K. L. Going: Voll daneben (Ein unmöglicher Roman)

„Voll daneben“ von K. L. Going habe ich schon vor einiger Zeit gelesen und den Roman so gut in Erinnerung behalten, dass ich doch noch einen Blogbeitrag dazu schreiben will. Für mich war das Jugendbuch an einem Nachmittag zu lesen, die Geschichte ist nicht so anspruchsvoll und stellenweise sogar vorhersehbar, aber trotzdem hat es mir sehr gut gefallen und mich bei manchen Szenen sehr nachdenklich gemacht.

Die Hauptfigur Liam Geller scheint ein beneidenswertes Leben zu führen. Er kommt aus reichem Haus, sieht gut aus und ist sportlich. Seine Mutter Sarah war mal ein weltbekanntes Model, während sein Vater Allan ein Geschäftsmann ist, der einfach immer Erfolg hat. Schon als kleines Kind hat Liam alles dafür getan, dass seine Eltern stolz auf ihn sind. Doch so richtig hat das nie geklappt. Höhepunkt von Liams Verfehlungen ist der Tag, an dem der Junge von seinem Vater dabei erwischt wird, wie er volltrunken versucht einer Mitschülerin auf dem väterlichen Schreibtisch näher zu kommen. Beide Beteiligten sind so gut wie nackt – und die ganze Situation gibt genügend Anlass zum Fremdscham. Und trotzdem schwingt schon bei dieser ersten Szenen mit, dass Liam nicht einfach ein verantwortungsloser reicher Junge ist, sondern dass hinter seinem Benehmen deutlich mehr steckt.

Für seinen Vater Allan hingegen ist dies der Tropfen, der das Fass überlaufen lässt, und so setzt er seinen Sohn vor die Tür. Während Liam keine Ahnung hat, was nun aus ihm werden soll, organisiert seine Mutter eine Unterkunft bei Liams Onkel Pete. Pete ist der ältere Bruder von Allan Geller und wurde schon vor langer Zeit von seiner Familie geächtet. Denn Pete ist – zum großen Entsetzen seiner konservativen Familie – nicht nur schwul, sondern auch Mitglied einer Glamrock-Band. Auch Liam hat Probleme mit der Lebensweise seines Onkels, den er immer nur „Tante Pete“ nennt. Denn dieser wohnt nicht nur in einem Wohnwagenanlage und lebt vor allem für seine Musik, sondern hat auch drei sehr gute Freunde, die sich von nun an ebenfalls in Liams Leben einmischen.

Für Liam scheint es nur einen Ausweg aus dem Wohnwagenpark in dem kleinen Ort Pineville zu geben: Er muss es endlich schaffen, der Sohn zu werden, auf den sein Vater stolz sein kann. Blöderweise denkt Liam, dass es hilfreich wäre, wenn er sich ein Streberimage zulegen und mit den „richtige“ Leuten anfreunden würde. Er tut alles, um seine Leidenschaft für Mode und Markenlabels zu unterdrücken und hofft, dass niemand herausfindet, dass er quasi neben seiner Mutter auf dem Laufsteg aufgewachsen ist. Doch natürlich kommt es immer wieder zu Situationen, in denen er deutlich cooler ist als er sein möchte und in denen er sein Auge für Mode und Schnitte nicht verleugnen kann.

Die Autorin erzählt Liams Geschichte einmal in der Gegenwart, wo man all seine Bemühungen und all seine Gedanken verfolgen kann, und dann gibt es noch – häufig am Kapitelanfang – Kindheitserinnerung, die Liams Familienverhältnisse beleuchten und zeigen, welche Situationen seinen Charakter geformt haben. Ich fand das Buch sowohl witzig, als auch schon fast schmerzlich zu lesen. Abgesehen von einem – allerdings erstaunlich wenig unangenehmen – Fremdscham-Teil, ist es sehr anrührend wie sehr der Junge um die Anerkennung seines Vaters kämpft. Dass dieser Mann das Problem ist und nicht Liams Begabungen und Talente, steht für einen sehr schnell fest, aber gerade deshalb ist es so berührend, dass Liam nicht in der Lage ist seine eigenen Stärken zu sehen und zu akzeptieren.

Es ist K. L. Going gelungen Liam, seinen Onkel Pete und das ganze Umfeld in der kleinen Stadt Pineville so sympathisch darzustellen, dass die Geschichte an keiner Stelle langweilig wird. Obwohl einige Hintergründe „jugendgerecht“ – und somit für viele erwachsene Leser etwas offensichtlich gestaltet sind (Warum trauen Verlage und Autoren eigentlich Jugendlichen häufig so wenig zu?) -, ist die Geschichte so witzig und spannend, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen mochte. Zum Teil mochte ich nicht so recht glauben, dass ein Handlungsstrang wirklich so enden würde, wie ich es vorhersehen konnte und so schwankte ich beim Lesen zwischen Hoffen und Bangen und musste doch immer wieder laut auflachen, weil einige Situationen so absurd waren.

Natürlich kommt dieses Jugendbuch nicht ohne eine „Botschaft“ aus, aber diese ist in „Voll daneben“ so amüsant und mitreißend verpackt, dass ich damit gut leben konnte. Die Geschichte bringt auch den erwachsenen Leser dazu mal über sich und sein Leben nachzudenken. Zu überlegen, wie weit man sich doch oft den Erwartungen anderer beugt, statt seinen eigenen Wünschen und Träumen nachzugehen.

7 Kommentare

  1. Wow. Da hab ich ja noch was, worauf ich mich freuen kann. ^^ Denn das Buch liegt schon eine ganze Weile auf meinem SuB… Ich muss mich da wirklich langsam mal durchlesen. Von meinem Ziel unter 30 Bücher zu kommen bin ich noch ein ganzes Endchen entfernt…

  2. Auf jeden Fall lässt sich dieses Buch sehr schnell lesen. So könntest du deinen SuB geschwind von einem Titel befreien – und ich könnte mal eine zweite Meinung zu der Geschichte lesen. 😉

  3. Werd ich mir bei Gelegenheit mal vorknöpfen. 😉

    Wie viele Seiten hat das Buch eigentlich?? Hm, war nämlich am Überlegen, ob ich nach meiner Aktion mit den meisten Seiten mal auf die wenigsten Seiten umschwenke. Wäre jedenfalls ein Anreiz mehr Bücher wegzukriegen… Zumal demnächst noch sieben weitere bei mir einziehen. *pfeiff*

  4. 317 Seiten sind es laut Verlag, die waren aber wirklich im Nu weggelesen. Und wenn es dir nur darum geht die Anzahl der Bücher auf dem SuB zu minimieren, dann ist das Lesen der dünnen Bücher auf jeden Fall ein guter Weg.

    Aber nimm dir trotzdem alle paar Bücher einen dicken Band vor, sonst geht es dir wie mir vor einiger Zeit. Da hatte ich nämlich nur noch lauter dicke Wälzer auf dem SuB, weil ich die dünnen immer vorgezogen hatte. 😀 Ein paar von diesen dicken Schinken werde ich hoffentlich bei meiner persönlichen Reihen-Challenge abbauen. Wenn ich den endlich mal damit anfange … *ohje*

    Ach, Neuzugänge? Dann solltest du vielleicht mal ganz schnell acht Bücher lesen, damit der SuB dann ausgeglichen ist … *kicher*

  5. Tja, wenn ich die Zeit dazu finde. *gg* Bin nämlich noch am Schreiben von 10 Rezis… *buhu*

    Aber werd das schon irgendwie geregelt kriegen. ^^ Die über 700 Seiten-Wälzer hab ich ja schon im Januar hinter mich gebracht und so über 300 Seiten sind ja in der Regel Standard. 😀

  6. Katrin von Saiten

    Tolles Thema! Tolle Rezension! Das Buch muss ich mir mal näher angucken. Ich schätze auf der Wunschliste geht das am besten 😉

    Katrin

  7. @Katrin: Hach, auf so eine Reaktion hatte ich gehofft. 🙂 Das Buch hat es wirklich verdient, dass man es sich näher anguckt. Und ich bin mir sicher, dass dir das Lesen Spaß machen würde. 🙂

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