„The Mysterious Misadventure of Clemency Wrigglesworth“ von Julia Lee gehört zu den eBooks, die ich in den letzten Wochen auf meinem eReader gefunden habe und von denen ich keine Ahnung mehr habe, wann oder warum ich sie gekauft habe. Um mehr über das Buch herauszufinden, habe ich die ersten Seiten angelesen und hatte dann die Protagonistin Clemency so sehr ins Herz geschlossen, dass ich einfach dabeigeblieben bin. Clemency ist elf Jahre alt, als sie in Bombay ein Überseeschiff betritt. Da sie eine gültige Fahrkarte hat, kann man ihr die Überfahrt nicht verweigern, obwohl es unüblich ist, dass ein Mädchen in ihrem Alter allein unterwegs ist. Clemency reist von Indien nach England, in der Hoffnung, dass sie dort Verwandte findet, die bereit sind, sich nach dem Tod ihrer Mutter um sie zu kümmern. Für die Dauer der Reise übergibt sie der Kapitän des Schiffes in die Obhut von Mrs. Potchard, die sich nach ihrer Ankunft in England darum kümmert, dass Clemency erst einmal in der Pension ihrer Schwester Hetty Marvel unterkommt.
Einige Wochen lang scheint sich niemand auf die von Mrs. Potchard geschaltete Anzeige hin zu melden, um Clemency abzuholen, bis die unfreundliche Mrs. Clawe in der Pension auftaucht und das Mädchen mitnimmt, ohne auch nur ein Wort mit Clemencys Pensionswirtin zu wechseln. Am nächsten Tag findet sich Clemency als Spülmagd in dem Herrenhaus Great Hall wieder, während sich Mrs. Potchard, ihr Sohn Gulliver, ihre Schwester Hetty und deren Tochter Whitby fragen, was aus ihrem Schützling geworden ist. Ich habe mich beim Lesen gut mit Clemency und der Familie Potchard/Marvel amüsiert, muss aber auch zugeben, dass die Geschichte mich nicht so sehr gepackt hat, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen mochte. Ich habe die Erzählweise der Autorin genossen und die vielen Szenen, in denen etwas passiert, das – da der Leser die Hintergründe noch nicht kennt – skurril wirkt, und die Momente, in denen Clemencys Temperament mit ihr durchging. Aber ich habe an keiner Stelle um die Figuren bangen müssen oder mich gefragt, was wohl als Nächstes kommen würde. Selbst wenn es Clemency nicht gutging, hat Julia Lee mir die ganze Zeit vermittelt, dass es genügend Personen gibt, die sich Sorgen um das Mädchen machen und einfallsreich genug sind, um auch wirklich etwas zu bewegen.
Die Autorin sorgte zwar immer wieder dafür, dass in Gesprächen deutlich wurde, welche schrecklichen Gefahren Clemency theoretisch erwarten (angefangen von der Abschiebung in ein Waisenhaus über das Erfrieren im Straßengraben bis hin zu skrupellosem Mord), aber es gelang Julia Lee leider trotzdem nicht, dass ich mich ernsthaft um Clemencys Wohlergehen sorgte. Stattdessen hatte ich kein Problem, das Buch aus der Hand zu legen, obwohl die Protagonistin gerade vor einer kritischen Situation stand, oder mal eben zurückzublättern, um meinem Mann einen besonders hübsch formulierten Satz vorzulesen. So ist es vor allem der Tatsache, dass ich wirklich viele Passagen aufgrund ihrer Formulierung genossen habe, zu verdanken, dass ich überlege, ob ich noch weitere Geschichten der Autorin lesen mag. Es gibt einen Titel, der sich um Mrs. Potchards Sohn Gulliver dreht, so dass ich noch etwas bei dieser sympathischen Familie bleiben könnte. Oder ich greife zu einer ihrer Nancy-Parker-Detektivgeschichten und schaue, ob Julia Lee dort vielleicht die Handlung spannender erzählt.