T. Kingfisher: The Hollow Places

Auch wenn mein Blog „Alles außer Lyrik“ heißt, so antworte ich doch normalerweise auf die Frage, was ich lesen würde, mit „Alles außer Horror“. Aber ab und an mache ich eine Ausnahme und greife doch zu einer Horrorgeschichte – entweder weil diese ein Klassiker ist und ich das Gefühl habe, ich sollte sie mal gelesen haben, oder weil diese von einer Person geschrieben wurde, bei der ich darauf vertraue, dass die Geschichte insgesamt so gut ist, dass ich es als passenden Ausgleich für die damit einhergehenden Albträume empfinde. Und da ich von T. Kingfishers (bzw. Ursula Vernons) „The Hollow Places“ in den letzten Monaten sehr viel Gutes gehört habe und die gelesenen Bücher der Autorin bislang eigentlich alle mochte, habe ich einen Versuch mit dem Titel gewagt. Ich kann schon mal vorwegnehmen, dass ich all den lobenden Stimmen recht geben kann: Die Geschichte ist sehr gut, sehr unheimlich und überraschend amüsant!

Erzählt wird die Handlung aus der Perspektive von Kara, die frisch geschieden ist und deshalb übergangsweise zu ihrem Onkel Earl zieht. Onkel Earl ist nicht nur ein wirklich liebenswerter Mensch, der sich schon früher liebevoll um seine Nichte gekümmert hat, sondern er benötigt auch jemanden, der sein „Glory to God Museum of Natural Wonders, Curiosities, and Taxidermy“ führt, während er sich einer Knieoperation unterziehen muss. Kara ist ganz zufrieden damit, tagsüber für das Museum verantwortlich zu sein und später am Abend als freiberufliche Grafikerin zu arbeiten, während sie überlegt, wie es mit ihrem Leben weitergehen soll. Doch dann hinterlässt einer der Besucher des Museums ein Loch in einer der Wände, und als Kara zusammen mit Simon, dem Barista des benachbarten Coffeeshops, den Schaden beseitigen will, entdecken sie einen Weg in eine andere Welt. Eine unheimliche Welt, die von Wesen bevölkert wird, die anscheinend Gedanken hören können, und je verängstigter die Person ist, die diese Gedanken denkt, desto stärker werden diese Wesen …

Inspiriert wurde die Autorin zu „The Hollow Places“ von „The Willows“ von Algernon Blackwood und da ich die Geschichte nicht kenne, kann ich nicht beurteilen, wie weit die Inspiration ging und ob sie eine ähnliche Atmosphäre getroffen hat. Mir hat die relativ ruhige Erzählweise in „The Hollow Places“ gefallen – und dass diese dazu geführt hat, dass ich mich ständig sorgte, was wohl als Nächstes passieren würde. Ich persönlich finde ja, dass es zu einer guten Horrorgeschichte gehört, dass meine Fantasie davon so sehr angeheizt wird, dass sie mir mehr gruselige Momente beschert als der Text, den ich gerade lese, und das war hier definitiv der Fall. Ich mochte auch das Verhältnis zwischen Kara und dem Barista Simon, das von einer entspannten Freundschaft geprägt wurde. Zu Beginn kennen sich die beiden noch gar nicht so gut, aber sie funktionieren gut zusammen in Gefahrensituationen, und die Dialoge zwischen diesen beiden Figuren haben regelmäßig dafür gesorgt, dass ich vor mich hinkichern musste, obwohl ich gleichzeitig um das Leben der beiden gefürchtet habe. Es war schön zu lesen, dass die beiden Figuren sich so akzeptierten, wie sie waren, und Halt darin fanden, dass sie nicht alleine all die bizzaren und beängstigenden Situationen erleben mussten.

Einige Rezensionen kritisieren, dass die Protagonistin erst sehr, sehr spät in der Geschichte merkt, welche Verbindung es zwischen dem Museum und der unheimlichen Welt, die sie dadurch erreichen kann, gibt. Mich persönlich hat es nicht gestört, dass sie dieses Element immer wieder übersah, weil die Autorin für mich glaubhaft aufgezeigt hat, dass Kara auf der einen Seite so sehr an die vielen skurrilen Objekte des Museums gewöhnt ist, dass sie sie nicht mehr als merkwürdig wahrnimmt, und auf der anderen Seite so viel um die Ohren hat, dass man so viel Aufmerksamkeit von ihr in stressigen Situationen nicht erwarten kann. Auch mit der ruhigen Erzählweise und der Tatsache, dass Kara und Simon immer wieder versuchen, ihre Situation und die Begebenheiten dieser anderen Welt(en) zu analysieren, hat T. Kingfisher meinen Geschmack getroffen. Für mich muss Horror weder actiongetrieben noch unappetitlich sein – ich finde eine langsam und atmosphärisch erzählte Geschichte definitiv beeindruckender, und „The Hollow Places“ fällt eindeutig in diese Kategorie.

2 Kommentare

  1. Meine Antwort auf die Frage, was ich lese, lautet auch immer „Alles außer Horror“. Allerdings habe ich gelernt, dass ich als sehr ängstlicher und zu Schlafstörungen neigender Mensch wirklich Horror meiden sollte wie der Teufel das Weihwasser. Schade, da der Roman interessant klingt. Schön, dass er für dich so ein Glücksgriff war!

    • Konstanze

      Bei mir geht es, solange ich die Horrorgeschichten tagsüber lese (also in meiner Mittagspause und wenn ich nachmittags früh genug auf dem Sofa lande) und dann spätestens gegen 17 Uhr zu einem weniger beängstigenden Genre wechsel. Direkt vor dem Schlafengehen kann ich Horror auch nicht lesen und ich muss zugeben, dass ich in der Regel Horror auch zu unschön finde, um so eine Geschichte wirklich zu beenden. Seanan McGuire/Mira Grant mit ihrem Wissenschaftshorror, Ursula Vernon/T. Kingfisher mit ihrem Humor und Barbara Hambley, deren Geschichten ich nicht wirklich als „Horror“ empfinde, scheinen hingegen die Ausnahmen zu sein, deren Horrorveröffentlichungen ich sogar (in gewisser Weise) genießen kann.

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