[Übersetzungsirritation] Kelly McCullough: Die zerborstene Klinge

Ich bin gerade auf Seite 130 von „Die zerborstene Klinge“ von Kelly McCullough und stolpere mal wieder über ein Wort. Der Roman bietet bis jetzt eine unterhaltsame Fantasygeschichte mit ein paar nicht so ausgelutschten Elementen und einer interessanten Welt. Ich bin bislang schon über den einen oder anderen Satz gestolpert, bei dem mir der Satzbau etwas zu sperrig war, so dass ich aus dem Lesefluss gerissen wurde, aber das möchte ich der Übersetzerin Frauke Meier nicht ankreiden, da das vermutlich am Originaltext liegt.

Bei folgendem Zitat aber habe ich wirklich ein Problem und vermute, dass da entweder ein falsches Wort oder – wie bei der Gschaftelhuberin – ein spezieller Dialekt verwendet wurde. Die Hauptfigur Aral hatte gerade eine unangenehm Unterredung in einer Kneipe und zieht sich nun auf ein nahe gelegenes Dach zurück.

„Als ich die Straße betrat, gähnte die Sonne dem Untergang schon entgegen, also kletterte ich eine nahe Wand empor und sah mich nach einem Plätzchen um, an dem ich mich windgeschützt niederlegen und auf die Dunkelheit warten konnte. Der Prozess veranlasste diverse Schnittwunden und Blutergüsse, lauthals nach meiner Aufmerksamkeit zu verlangen. In einer Nische mit steilen Wänden, die zwischen zwei Dachgauben auf der Leeseite eines Daches lag, fand ich eine vorübergehende Molle(S. 130)“

 Diese Molle irritiert mich wirklich. Abgesehen davon, dass das Wort „Molle“ nicht zu meinem aktiven Wortschatz gehört, habe ich immer gedacht, dass das so etwas wie „Mulde“ bedeutet. Aber eine „vorübergehende Mulde“ ergibt wenig Sinn. Online habe ich bei einer schnellen Suche als Begriffserklärung  „Backtrog“ und „Bier“ gefunden – oh, und auf italienisch soll molle angeblich „locker“ bedeuten.

Edit: Oh, und da kommt die „Molle“ schon wieder vor:

„Und ich kannte einen passenden Ort, doch den konnte ich nicht aufsuchen, ohne vorher einen kurzen Abstecher zu meiner Hauptmolle im Stall des „Greifen“ zu unternehmen.“ (S. 131)

(Der „Greifen“ ist das Gasthaus, in dem unser „Held“ in den letzten Jahren wohnte.)

Vielleicht kennt ihr ja noch weitere Bedeutungen für „Molle“, die in diesem Zusammenhang etwas mehr Sinn ergeben?

16 Kommentare

  1. Ich glaube, ich habe im "Deutschen Universalwörterbuch" von Duden die Antwort auf deine Frage gefunden. Dort steht als weitere Bedeutung von Molle (neben "Glas Bier" (berlinerisch) und "Mulde, Backtrog") nämlich noch "Bett" (sächsisch). Und das würde vom Kontext her ganz gut passen, oder?

    Ich finde es übrigens auch sehr schwierig, wenn in Büchern ohne konkreten Grund Regionalwortschatz verwendet wird. Das macht es Lesern, die aus anderen Gegenden kommen, wirklich schwer. Ich hätte bei den beiden Zitaten auch erst mal den Kopf geschüttelt. Vermutlich geht es den Lesern in Sachsen mit typisch süddeutschen Begriffen, die mir wieder völlig geläufig sind, auch so.

    Also lieber eine deutschlandweit bekannte umgangssprachliche Form wählen, würde ich meinen …

  2. Mein erster Impuls war auch Mulde in der Bedeutung von Schlafstatt in Form einer Kuhle oder Mulde. Bei Wiktionary habe ich dann gefunden, dass "Molle" im sächsischen für Bett stehen soll. Das ergibt Sinn.

    Nur, ähnlich wie bei der Gschaftshublerin ist Molle, wie ich finde, keine gute Übersetzungswahl, da lokal bzw. dialektmäßig eingeschränkt und unbekannt. In einem Reginalroman mit Begriffserläuterng am Ende fände ich das okay, in vorliegenden Fall fände ich eine andere Lösung besser.

    Übrigens finde ich auch die übrigen in dem Absatz zitierten Sätze etwas eigenwillig.

  3. Danke für eure (frühen!) Antworten! 🙂

    "Bett" macht auf jeden Fall deutlich mehr Sinn. Allerdings gab es noch weitere Verwendungen des Wortes "Molle" – unter anderem als "Geheimmolle" – und die haben mich inzwischen darauf gebracht, dass die Übersetzerin das Wort eher als "Versteck" interpretiert. Mit der Bedeutung würde es bei jedem der Sätze Sinn machen, während das "Bett" von mir in manchen Zusammenhängen nicht so ganz stimmig empfunden wird.

    Ich ärgere mich inzwischen jedes Mal, wenn ich über solch spezielle regionale Wörter in Übersetzungen stolpere. (Und wenn die dann auch noch ungewöhnlich/unpassend verwendet werden, dann werde ich richtig fuchtig.) Auch wenn es gewiss schwierig ist, wenn man täglich Dialekt spricht, sich bewusst zu machen, dass das verwendete Wort überhaupt Dialekt ist, so macht es das Lesen für Leute aus anderen Regionen doch recht unangenehm. Da wünschte ich mir manchmal, es würde zumindest ein Korrekturleser noch einmal eingreifen.

  4. @Natira: Mir kommen da auch so einige Sätze eigenwillig vor. Der Satzbau ist recht oft keiner, der mir persönlich natürlich vorkommt und hier und da fehlt für mein Gefühl ein Halbsatz, der noch etwas erklärt oder den Satz im Deutschen "rund" macht. Wobei mein Mann meint, dass ich mich da anstelle und das grammatikalisch alles okay ist. 😉

  5. @Natira: Ich seh gerade, dass bei deinem Link angegeben ist, dass in der Schweiz der Begriff mit "Nest" gleichgesetzt wird. Das würde auch noch passen.

  6. Also dem Untergang entgegengähnen ist schon speziell und auch die Konstruktion mit den Abschürfungen etc. die der Aufmerksamkeit bedürfen. Gab es diese Wunden schon oder hat er/sie sich erst bei der Kletterei zugezogen?

    Ich finde es auch eigenwillig, dass in einem Satz Leeseite und Molle zu finden sind: Sowohl Lee als auch Molle sind jeweils regionale Begriffe, wobei die Übesetzerin voraussetzt, dass der Leser beide Regionen (und Bedeutungen) kennt – man kann natürlich auch einfach drüber mit einem Schulterzucken hinweglesen und sich nicht nach der jeweiligen Bedeutung fragen ;/

  7. @Natira: Die Wunden gab es schon, er war am Tag vorher in einen heftigen Kampf geraten und hätte eigentlich etwas Schonung benötigt. Im Zusammenhang klingt es also nicht so schräg. 🙂

    Leeseite finde ich jetzt nicht ganz so speziell. Es ist ja weniger ein regionaler als ein Fachbegriff. Aber man hätte natürlich einfach windabwandte schreiben können.

    Für mich sticht die "Molle" auch deshalb besonders hervor, weil der Autor in diesem Fantasyroman erst einmal eine Menge Begriffe verwendet, die zu seiner speziellen Welt gehören und die man als Leser erst einmal hinnehmen muss, weil einem die Zusammenhänge und genauen Bedeutungen erst im Laufe der Geschichte erklärt werden. Damit kann ich aber gut leben, weil eigentlich immer klar ist, dass das jetzt ein spezieller Begriff für eine Bevölkerungsgruppe, bestimmte Magier oder einen Orden ist, während die Molle eben nicht aus dem Zusammenhang heraus für mich erschließbar war.

  8. Hilft zwar jetzt nicht mehr, hatte ich aber auch noch nie gehört.

    Ich bin ebenfalls der Meinung, dass man auf unbekannt(er)e regionale Wörter bei der Übersetzung verzichten sollte. Allerdings kann es natürlich vorkommen, dass dem Übersetzer/Lektor das Wort so geläufig ist, dass er es gar nicht mehr als regional wahrnimmt. Kenn ich von mir selbst auch … 😉

  9. Irina, ich finde, dass es verlagsintern die Regel geben sollte, dass Übersetzer (oder Autor) und Lektor/Korrekturlese nicht aus der gleichen sprachlichen Region kommen dürfen. 😀 Aber das würde ja voraussetzen, dass sich der Verlag noch darum kümmert, dass es auch mehrere Arbeitsschritte auf seiner Seite mit dem Text gibt. 😉

  10. Ich denke auch, dass Lee und Luv eher zum allgemeinen Sprachgebrauch gehören als Molle oder Gschaftshuberin. Vielleicht bin ich zu perssimistisch eingestellt, aber ich glaube nicht, dass deswegen von Leser zugleich gewusst wird, was davon windzu- bzw, abgewandt bedeutet. Ich habe ewig gebraucht, um mir den Unterschied zu merken, aber nat. sollte ich nicht von mir auf andere schließen.

    Die Empfehlung, immer Übersetzer u. Lektor aus verschiedenen sprachlichen Regionen einzusetzen. finde ich gut, aber irgendwie glaube ich, Irinas Reaktion darauf ist ziemlich realistisch. 😉

  11. Ich glaube nicht, dass du da zu pessimistisch bist und ich bin grundsätzlich für eine klare und verständliche Sprache. Auf der anderen Seite finde ich auch, dass man als Leser schon mal gefordert werden darf – solange es sich um Wörter handelt, die man mit einem Blick in den Duden oder ins Lexikon erklärt bekommt. 😉

    Jaha, ich fürchte auch, dass Irina das richtig sieht …

  12. Ich finde die Erklärungen hier sehr praktisch – bei mir subt das Buch nämlich seit kurzem und von Molle habe ich bis dahin noch nie etwas gehört. 😉

  13. Du wirst lachen, aber ich habe das Buch heute früh ausgelesen und bin am Ende auf ein Glossar gestoßen, in dem die Molle sogar erklärt wird. 😀 Dort wird die Molle als "Ruheplatz oder Wohnstätte" beschrieben. *g* Außerdem erklärt der Anhang Dinge, die schon im Text erklärt werden, während nicht ganz so geläufige Begriffe (z.B. für eine koreanische Waffe) nicht erläutert werden. O_o

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