„13 Stufen“ von Kazuaki Takano war eine Leihgabe von Natira, und bevor ich mit dem Buch anfing, wusste ich so gar nichts über die Geschichte und den Autor. Die dreizehn Stufen im Titel beziehen sich darauf, dass man im Japanischen die dreizehn Stufen als Synonym für den Gang zum Galgen verwendet. Mit diesem Wissen im Hinterkopf verwundert es also nicht, dass sich die Geschichte in diesem Kriminalroman vor allem mit den verschiedenen Aspekten der Todesstrafe in Japan beschäftigt, auch wenn die Handlung sich vordergründig um die Ermittlung ein einem vor zehn Jahren geschehenen Mordfall dreht. Protagonisten in dem Roman sind der (ehemalige) Gefängnisaufseher Shōji Nangō und der auf Bewährung entlassene Jun’ichi Mikami. Gemeinsam versuchen die beiden Männer herauszufinden, wer vor zehn Jahren den Bewährungshelfer Kohei Utsugi und dessen Ehefrau Yasuko ermordet hat, um den für diese Tat verurteilten Ryō Kihara vor dem Tod durch den Strang zu bewahren.
Das brisante an dem Todesurteil für Ryō Kihara besteht darin, dass sich der junge Mann aufgrund eines am selben Abend wie die Tat passierten Motorradunfalls an absolut nichts erinnern kann. Ryō Kihara war zu dem Zeitpunkt des Mordes auf Bewährung und musste regelmäßig seinen Bewährungshelfer Kohei Utsugi besuchen, außerdem hatte er, als er nach seinem Unfall gefunden wurde, Blutspuren der Opfer an seiner Kleidung und einen Gegenstand des Ermordeten in seinem Besitz. Trotzdem gibt es anscheinend jemanden, der an der Schuld des Verurteilten zweifelt und deshalb einen Anwalt bezahlt, um erneute Nachforschungen anzustellen. Im Laufe mehrerer Wochen finden Shōji Nangō und Jun’ichi Mikami wirklich Hinweise, dass vielleicht eine weitere Person am Tatort gewesen sein könnte, doch die Zeit läuft den beiden Männern davon.
Ich fand es recht spannend, wie Kazuaki Takano parallel die (ziemlich hoffnungslos scheinenden) Ermittlungen in den alten Fall und den Weg beschreibt, den der Vollstreckungsbefehl des Todesurteils durch die verschiedenen Behörden nimmt. Dabei hat sich der Autor bei den Passagen rund um den Vollstreckungsbefehl nicht nur auf den rechtlichen Vorgang konzentriert, sondern auch die verschiedenen Gedanken und Motive der beteiligten Personen dargestellt.
Auch die Wahl seiner Charaktere – ein Gefängnisaufseher und ein wegen Totschlags verurteilter junger Mann – sorgen für eine Vertiefung des Themas. Denn während Nangō in seinem Berufsleben nicht nur als Zeuge, sondern auch als aktives Element bei der Vollstreckung der Todesstrafe beteiligt war, muss Jun’ichi damit leben, dass er jemanden getötet hat und dass diese Tat nicht nur sein Leben, sondern auch das vieler andere Personen deutlich beeinflusst hat. Diese unterschiedlichen Perspektiven und die verschiedenen Betroffenen, denen die beiden Männer im Laufe ihrer Ermittlungen begegnen, bieten Kazuaki Takano die Möglichkeit, viele Aspekte rund um die Todesstrafe und die Tötung eines Menschen zu beleuchten. Faszinierend fand ich zum Beispiel, wie wichtig im japanischen Rechtsystem es ist, dass ein Mensch eine Tat bereut. Teil der Bewährungsbedingungen ist es etwa, dass sich Jun’ichi den Hinterbliebenden seines Opfers stellt und sie um Verzeihung bittet, während Ryō Kihara vermutlich zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden wäre, wenn er sich an die Tat hätte erinnern und sie so hätte bereuen können. Die Tatsache, dass er keinerlei Erinnerungen an den Mord hat, ist eigentlich der Hauptgrund dafür, dass die Todesstrafe verhängt wurde.
All diese Details rund ums japanische Rechtssystem fand ich wirklich faszinierend, ebenso wie die Passagen, in denen sich Nangō und Jun’ichi über verschiedene Dinge ausgetauscht haben, die nicht nur dem jeweils anderen eine neue Perspektive auf etwas scheinbar Vertrautes gewährt haben, sondern dem Leser auch einen Einblick in die japanische Gesellschaft gewähren. Jemand, der sich für all dies nicht interessiert, dürfte „13 Stufen“ relativ langatmig finden, obwohl die Handlung nicht langweilig ist und gerade am Ende einige Wendungen nimmt, die viel Bewegung in die Geschichte bringen. Zwar gibt es einige vorhersehbare Aspekte in diesem Krimi, wie die Hintergründe zu dem Vorfall von vor zehn Jahren, der Jun’ichis Leben geprägt hat, oder zu der Frage, wer der geheimnisvolle Auftraggeber ist, der in letzter Minute noch die Unschuld von Ryō Kihara beweisen will, aber alles in allem fand ich diese Mischung aus Informationen und verzwickter Handlung wirklich spannend zu lesen. Oh, und nachdem ich gesehen habe, dass „13 Stufen“ der Debütroman von Kazuaki Tanako war, habe ich geschaut, ob er noch ähnliche Krimis hat, aber das scheint leider sein einziger Roman in diese Richtung gewesen zu sein.
Interessante Thematik! Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das Buch was für mich wäre, aber ich behalte es mal im Hinterkopf. Besonders über länger zurückliegende Fälle lese ich in Krimis sehr gerne.
Man muss als Leser schon Interesse für die japanische Gesellschaft und Geduld für die verschiedenen rechtlichen Betrachtungen mitbringen, aber ich fand dieses Aspekte fast spannender als den Fall selber. Ich bin gespannt, ob du wirklich irgendwann zu dem Roman greifst und neugierig darauf wie er dir dann gefällt.
Ich fand damals gerade auch die Einblicke in die japanische Justiz und den Strafvollzug sehr spannend, die mir ja völlig fremd waren – und natürlich im Detail weiterhin sind. Die zurückhaltende Erzählart mit dem „Krimi“-Anteil mochte ich ebenfalls. Schön, dass Dir dieser ruhige Roman auch so gut gefallen hat.
Ich hatte beim Lesen zusätzlich noch die ganze Zeit den Film über den Gefängnispfarrer im Hinterkopf, den wir in diesem Jahr bei der Nippon Connection gesehen hatten. Vieles davon passte gut zu den Informationen in dem Buch, was für mich noch eine weitere Ebene beim Lesen zugefügt hatte. Noch einmal danke für’s Ausleihen, Natira! 🙂