Über „The Affair of the Mysterious Letter“ von Alexis Hall wusste ich nicht mehr, als dass es eine „Sherlock Holmes“-Hommage mit fantastischen Elementen sein sollte, als ich es mir im Dezember 2021 auf meinen Wunschzettel gesetzt hatte. Beim ersten Anlesen im vergangenen Frühjahr war ich ganz angetan von dem Buch, hatte aber das Gefühl, dass meine Konzentration nicht für die Erzählweise reichen würde, und habe den Roman deshalb erst einmal wieder zur Seite gelegt. Nachdem ich „The Angel of the Crows“ von Katherine Addison gelesen hatte, dachte ich, es wäre der richtige Zeitpunkt, um jetzt auch endlich zu „The Affair of the Mysterious Letter“ zu greifen. Dummerweise habe ich mich in der vergangenen Woche dann ständig dabei ertappt, dass ich zwar Lust aufs Lesen, aber definitiv nicht auf diese Geschichte hatte, und als ich dann auch noch mehrere Abende hintereinander anfing, meinem Mann zu erzählen, was mich alles an dem Roman irritiert und ärgert, habe ich beschlossen, dass ich das Buch unbeendet aussortiere. Ich hinterlasse hier also nichts anderes als meinen „Leseeindruck“ nach 100 von 340 Seiten …
Die Handlung in „The Affair of the Mysterious Letter“ wird erzählt aus der Perspektive von Captain John Wyndham, der hier eindeutig die Rolle des Dr. Watson übernimmt. Captain Wyndham ist Militärarzt gewesen und musste sich aufgrund einer Verletzung einen neuen Job suchen, den er in einem Krankenhaus in der Stadt Khelathra-Ven fand. Aufgrund seiner eher begrenzten Finanzen zieht er dann mit der Zauberin Ms. Shaharazad Haas (die Holmes darstellen soll) zusammen und steht ihr zur Seite, als diese herauszufinden versucht, wer ihre ehemalige Geliebte Eirene Viola erpresst. So weit klang das Ganze noch recht Sherlock-Holmes-inspiriert, und die Tatsache, dass Alexis Hall eine Welt für diesen Roman erschaffen hat, die wirkt, als sei sie aus den Bruchstücken diverser (klassischen) Horror- und Phantastik-Geschichten zusammengesetzt, fand ich anfangs auch ganz interessant. Allerdings gelang es Alexis Hall nicht, eine für mich nachvollziehbare Beschreibung dieser Welt zu liefern. Ich bekam einfach kein Gefühl dafür, wie die verschiedenen Orte zueinander liegen, ob sie sich überhaupt in der selben Dimension befinden und wenn nicht, wie das mit den Reisen und dem Handel usw. organisiert sein soll.
Grundsätzlich muss ich solche Fragen in einer Geschichte nicht unbedingt erklärt bekommen. Aber da die Erzählweise von Captain Wyndham so voller Details, Erklärungen und Einschüben a la „mein Editor meinte, ich muss dieses Element genauer erläutern“ ist, war es für mich unbefriedigend, ständig unnütze Informationsbrocken zu bekommen, während die Fragen, die für mich wichtig waren, nicht geklärt wurden. Zusätzlich zu all dem unnützen Wissen über die Welt, das durchgehend präsentiert wurde, gab es immer und immer wieder Anmerkungen des Captain, dass er wegen seines Editors die genaue Ausdrucksweise einer Person (in der Regel die von Ms. Haas) nicht wiedergeben dürfe, weil die Leser mit solchen Flüchen und ordinären Vokabeln bestimmt nicht umgehen könnten. Die ständigen Wiederholungen dieses Elements haben mich definitiv mehr genervt als amüsiert, auch wenn ich mir sicher bin, dass Letzteres beabsichtigt gewesen ist.
Ein weiteres Problem hatte ich mit den Figuren, die einfach nur langweilig waren. Jedes Mal, wenn ich dachte, dass ein Zusammentreffen mit einer anderen Person oder ein Ereignis einen Charakter zu einer interessanten Reaktion bewegen könnte, verpuffte dieser Moment in einer für mich enttäuschenden Wendung. Was dann dafür sorgte, dass sich keine der Figuren auch nur ein Stückchen weiterentwickelte. Captain Wyndham ist eine sehr konservative Person, die in einem Umfeld aufgewachsen ist, in dem strenge Regeln herrschten, Magie verfolgt wurde (nachdem ein Hexenkönig das Land lange Zeit tyrannisiert hatte) und jegliche Art von Vergnügen verboten war. Was bedeutet, dass Captain Wyndham für mich als „Watson“ eigentlich ganz gut funktionierte und das Element in der Geschichte war, das noch am ehesten den Gedanken an eine Sherlock-Holmes-Hommage aufbrachte. Ms. Haas hingegen hat mit Sherlock Holmes (von einer kleinen Szene beim Kennenlernen zwischen den beiden Figuren abgesehen) nichts anderes gemeinsam als den Drogenmissbrauch und die Überzeugung, allen anderen überlegen zu sein – nicht gerade die sympathischten Züge. Und während es für mich bei Sherlock Holmes funktioniert, weil es zum Ausgleich die Passagen gibt, in denen er Informationen sammelt und Schlüsse zieht, sorgt Ms. Haas‘ Persönlichkeit vor allem dafür, dass sämtliche Ermittlungen sabotiert werden.
Ich glaube aber, das frustrierendste für mich war, dass ich ständig Elemente in „The Affair of the Mysterious Letter“ gesehen habe, die die Grundlage für eine wirklich ungewöhnliche, spannende und unterhaltsame Geschichte hätten sein können. Aber diese Elemente wurden immer auf eine Art und Weise eingesetzt, dass sie mich leider überhaupt nicht amüsiert, sondern statt dessen irritiert und genervt haben. Es hätte mir wenig ausgemacht, dass die Charaktere so gar keine Tiefe haben, wenn die Handlung spannend und die Welt interessant gewesen wäre. Oder ich hätte damit leben können, dass die Welt sich für mich total unrund und unlogisch anfühlt, wenn mich die Figuren und die Sorge um ihr Wohlergehen irgendwie hätten mitreißen können. Ich hätte auch damit leben können, dass es eigentlich kaum Handlung gab, wenn mich die Welt und ihre Bewohner fasziniert hätten. Aber so hatte ich das Gefühl, ich bekomme nichts anderes als einen aufgeblähten Haufen Wörter, in denen jemand ein paar interessante Ideen vergraben hat, die theoretisch zu einem wirklich reizvollen Roman hätten führen können.
Da es eine große Menge wirklich begeisterte Rezensionen zu „The Affair of the Mysterious Letter“ gibt, scheinen sich andere Leser*innen nicht an diesen Punkten zu stören. Viele der Rezensionen, die ich gelesen habe, betonen den guten Sprecher der Hörbuch-Version, und ich muss zugeben, dass ich kurz darüber nachgedacht habe, ob ich damit noch einen Versuch wagen soll. Aber ich denke, ich muss mir einfach eingestehen, dass dieser Roman meinen Geschmack so gar nicht trifft, und es dabei belassen …
Hm, interessant. Ich habe den Roman bestimmt schon vier Mal in die Hand genommen, die ersten paar Seiten gelesen und wieder weggelegt. Ich sehe gerade, dass ich auf Seite 3 bin. Was nichts heißt, der Großteil aller meiner Bücher hat ein (virtuelles) Lesezeichen irgendwo bei den ersten zehn Seiten.
Auf den ersten Seiten hatte ich noch einiges an Potenzial gesehen und gehofft, dass die kleinen Punkte, die mich nicht so packen konnten, in die für mich richtige Richtung kippen würde. Dummerweise kam das dann ganz anders und ich bin ganz froh, dass das Buch am Samstag in den Öffentlichen Bücherschrank gewandert ist und inzwischen vermutlich den Bestand einer anderen Person ziert. 😉
„Sherlock Holmes“-Hommage mit fantastischen Elementen klingt ja interessant, für mich persönlich aber auch nicht allzu verlockend. Schade, dass das Buch auch für dich nicht das richtige war, obwohl es dir beim Anlesen gefallen hatte. Wenn man in der Geschichte eigentlich Potenzial sieht, aber sie trotzdem nichts hergibt, ist es immer umso frustrierender.
Lustigerweise fand ich diese Mischung bei „Angel of Crows“ ja überraschend gelungen, aber hier passte es für mich von der Erzählweise einfach nicht, was ich definitiv frustrierend fand.