Kleinigkeiten?

Nachdem ich ja endlich wieder Zugriff auf meine alten Bücherschätze habe, gehe ich immer wieder am Regal vorbei und schaue, welche Erinnerungen ich mit bestimmten Romanen verbinde. Besonders häufig mache ich das bei den Büchern, bei denen ich daran denken muss, dass ich beim Lesen nicht immer glücklich mit der Geschichte oder mit bestimmten Details war, obwohl ich insgesamt schöne Erinnerungen an das Buch habe. So nach und nach will ich diese Titel lesen, um herauszufinden, ob ich die jeweilige Geschichte behalten möchte oder nicht – es sind die Bücher, bei denen mir eine Entscheidung schwerfällt und für die ich mir deshalb eben auch mehr Zeit nehmen möchte.

Einen dieser Roman habe ich in den letzten Tagen wieder gelesen und mich für das Behalten entschieden, weil es genügend Momente in der Handlung gab, die mich berührt oder die mich zum Schmunzeln gebracht haben. Auf der anderen Seite gab es so viele Kleinigkeiten, über die ich gestolpert bin und die mich irritiert haben, dass mir wieder einmal auffiel, wie wichtig es für mich als Leser ist, dass Autoren diese kleinen Elemente in ihren Büchern stimmig beschreiben. Bei diesem Buch ging es in der Handlung um eine junge Frau, die – weil es sich zufällig so ergibt – neben ihrem Hauptjob eine Karriere im Catering startet. Was passend ist, denn in ihrem Hauptjob kocht und backt sie für ein Café – wobei mich da beim Lesen schon immer die Frage beschäftigt, warum sie all das Kochen und Backen von Zuhause erledigen muss und wieso es niemanden interessiert, ob die Küche in ihrem gemieteten Häuschen überhaupt irgendwelchen Regeln des Gesundheitsamts entspricht. Das ist anscheinend eine ganz normale Küche ohne größere Küchengeräte, und alles was in dem Roman betont wird, ist die Gemütlichkeit der Küche.

Später in der Handlung ist immerhin die Rede davon, dass sie für das Catering einen Gewerbeschein benötigt und sich dann auch eine Gefriertruhe und ein paar andere Sachen anschaffen muss, die keinen Platz in ihrer gemütlichen Küche finden können. Aber nie gibt es auch nur einmal die Andeutung, dass jemand, der professionell kocht, auch eine dementsprechende Ausstattung benötigt, auf Hygiene und Gesundheit zu achten hat und vielleicht nicht unbedingt einen süßen kleinen Kater in der Küche haben sollte, während Lebensmittel verarbeitet werden.

Ein weiterer Punkt war eine Abmachung mit einer Freundin, für die die Protagonistin ein großes Abendessen vorbereitete, damit die Freundin ihre Schwester plus Familie beeindrucken kann. Weil die Freundin nicht so viel Geld hat, vereinbaren die beiden Frauen als Bezahlung einen Pullover für das Drei-Gänge-Menü – und ich stehe da und werde sauer, weil mir die Autorin das Gefühl gibt, dass die Protagonistin der Freundin mit diesem Deal einen total großen Gefallen tut. Was bedeutet, dass das Stricken der Freundin als weniger wertig eingeschätzt wird als das Kochen der Protagonistin. Und ja, ein Drei-Gänge-Menü ist nicht billig und die Vorbereitung kostet Zeit, aber ein Pullover entsteht auch nicht aus dem Nichts und nur weil das Stricken das liebste Hobby der Freundin ist, bedeutet das doch nicht, dass die Wolle vom Himmel fällt und so ein Kleidungsstück mal eben an einem Abend gefertigt werden kann.

Bei solchen Handarbeits-/Handwerkelementen fällt es mir in Romanen besonders oft auf, wenn Autoren keine Ahnung vom Arbeitsaufwand oder Materialwert einer Sache haben. Aber manchmal reicht es mir auch schon, wenn jemand eine Figur beschreibt, die zwei Jobs hat, alleinerziehend ist und trotzdem eine perfekt geputzte und aufgeräumte Wohnung hat. Natürlich gibt es solche Menschen, aber bei mir entsteht dann das Gefühl, dass es dem Autor viel wichtiger gewesen ist, dass seine Person zwar arm, aber nicht verwahrlost ist, als sich zu überlegen, dass jemand, der zwei Jobs plus Kinderbetreuung stemmen muss, vielleicht auch mal so etwas wie eine Auszeit oder Schlaf benötigt.

Es gibt Dutzende solcher Kleinigkeiten, die mich bei Geschichten ärgern, und die drehen sich nicht mal unbedingt darum, dass ich einen gewissen Realismus in einer fiktiven Geschichte erwarte, sondern darum, dass bestimmte Elemente die Vorurteile des jeweiligen Autors zeigen. Vorurteile, die nicht nur an dieser einen Person hängen, die da gerade eine Geschichte schreibt, sondern die allgemein so verbreitet sind, dass sie uns allen viel zu selten auffallen, wenn wir nicht gerade in dem Bereich aus irgendeinem Grund etwas aufmerksamer oder sensibler sind. Ich persönlich bin im Laufe der Jahre immer empfindlicher geworden, wenn es um solche Elemente geht, und merke immer häufiger, dass ich mich an solchen Kleinigkeiten stoße – obwohl ich über viele Dinge hinweglesen kann, wenn mich eine Geschichte richtig gepackt hat. Auf der einen Seite finde ich es schön zu merken, dass ich aufmerksamer werde, auf der anderen Seite wünschte ich mir, es gäbe nicht so viele Kleinigkeiten in all den netten Romanen, über die ich mich aufregen könnte.

4 Kommentare

  1. Über Deinen Ärger musste ich grinsen, liebe Konstanze. Wie oft denke ich so ähnlich und frage mich ob ich vielleicht einfach nur zu „schlampig“ bin. Ich bekomme es manchmal nur mit einem Halbtagsjob und zwei Kindern nicht gewaffelt. 😉 Dir einen allerliebsten Adventsgruß, Nicole

    • Ich denke einfach, dass solche Darstellungen in Büchern, Filmen usw. ein Bild festigen, dem so gut wie niemand von uns entsprechen kann. Und dann wird man nicht nur von anderen abgeurteilt, weil man dem Klischee nicht entspricht, sondern sieht selber nicht mehr, wie viel man doch im Laufe des Tages alles erreicht, weil man trotz allem nicht dem „Ideal“ entspricht. 😉

  2. Ich kann das gut nachvollziehen. Mich stören solche Kleinigkeiten, die ja noch nicht einmal etwas mit der Handlung direkt zu tun haben, oft auch sehr – und in den letzten Jahren mehr als früher.

    • Früher waren es vor allem Dinge, die ich aus beruflichen Gründen besser wusste als jemand, der nur flüchtig recherchiert hatte. Aber inzwischen gibt es so viele Dinge, die mich erschreckend anhaltend stören …

      Irgendwie ist es ja schön zu sehen, dass wir uns weiterentwickeln. Aber manchmal ist es auch etwas störend. 😉

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