„Moonshine“ von Jasmine Gower saß drei Jahre auf meinem SuB, bis ich es endlich auf die Reihe bekam, den Roman zu lesen, obwohl ich das Versprechen auf eine fantastische Geschichte mit einer Flapper-Protagonistin eigentlich sehr reizvoll fand. Laut Klappentext spielt die Handlung in einer fantastischen Version des 1920er-Chicago. Wobei ich vermute, dass der Vergleich vor allem deshalb gewählt wurde, weil Chicago so sehr mit organisiertem Verbrechen in Verbindung gebracht wird. Für mich fühlte sich der Schauplatz Soot City beim Lesen an, als wäre er deutlich weniger „großstädtisch“ und industriell, als es Chicago in den 1920er Jahren war, aber wenn ich von diesem Punkt absehe, habe ich die versprochene Flapper-Fantasy-Geschichte bekommen, die im Klappentext angekündigt wurde.
Die Protagonistin Daisy ist ein „Modern Girl“ – selbstständig, selbstbewusst, geht mit der Mode und ist wild entschlossen, sich ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, auch wenn das nicht immer einfach ist. So freut sie sich zu Beginn des Buchs sehr darüber, dass sie einen neuen Arbeitsplatz als Sekretärin gefunden hat, und bleibt auch bei ihrem neuen Arbeitgeber, als sie herausfindet, dass dieser eine Scheinfirma betreibt. Diese Firma dient dazu, die Einnahmen zu waschen, die durch Mana-Schmuggel und eine Flüsterkneipe in Soot City produziert werden. Denn obwohl Magier in Soot City relativ ungestört leben können, ist die Ausübung von Magie und erst recht der Vertrieb von Mana, das von den Magiern benötigt wird, verboten. Was natürlich dazu führt, dass es einen blühenden illegalen Handel mit diesem magischen Stoff gibt – vor allem, da dieser bei Nichtmagiern zu rauschartigen und süchtig machenden Zuständen führt. Daisy nimmt es recht gelassen hin, dass sie nun für eine Gruppe von Verbrechern arbeitet, und freundet sich schnell mit ihren neuen Kollegen an. Als dann aber jemand Anschläge auf Daisy und ihre Freunde verübt, muss sie entscheiden, ob sie es riskiert, dass jemand von ihrer ganz eigenen Magie erfährt, während sie diese zum Schutz der anderen einsetzt.
Es gab viele Elemente, die ich an „Moonshine“ wirklich mochte. Mir gefiel das Setting in Soot City, einer Stadt, die durch die vielen Vulkane in der Nähe ständig voller Ruß ist, deren Technologien auf der Ingenieurskunst von Ogern basieren (über diesen Teil hätte ich gern noch viel mehr erfahren) und die sich fast täglich weiterentwickelt – was gerade für die ärmeren Bewohner der Stadt auch mit einigen Ängsten und Verlusten einhergeht. Mir hat es auch zugesagt, dass die Autorin ganz selbstverständlich unterschiedliche queere Figuren in ihrer Geschichte vorkommen lässt, ohne dass ihre Queerness dabei wirklich ein Thema wäre. Und mir hat es gefallen, dass die Handlung nicht nur aus Daisys Perspektive, sondern auch aus der von Ming erzählt wird – gerade weil Ming überraschend sympathisch ist, obwohl sie die Assassinin ist, die Daisy und ihre Freunde bedroht.
Allerdings gab es auch einige Punkte, die mir persönlich nicht so gut gefallen haben. So fand ich Daisy ein bisschen zu perfekt, ein bisschen zu gelassen, wenn es um die Verbrechen ihrer Kollegen ging, und ein bisschen zu „einzigartig“, was ihre Magie anging. Auch gefiel es mir nicht, dass es für Daisy und ihre Freunde überhaupt kein Problem zu sein scheint, dass eine von ihnen nur so lange eine bezaubernd charismatische Persönlichkeit an den Tag legt, wie alles nach ihren Wünschen abläuft. Dieselbe Person wird wenig später im Buch als jemand beschrieben, der so engagiert dabei ist, wenn es darum geht, jemanden zu foltern, dass sie schnell mal Grenzen überschreitet. Ich kann verstehen, dass Daisy diese Person anfangs toll findet, aber spätestens zu dem Zeitpunkt, an dem sie von der „dunkleren Seite“ dieser Figur erfährt, erwarte ich, dass sich ihr Verhältnis zu diesem Charakter ändert – vor allem, da Daisy sonst immer als jemand dargestellt wird, der bestimmte moralische Regeln nicht überschreiten würde. Der letzte Punkt, der mich nicht überzeugen konnte, war die „Liebesgeschichte“, die sich zwischen Daisy und ihrem Vorgesetzten entwickelt. Es wird zwar immer wieder von ihren Kolleginnen gesagt, dass er etwas für Daisy zu empfinden scheint, aber das hat nicht dafür gereicht, dass ich das Gefühl bekam, dass sich da eine Art von Beziehung entwickeln würde.
Trotz dieser Kritikpunkte habe ich mich wirklich gut von „Moonshine“ unterhalten gefühlt und den Roman gern gelesen. Mir hat die ungewöhnliche Herangehensweise von Jasmine Gower an eine solche Geschichte gefallen, ich hätte gern noch viel mehr über ihre fantastische Welt erfahren, und es gab einen Haufen (Neben-)Charaktere, die ich wirklich ins Herz geschlossen habe. Ich hoffe, dass ein paar der Dinge, die mir negativ aufgefallen sind, darauf zu zurückzuführen sind, dass „Moonshine“ der Debütroman der Autorin war, was mir die Hoffnung gibt, dass sie in einer weiteren Veröffentlichung eine – für mich – rundere Darstellung ihrer Charaktere präsentieren wird. Insgesamt wäre ich definitiv bereit, zu einer Fortsetzung von „Moonshine“ zu greifen, weil ich wirklich gern noch mehr Geschichten rund um Soot City und all die Entdeckungen rund um Magie, die in diesem Roman gemacht wurden, lesen würde. Da aber bislang noch keine Fortsetzung in Sicht ist, können wir wohl leider davon ausgehen, dass es keine weiteren Bücher in diese Welt von Jasmin Gower geben wird.