Kelly Jones: Murder, Magic, and What We Wore

Ich weiß nicht mehr, wie ich auf „Murder, Magic, and What We Wore“ von Kelly Jones aufmerksam geworden bin, aber der Klappentext hatte mich so sehr gereizt, dass ich den Roman ohne weiter nachzudenken auf meinen Wunschzettel gepackt hatte. Die Geschichte dreht sich um die sechzehnjährige Miss Annis Whitworth und beginnt an dem Tag im Jahr 1818, an dem Annis vom Tod ihres Vater erfährt. Während sie bis zu diesem Zeitpunkt ein relativ unbelastetes Leben in der Londoner Gesellschaft führte, steht sie nun – zusammen mit ihrer Tante Cassie, von der sie nach dem Tod ihrer Mutter aufgezogen wurde, – vor der Herausforderung, ohne Einkommen zu überleben. Auch befürchtet Annis, dass der Tod ihres Vaters bei einem Kutschenunglück kein Unfall war, sondern dass seine Tätigkeit als Spion für die Krone (zumindest hat sie in den letzten Jahren den Verdacht gehegt, dass ihr Vater ein Spion sein könnte) dafür verantwortlich ist.

Nachdem sie glücklichweise auch noch am selben Tag durch Zufall entdeckt, dass sie die recht seltene und begehrte Fähigkeit besitzt, „Glamour“ zu wirken – d.h. mit Magie durchwirkte Kleidungsstücke zu nähen -, beschließt Annis, dass sie ihre neuentdeckte Magie in den Dienst der Krone stellen möchte. Doch das Kriegsministerium ist nicht so angetan von Annis‘ Versuch, sich als Spionin anstellen zu lassen ,und so findet Annis ihre ganz eigenen Wege, um mehr über das Schicksal ihres Vaters und die geheimnisvolle Botschaft, die er hinterlassen hat, herauszufinden. Dass Annis, der es deutlich an Lebenserfahrung außerhalb ihrer behüteten Welt fehlt, dabei so einige Probleme hat, ist vorhersehbar. Dass sie ein Geschäft als Glamour-Schneiderin eröffnet, ohne auch nur grundlegende Kenntnisse davon zu haben, wie man ein Kleid von Grund auf schneidert, ist dabei das geringste ihrer Probleme.

Ich habe es geliebt, von Annis‘ Abenteuern nach dem Tod ihres Vaters zu lesen. Von einem Moment auf den anderen mischt das Mädchen sich in die Angelegenheiten fremder und einheimischer Spione ein und kann sich dabei nie sicher sein, ob ihr Gegenüber auch vertrauenswürdig ist. Einzig ihr neues Dienstmädchen Millie, das zum Glück über eine Menge gesunden Menschenverstand und eine gute Beobachtungsgabe verfügt, steht Annis treu zur Seite und rettet sie aus so mancher Misere. Auch hat Annis – bei aller Impulsivität und aller Dickköpfigkeit – das Glück, dass ihre Tante Cassie ihr bei ihrer Erziehung so einige nützliche Dinge mitgegeben hat. So kann Annis sich nicht nur sicher auf dem Ballparkett bewegen (und gleichzeitig jungen Herren eine Lektion über die gesellschaftliche Position von Frauen erteilen), sondern sie hat auch weitere praktische Fähigkeiten wie Buchführung und ähnliche Dinge, die von Frauen zu dieser Zeit gern ferngehalten wurden, gelernt. Das alles macht aus Annis weder die perfekte Spionin noch die geborene Geschäftsfrau, aber es macht das Mädchen zu einer wirklich sympathischen Figur.

Überraschenderweise mochte ich auch all die Passagen rund um Kleidung. Ich handarbeite zwar gern, aber in modischer Hinsicht bin ich ein hoffnungsloser Fall – und sei es nur, weil ich Bequemlichkeit immer wichtiger finde als die Frage, was gerade modern ist. In „Murder, Magic, and What We Wore“ dreht sich die Geschichte häufig um Kleidung und das nicht nur, weil die richtige Bekleidung zu Annis‘ Zeit und in ihrer Gesellschaftsschicht nun mal ein wichtiges Thema war. Für Annis geht es von Anfang an vor allem darum, die richtige Kleidung für eine Person zu finden. Je mehr sie ihre Fähigkeit des Glamour-Nähens erforscht, desto mehr konzentriert sie sich darauf, dass nicht nur Farbe und Schnitt einer Person schmeicheln, sondern dass das Kleidungsstück auch etwas über die Trägerin, ihren Charakter und ihre Fähigkeiten aussagt. Ich habe es so genossen, wenn Annis wieder einen Faden in ihre Nadel fädelte und sich darauf konzentrierte, für was für eine Person sie ein Kleidungsstück herstellte und wie sie dieser Person vielleicht noch etwas Selbstvertrauen, Schutz oder ähnliches mitgeben könnte, um ihr Leben besser zu machen.

Auch habe ich mich darüber gefreut, dass ich während der Lektüre nicht nur über berühmte Personen dieser Zeit gestolpert bin, sondern auch über Namen, die mir aus anderen Romanen vertraut sind. Ganz sicher war ich mir beim Lesen zwar nicht, dass hier wirklich auf ein paar meiner Lieblingsromane aus diesem Genre angespielt wurde, nur weil eine Lady Ravenscroft oder Lady Schofield erwähnt wurden, aber eine Auflistung am Ende des Roman hat mich dann aufgeklärt, dass diese Figuren wirklich bewusst eingebaut wurden als Verweis auf Werke anderer Autoren. (Dummerweise bedeutet das nun auch, dass ich neugierig auf diejenigen Bücher von der Liste bin, die ich noch nicht kenne. *g*)

Insgesamt war „Murder, Magic, and What We Wore“ eine wunderbar leichte und amüsante Wohlfühl-Lektüre, die trotz all der witzigen Szenen nicht zu oberflächlich war, sondern immer wieder auf wichtige Themen (nicht nur der Regency-Zeit) aufmerksam machte. Ich fand es wunderbar mitzuerleben, wie Annis sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt und so viele Sachen dazulernt. Ich mochte die Beziehung zwischen Annis und ihrer Tante und habe mich über die langsam entstehende Freundschaft zwischen Annis und ihrem Dienstmädchen Millie gefreut. Und so sehr ich mich sonst freue, wenn ich mal einen Einzelband entdecke, so hätte ich dieses Mal nichts dagegen, wenn die Autorin doch noch irgendwann einmal zu Annis und Millie zurückkehrt und die beiden Mädchen mehr Abenteuer erleben lassen würde.

10 Kommentare

  1. Ich hattr das Buch irgendwo bei den Neuerscheinungen registriert, wollte aber Meinungen abwarten. Nach dem, was du schreibst, dürfte mir das Buch auch gefallen 🙂

    Welche Bücher empfiehlt denn die Autorin zum Beispiel in ihrer Auflistung?

  2. @Kiya: Ich bin mir sicher, dass dir der Roman gefällt, zumindest dachte ich beim Lesen immer wieder an dich und die Bücher, die du sonst so magst. 🙂

    Ich tippe dir einfach mal die ganze Liste ab, von einigen weiß ich, dass du sie auch schon gelesen hast und mochtest. 🙂

    "This Monstrous Thing" von Mackenzie Lee, "Prada and Prejudice" von Mandy Hubbard, die "Kat, Incorrigible"-Reihe von Stephanie Burgis, "The Season" von Sarah MacLean, "The Lovegrove Legacy"-Bücher von Alyxander Harvey, die "Cecy & Kate"-Reihe von Patricia C. Wrede und Caroline Stevermer, "A Matter of Magic" ebenfalls von Patricia C. Wrede (hattest du das schon gelesen oder hängst du noch bei Cecy & Kate?), die "Bloddy Jack"-Bücher von L. A. Meyer, "Secrets of the Dragon Tomb" von Patrick Sampshire, "Keeping the Castle" und "A School for Brides" von Patrice Kindl, "The Dark Day Club" von Alison Goodman, "La Petite Four" von Regina Scott, "The Privilege of the Sword" von Ellen Kushner, "Wrapped" von Jennifer Bradbury und "Newt's Emerald" von Garth Nix. Außerdem dürften die all die berühmten historischen Persönlichkeiten Spaß machen, auf die in dem Roman immer wieder verwiesen wird.

    (Lustig fand ich auch, dass mich die Geschichte mich mal wieder dazu gebracht hat, meine Erinnerung an Dorothea von Lieven aufzufrischen – und wie immer habe ich mich über die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem englischen Wikipedia-Eintrag aufgeregt. 😉 )

  3. Ah, vielen Dank für die Liste! Darunter ist einiges, das ich noch nicht kenne 🙂 *Wunschliste füllt* Mir ist übrigens noch ein Grund eingefallen, aus dem das Buch bisher noch nicht bei mir ist – momentan gibt es noch kein Taschenbuch, und das wäre mir angesichts der eher geringen Seitenzahl doch lieber…

    Ich stecke tatsächlich noch in "Cecy & Kate", inzwischen im dritten Band, aber "A Matter of Magic" liegt auf meinem SuB ebenso wie "Secrets of the Dragon Tomb" und "Kat, Incorrigible" 🙂 "The Dark Days Club" hat mir sehr gut gefallen, und ich freue mich schon auf die Fortsetzung!

  4. Gern geschehen. 🙂 "The Dark Day Club" kenne ich nicht – du hattest keine Rezi zu dem Titel, oder?

    Ich finde das Hardcover wirklich hübsch, da lohnt sich der Preis! (Auch wenn ich zugeben muss, dass es bei mir auch deshalb so schnell eingezogen ist, weil jemand es von meiner Wunschliste gepflückt hat und ich nicht selber entscheiden musste, ob ich mir das Buch oder zwei TB-Ausgaben kaufe. *g*)

  5. @Kiya: Der Kurzeindruck reicht mir schon! Der war mir total untergegangen – vermutlich, weil ich das Buch darunter gleich so interessant fand. *g*

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