Mackenzie Lee: Cavaliersreise – Die Bekenntnisse eines Gentlemans

Über „Cavaliersreise – Die Bekenntnisse eines Gentlemans“ von Mackenzie Lee bin ich bei Anja gestolpert, die betonte, dass der Roman eine gelungene Mischung aus gewichtigeren Themen (Bisexualität/Gleichberechtigung/Rassismus) und Abenteuerroman bietet, und mich damit neugierig gemacht hat. Ich muss gestehen, dass ich anfangs meine Probleme mit dem achtzehnjährigen Erzähler Henry hatte, denn auf den ersten Blick wirkt er wie ein undankbarer, verwöhnter Säufer, der nur an sein nächstes Vergnügen denkt. Einzig das Wissen um seine heimliche Liebe zu seinem Jugendfreund Percy und die Tatsache, dass man auf den ersten Seiten schon mitbekommt, wie gestört das Verhältnis zwischen Henry und seinem Vater ist, hat mich neugierig auf diesen Charakter gemacht.

Nachdem Henry aus Eton geflogen ist, soll er gemeinsam mit Percy auf eine Grand Tour durch Europa gehen. Auf dieser Reise – die gleichzeitig dazu dient, Percys Schwester Felicity in eine Bildungsstätte für junge Damen zu bringen – soll Henry beweisen, dass er sich benehmen und nützliche Kontakte für seinen Vater knüpfen kann. Doch weder das anständige Benehmen noch das Knüpfen von angemessenen Bekanntschaften oder gar ein enthaltsames Leben liegen Henry, und so gelingt es ihm, innerhalb kürzester Zeit von einer Katastrophe zur nächsten zu wanken, bis er halbnackt aus Versailles fliehen muss. Doch dieser Auftritt am Hof des französischen Königs ist erst der Auftakt einer langen Reihe von ungewöhnlichen Vorfällen, die Henry auf seiner Reise durch Europa erlebt.

Mackenzie Lee hat eine Geschichte voller absurder und amüsanter Szenen geschaffen, die aber überraschenderweise alle in die Zeit passen, in der die Handlung spielt. Sowohl die Cavaliersreise als auch Wegelagerer, Interesse für Alchemie oder Kaperfahrer sind Dinge, die einem jungen Adeligen im 18. Jahrhundert auf seiner Reise durch Europa hätten begegnen können. Doch natürlich sind das alles nur Stationen auf Henrys Weg zum Erwachsenwerden. Je mehr man über den jungen Mann erfährt, desto mehr wächst er einem ans Herz, auch wenn man ihn regelmäßig schütteln will, weil er mal wieder die dümmste Entscheidung fällt, die in einer Situation möglich wäre. Umso angenehmer ist es, dass seine Reisegefährten deutlich vernünftiger und reifer sind als Henry.

Während Felicity anfangs ein wenig farblos wirkt und erst nach und nach zeigt, dass sie eine energische und intelligente Frau mit vielseitigen Interessen ist, beweist Percy von Beginn an, dass er mehr Hirn hat als Henry. Dabei gelingt es der Autorin regelmäßig, aufzuzeigen, dass Percys Position als Mischlingskind eines englischen Gentlemans schwierig ist, wenn er zum Beispiel mal wieder aufgrund seiner Hautfarbe als Diener angesehen wird oder anderem rassistischem Benehmen begegnen muss. Allerdings waren das auch die Passagen im Buch, die mir am wenigsten gefallen haben. So gut und richtig es ist, dass solche Themen in Romanen angeschnitten werden, so wurde das  Ganze für meinen Geschmack in „Cavaliersreise“ doch etwas zu plakativ gehandhabt.

Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass mit dem Titel eine Zielgruppe „ab 16 Jahren“ angestrebt wurde, oder ob Mackenzie Lee diese Erzählweise angesichts ihres etwas begriffsstutzigen Protagonisten passend fand, aber mir als Leser war das manchmal zu viel. Mir hätte es gereicht, wenn die Autorin es bei den Szenen belassen hätte, in denen man sieht, wie es den Beteiligten ergeht. Stattdessen werden diese Themen immer wieder in lang und breit in Dialogen mit Henry aufgegriffen , die nur selten zu wirklichen Gesprächen zwischen den verschiedenen Figuren führten und vor allem beweisen, wie egozentrisch Henry durchs Leben geht. Das empfand ich beim Lesen eher als Ablenkung vom Thema, weil es dazu führte, dass ich mich vor allem über Henrys Ignoranz aufregte, während ich mich ansonsten gut unterhalten gefühlt habe.

2 Kommentare

  1. Das klingt einerseits ganz amüsant, andererseits aber doch nicht so gänzlich gelungen. Gerade so ein plakatives Abhandeln von sensiblen Themen nervt mich oft ziemlich. Andererseits freue ich mich dann wieder, wenn solche Themen überhaupt Raum in Büchern bekommen. Ich denke, ich behalte da Buch mal im Hinterkopf.

  2. Es ist amüsant und es gibt sehr viele Leser, für die dieser plakative Umgang mit den diversen Themen anscheinend okay war. Ich mag es lieber, wenn es so gehandhabt wird wie in dem Roman, dessen Rezension ich am Mittwoch freischalte. 😉 Überhaupt habe ich gerade sehr darüber nachgedacht, aber dazu Ende der Woche mehr … 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert