben von Comics hat, aber die Figur Malcolm Max ursprünglich für eine Hörspielreihe entwickelte. Für den Zeichner Ingo Römling hingegen ist dieses Album die erste Comicveröffentlichung, da er sonst – laut Verlagsangabe – vor allem im Bereich Cover-Design für Bands unterwegs ist. Diese beiden Punkte könnten der Grund sein, warum ich „Malcolm Max – Body Snatchers“ so gern gelesen habe. Ich hatte das Gefühl, ich bekomme hier eine qualitative (wenn auch leider nicht in sich abgeschlossene) Geschichte voller – für einen Comic – ungewöhnlicher Elemente geboten.
Die Protagonisten werden eher gemächlich eingeführt, und auch Nebenfiguren, die innerhalb dieses Bandes schon zu Tode kommen, bekommen einigen Raum, um dem Leser näher gebracht zu werden. Mir persönlich gefällt das sehr gut, weil es die Erschaffung von komplexeren Charakteren ermöglicht, statt sofort jedem Klischee zu verfallen, weil es eben für einen Autoren leichter ist, mit vertrauten Konzepten in aller Kürze eine Handlung zu erzählen. In einigen Rezensionen habe ich nicht nur Kritik an diesem Umgang mit Figuren gefunden, sondern auch an der eher textlastigen Erzählweise. „Malcolm Max“ ist wirklich ein Comic mit viel Text und lässt sich nicht mal eben durchblättern. Aber auch das finde ich stimmig und richtig, denn durch die Verwendung einer etwas umständlichen, beschreibenden und sich auch mal wiederholenden Sprache fühlen sich sowohl die Dialoge als auch die Passagen, die durch einen allwissenden Erzähler präsentiert werden, dem viktorianischen Zeitalter angemessen an.
Neben den beiden Hauptsträngen der Geschichte, bei denen es einerseits um Leichenraub und andererseits um ermordete Frauen geht, deren Leichen an exponierten Orten von ihrem Mörder zur Schau gestellt werden, gibt es immer wieder unterhaltsame Episoden, die auf reale oder fiktive Personen verweisen. So leben zwei Mädchen, die Malcolm Max kennen, in der Baker Street und haben von dem dort lebenden Detektiv einiges gelernt, während eine in dem Comic vorkommende Journalistin an die Frauenrechtlerin Emmeline Pankhurst angelehnt wurde.
Solche Elemente sorgen ebenso wie die tollen Zeichnungen für eine stimmungsvolle Atmosphäre. Die von Ingo Römling geschaffenen Figuren sind zum Teil etwas überzeichnet – so hat Malcolm in einigen Panels ein wirklich extrem schmales (und so sehr britisch wirkendes) Gesicht, aber immer in einem Rahmen, der sie nicht entstellt, sondern stattdessen ihre besondere Eigenschaften betont. Auch mit der Gestik und Mimik der Charaktere kann der Zeichner überzeugen, ebenso wie mit den vielen kleinen Details und den sehr schönen Hintergründen. Dazu kommt noch eine Farbgebung, die auf der einen Seite an alte sepiafarbene Fotos erinnert und auf der anderen Seite der düsteren und bedrohlichen Stimmung der im nebeligen London spielenden Geschichte gerecht wird. Ergänzt wird dieser Comic noch durch einen ausführlichen Anhang mit Details zur Entstehung des Comics, den Figuren, den unterschiedlichen Vorbildern und Inspirationen und Zeichnungen.
Fall es bis jetzt noch nicht klar geworden ist: Mir hat dieses Album wirklich richtig gut gefallen! Umso bedauerlicher finde ich es, dass der Splitter-Verlag bislang noch keinen Hinweis auf ein weiteres Album auf seiner Homepage gegeben hat. So bleibt mir nur zu hoffen, dass es nicht endlos dauert, bis die Abenteuer von Malcolm und Charisma fortgesetzt werden, damit ich irgendwann erfahre, wie es mit den beiden weitergeht.
Eigentlich bin ich ja gar kein Comic-Mensch, aber mit der Beschreibung dieses Bandes, hast du sogar mich neugierig gemacht … *seufz* Inhaltlich liegt die Geschichte ja wunderbar in meinem Beuteschema … Mal sehen, vielleicht wird das ja der erste Comic, den ich mir seit meiner Jugend kaufe?
Du kannst ja mal gucken, ob es dir zusagt, wenn du hier die ersten Seiten anguckst (http://www.splitter-verlag.eu/malcolm-max-bd-1-body-snatchers.html). Und vielleicht hast du sogar als "Nicht Comicleser" einen Vorteil, weil du im Gegensatz zu Comiclesern nicht bestimmte Elemente erwartest und dann enttäuscht bist, weil die Geschichte hier mal etwas anders dargeboten wird. Auf jeden Fall finde ich es toll, wenn ich jemanden mal auf ein anderes Genre oder ein anderes Medium neugierig machen konnte. 🙂
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