Dies und Das (3): Bohren-Konzert

Nachdem meinem Mann und mir vor kurzem aufgefallen war, dass wir in all den Jahren unserer Beziehung noch nie gemeinsam bei einem Konzert waren, mussten wir das endlich mal ändern. Auf meine Musik hat er in der Regel keine Lust, während ich seine Musik zum Teil nur mit körperlichem Unwohlsein hören kann. Mit „Bohren und der Club of Gore“ fanden wir aber einen gemeinsamen Nenner – er mag die Band seit Jahren, ich entdecke diese ruhige, jazzartige, melancholische und beinahe meditative Musik gerade erst für mich.

Als wir aufbrachen, fiel mir erst einmal wieder auf, wie selten ich noch abends ausgehe. Ich bin so sehr aus der Übung, dass ich ganz nervös werde und natürlich viel zu früh starte. Und so war die Fahrt im Dunklen über die Autobahn auch erstaunlich anstrengend, obwohl mein Mann den perfekten Kartenleser abgab. 😉 Vor dem Veranstaltungsort – eine Halle, die von der Architektur her sehr an einen riesigen Übersee-Container erinnerte – angekommen, standen wir noch vor unserem Auto als wir schon von einem Passanten (gekleidet in ein „Gegen Nazis“-Shirt) gefragt wurden, ob er hier am richtigen Ort sei. Daraufhin entspann sich ein etwas seltsames, aber auch nettes Gespräch über den jeweiligen Herkunftsort (alle miteinander von weit weg zugereist :D), das Leben auf dem Land (keine Nachbarn, die sich bei Partys beschweren, dafür muss man sich nachts den Weg mit der Taschenlampe suchen) und ähnliche Sachen, bis der Typ seine Begleitung aus dem Auto holen ging.

Wir gingen dann schon mal ins Foyer und nicht nur anhand der Wartenden konnte man schon feststellen, dass die Örtlichkeit etwas alternativ und links angehaucht war (so seltsam es klingt, allein anhand des Geruchs beim Öffnen der Tür hätte ich das schon sagen können), auch wenn das Konzertpublikum an sich ein breites Spektrum bot. Kurz darauf wurde der Einlass schon freigegeben und wir suchten uns einen bequemen Sitz mit gutem Blick auf die Bühne. Sitz-Konzerte sind ja immer so eine Sache, aber in diesem Fall ist ein bequemer Stuhl wirklich angebracht, da die Musik tatsächlich sehr ruhig ist.

Kaum saßen wir, setzte sich neben uns ein Paar – Mitte bis Ende 50 – und erkundigte sich bei meinem Mann, was für Musik denn für den Abend zu erwarten sei, sie hätten von der Band noch nie was gehört … Und dann versuchte mein Mann Worte zu finden, um die sehr langen und hallenden Töne, den sehr speziellen Sound, die Atmosphäre und das Besondere an „Bohren und der Club of Gore“ zu beschreiben, während sich wenige Minuten später jemand aus der Reihe davor umdrehte, zustimmte oder ergänzte – und man doch das Gefühl hatte, dass das Paar sich noch keine Vorstellung von dem Ganzen machen konnte. Was eigentlich kein Wunder war.

Beim Reinkommen sah man schon die halbdunkle Bühne, auf der die Instrumente nur minimal beleuchtet waren. Als das Konzert dann anfing, verschwand auch dieses Licht, während die Musiker mit einer Taschenlampe in der Hand den Weg suchten – und viel heller wurde es das ganze Konzert über nicht. Winzig kleine farbige Strahler sorgte für genügend Licht, dass die Künstler ihre Instrumente spielen und bei Bedarf von einem Platz zum anderen wechseln konnten, während fast 1 1/2 Stunden lang der ganze Raum nur von der Musik erfüllt war. Es fällt mir wirklich schwer, die Musik zu beschreiben – Natira gegenüber habe ich sie vor kurzem als „Blaue Stunden“-Musik bezeichnet und beim Konzert gab es ein Stück, bei dem ich dachte, dass es perfekt wäre für einen dialog-armen französischen Film (gibt es dialog-arme französische Filme?), der in einem fahrenden Zug bei strömendem Novemberregen spielt. Die Stücke haben etwas Noir-Artiges, Melancholisches, aber auch beruhigend Meditatives, wenn man sich erst einmal darauf einlässt. Es ist spannend, wenn man so bewusst die einzelnen Töne wahrnehmen kann und trotzdem das Zusammenspiel der Instrumente so präsent ist.

Ich gehe sonst gern auf Konzerte, bei denen man rumspringt und tanzt und mitsingt und sich richtig auspowert, und das hier war genau das Gegenteil davon. Nach diesem Abend mit „Bohren und der Club of Gore“ hatte ich eher das Gefühl, ich hätte Energie getankt, wäre ein bisschen mehr bei mir angekommen und hätte Stress abladen können. Ein ziemlich schönes Gefühl war das und ist es immer noch – gerade weil es den anderen Zuschauern ebenso zu gehen schien und das Ganze so noch intensiver wirkte.

8 Kommentare

  1. Das klingt doch wunderbar!

    Aber ich kann ja kaum glauben, dass Ihr noch nie zusammen auf einem Konzert wart! Seit wie vielen Jahren???? *ts, ts* … Das kommt davon, wenn frau nur liest. :o))

  2. Es war auch wunderbar. 🙂 Gut 13 Jahre sind wir jetzt zusammen – es wurde wirklich Zeit, dass wir das mal auf die Reihe bekamen. *g* Aber unser Musikgeschmack ist wirklich nicht so kompatibel, deshalb gehe ich dann eher mit Freundinnen oder meine Schwägerin ins Konzert.

  3. Meditativ und entspannend waren ja auch die ersten Worte, die mir beim Probestück in den Sinn kamen. 🙂
    Hm, dialogarmer französischer Film..Wenn der Erzähler weniger durch den Film führt, fällt mir Amelie ein, aber die Musik passt wohl nicht in diesen speziellen Film. 😉

    Das war ja ein wunderbares Erlebnis und so habt Ihr zwei mindestens eine Gruppe, deren Konzerte ihr immer gemeinsam besuchen könnt.

    btw: Viel Spass heute abend!

  4. @Natira: Ich bin ja gespannt, was du dazu sagst, wenn du erst einmal etwas mehr von Bohren gehört hast. 🙂 Äh, nein, dazu passt die Musik wohl nicht. 😀

    Ja, das war es – und ich hoffe sehr, dass das nicht unser letztes gemeinsames Konzert war.

    Danke! Ich freu mich schon – es ist so cool, dass wir ein Kino gefunden haben, in dem der Film läuft.

  5. @Julia: Da die Band aus Mülheim a. d. Ruhr stammt, bin ich sicher, dass sie in für dich erreichbarer Nähe auch Konzerte geben. Du könntest es ja einfach mal ausprobieren. 🙂

  6. Ui, ich glaube, mein Musikgeschmack wär das nicht. Ich mags lieber rockiger. 😉

    Aber Hauptsache, ihr beide hatte einen schönen Abend!

  7. @Hermia: Normalerweise gehe ich auch eher auf Konzerte, bei denen ich mich auspowern kann. 😀 Aber das war doch mal eine ungewohnte und spannende Abwechslung. 🙂

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