„Resenting the Hero“ von Moira J. Moore war ein Weihnachtsgeschenk, das nun schon seit über zwei Jahren auf meinem SuB ruht. Den Titel hatte mir eine sehr gute Freundin viele Jahre lang immer wieder ans Herz gelegt und auch wenn ich beim Lesen des Klappentextes die Idee interessant fand und herausfinden wollte, warum meine Freundin so begeistert von dem Roman ist, habe ich das Lesen doch immer vor mir hergeschoben. Die Grundidee dreht sich um eine Welt, die vor vielen Jahrhunderten von Menschen bevölkert wurde, die dafür durchs All gereist waren. Doch die Welt hat sich bei der ersten Besiedlung als sehr gefährlich herausgestellt, weil eine Naturkatastrophe nach der anderen die Bewohner gefährdete. Ein Teil der Siedler hat sich deshalb wieder auf den Weg ins All gemacht, der Rest hat beschlossen, den Katastrophen zu trotzen und sich ein Leben auf dieser Welt aufzubauen. Generationen später wurden auf einmal Kinder geboren, die in der Lage waren, die Natur zu besänftigen – dummerweise führte ihr Kampf gegen die Naturgewalten aber immer zum Tod dieser Kinder.
Erst als sich zwei Mädchen begegneten, von denen die eine die Naturgewalten zügeln und die andere die Auswirkungen auf das erste Mädchen abfangen konnte, ergab sich daraus eine wirksame Waffe gegen die Katastrophen, die das Leben auf dieser Welt so herausfordernd machten. Seitdem werden „Source“ (die die Katastrophen abfangen können) und „Shield“ (die in der Lage sind, ihre „Source“ zu beschützen) gezielt ausgebildet und erst als Erwachsene einander gegenübergestellt, damit sie – durch eine geheimnisvolle Kraft aneinander gebunden – in einer lebenslangen Paarung die Bevölkerung vor Naturkatastrophen beschützen können. Die Protagonistin Dunleavy „Lee“ Mallourough hat ihr Leben lang darauf gewartet, ihren Dienst als Shield antreten zu können. Doch als sie mit Lord Shintaro Karish zusammenkommt, ist ihre Enttäuschung groß, Taro ist angeblich einer der leichtlebigsten Mitglieder der Source-Academy und weder Wein noch Weib abgetan. Lee hingegen ist eine sehr ernsthafte junge Frau und hatte gehofft, sie würde von einer der ruhigen und ebenso ernsthaften Sources erwählt. Noch irritierender ist für sie der erste Auftrag, den sie und Taro erfüllen sollen, denn sie werden in eine Stadt geschickte, die in einem so gefährlichen Gebiet liegt, dass dort immer sechs Source-Shield-Paare gleichzeitig stationiert sind.
Ich muss gestehen, dass ich es immer etwas doof finde, wenn eine Welt einen SF-Ansatz hat, aber das dann in der Handlung keine wirkliche Rolle spielt (und da ist es mir auch egal, ob das vielleicht in Zukunft in der Reihe noch einmal erwähnenswert sein sollte). Noch blöder finde ich es, wenn ich keine Erklärung dafür bekomme, warum aus einer hochtechnisierten Gesellschaft (die in der Lage ist, durchs All zu reisen) eine mittelalterliche Gesellschaft wird, die auf eine Art Magie zurückgreifen muss und in der per Pferd gereist wird – auch wenn ich jetzt raten könnte, dass das vielleicht an all den Katastrophen lag. Außerdem hatte ich ein Problem mit der Protagonistin, die zwar auf der einen Seite gut ausgebildet und eine sehr genaue Beobachterin ist, auf der anderen Seite aber nicht in der Lage ist, sich eine eigene Meinung über ihren Partner zu bilden. Lee ist so davon überzeugt, dass Taro unzuverlässig ist und Nacht für Nacht von Bett zu Bett hüpft, dass sie sich die ganze Zeit erzählt, dass jede Aufmerksamkeit seinerseits, jedes Pflichtbewusstsein und jeder Spur von Professionalität eine Ausnahme sein muss. Obwohl sie ihn nie anders erlebt hat, glaubt sie lieber all dem Klatsch und Tratsch, den sie vor ihrem Kennenlernen gehört (und selbst weiterverbreitet) hat. Das Ganze wäre für mich einfacher zu ertragen gewesen, wenn die Handlung nicht in der 1. Person erzählt würde, aber so wurde ich von der Autorin gezwungen, jeden Gedanken von Lee zu verfolgen – egal, wie bescheuert sie sich verhalten hat.
Während Lee also Wochen benötigt, um zu kapieren, dass Taro nicht der egoistische Bruder Leichtfuß ist, den sie immer in ihm sehen wollte, findet sie genau einen einzigen neuen Freund in der Stadt, in der sie stationiert ist. Und dieser Freund ist nicht nur extrem eifersüchtig auf Taro, sondern hält auch das gesamte Source-Shield-System für – freundlich ausgedrückt – überholt, was auch damit zusammenhängt, dass er von seinem Bruder, der ebenfalls ein Shield ist, lauter Horrorgeschichten gehört hat. Zu dieser wahnsinnig „spannenden“ Handlung kommen noch zwei Aspekte, die einen Hauch von …. ja, was eigentlich? Krimi? einbringen sollen. Einmal kommt es zu extremen „Katastrophen“, die nicht natürlich zu sein scheinen und die deshalb für Source und Shield tödlich sein können, außerdem wird Taro immer wieder angegriffen. Für Lee ist besonders Letzteres beunruhigend, denn wenn Taro bei einem dieser Attentate getötet würde, würde auch sie sterben. Während alle Beteiligten im Dunkeln tappen, gibt es so viele Hinweise auf die Hintergründe all dieser Dinge, dass ich im Laufe der Zeit immer grummeliger beim Lesen wurde, weil Lee überhaupt nicht kapiert, was los ist, während ich schon längst die Lösung wusste.
Ich gebe zu, dass Moira J. Moore das ganze Ausbildungssystem für die Shields so konzipiert hat, dass die Leute nach Beendigung der Academy (mit 21 Jahren) vollkommen unwissend und naiv auf die Welt losgelassen werden und alles, was sie wissen und beschäftigt, ist, dass sie ihrer Source (und der Gesellschaft) dienen müssen. Zumindest ist das bei Lee so, und das hat mich in den Wahnsinn getrieben. Wenn es möglich ist, Klatsch und Tratsch über das Liebesleben der Sources zu verbreiten, wieso sollten dann die Academy-Angehörigen nichts über aktuelle politische Unruhen, über den Alltag ihrer Standesschichten (Lee zum Beispiel kommt aus einer Kaufmannsfamilie) oder sonstige Aspekte mitbekommen? Gerade weil Lee während ihrer Ausbildungszeit regelmäßig Besuch von ihrer Familie bekam und ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern und Geschwistern hat, würde ich erwarten, dass sie nicht nur über geänderte Steuern für Kaufleute Bescheid weiß (was sie sogar tut!), sondern auch über alltäglichere Dinge, die ihre Familie und vielleicht sogar andere Menschen beschäftigen. Stattdessen hat die Autorin Lee als komplett unwissende und naive Person dargestellt, die – trotz ihrer wahnsinnig guten Beobachtungsgabe – komplett blind ist für alles, was um sie herum vorgeht. Und selbst wenn Lee mal ein ungutes Gefühl hat, dann ignoriert sie es, weil … ja, warum eigentlich? Weil es für die Autorin so einfacher war, ihre Geschichte zu erzählen?
Um nicht nur zu meckern, muss ich zugestehen, dass es ein paar Aspekte gibt, bei denen die Autorin Gesellschaftskritik übt. So werden Source und Shield nicht bezahlt, sondern bekommen alles, was sie haben wollen, umsonst von Händlern und Restaurants. So angenehm das auf den ersten Blick für die Paare zu sein scheint, weil sie sich um nichts kümmern müssen, so wird schnell klar, dass das auch bedeutet, dass sie keinerlei Freiheiten haben, wenn sie mal nicht in offizieller Mission unterwegs sind, und dass ihnen keine privaten Interessen zugestanden werden. Auch gibt es ein gravierendes Ungleichgewicht zwischen Source und Shield, das von der Academy und der Öffentlichkeit gefördert wird, indem die Fähigkeiten der Sources betont und die Shields wie bessere Diener beschrieben werden. Dabei könnte keiner von beiden seine Arbeit machen, wenn es den anderen nicht gäbe.
So ist es offensichtlich, dass es Unruhen rund um dieses System gibt – einmal innerhalb, weil die Shields keine Anerkennung bekommen und zum Teil sogar von den Menschen, an die sie für den Rest ihres Lebens gebunden sind, misshandelt werden, und dann von außen, weil es eine Menge Leute gibt, die nicht einsehen, dass sie so ein „Schmarotzersystem“ finanzieren sollen. Ich kann hier sogar verstehen, dass Lee mit ihrer Prägung durch die Academy sehr lange benötigt, um die Unzufriedenheit ihrer Kollegen und anderer Personen zu verstehen. Aber wie sie dann am Ende mit dem ganzen Thema umgeht, scheint mir eher zu einer Achtjährigen zu passen als zu einer Frau, die zwar jung ist, aber zumindest seit einigen Monaten schon in der „realen“ Welt lebt und die Möglichkeiten gehabt hätte, zu lernen und sich mit anderen Menschen auszutauschen.
Überhaupt finde ich es unfassbar, dass die Protagonistin anscheinend monatelang mit niemandem wirklich redet. Sie meidet ihren Partner, was schon blöd ist, aber was ich so hätte akzeptieren können. Aber sie lebt mit zwölf anderen Personen in einem Haus und scheint sich nicht einmal mit diesen Menschen, die ja auch ihre Arbeitskollegen sind, auszutauschen – weder über den Job noch über irgendwas Privates. Der einzige Mensch, mit dem Lee redet, ist ihr neu gefundener Freund und mit dem hat sie regelmäßig Auseinandersetzungen, weil er ihr Leben, ihre Ausbildung und ihren Partner kritisiert. Die Autorin führt irgendwann eine „Polizistin“ ein, bei deren Auftauchen ich einen kurzen Moment lang die Hoffnung hatte, dass diese (für mich eine der wenigen sympathischen Figuren in dem Buch) für die Hauptfigur zur Freundin werden könnte – wenn sie schon mit niemandem reden mag, der mit ihrem Job zu tun hat -, aber die Einführung dieser Figur bringt überhaupt nichts für die Handlung und spielt überhaupt keine weitere Rolle mehr. Oh, und Lee redet nicht nur mit niemandem, sie hat auch keine Hobbies oder sonstige Interessen. Sie scheint nicht mal die Stadt zu erkunden, obwohl sie nur an vier von sieben Tagen arbeitet und theoretisch genügend Freizeit hätte, nachdem sie sich erst einmal an den neuen Job gewöhnt hat.
Es ist für mich weder nachvollziehbar, was meine Freundin an diesem Roman so toll findet, noch, wieso dieses Buch so viele gute Bewertungen bekommen hat. Die Protagonistin ist mir so auf die Nerven gegangen, der Humor – und ich gehe davon aus, dass all diese Nebenbemerkungen der Protagonistin amüsant sein sollen – liegt mir definitiv nicht, die Handlung ist vorhersehbar und langweilig und die „Liebesgeschichte“ entwickelt sich (wenn auch immerhin angenehm dezent) aus oberflächlichen und für mich nicht nachvollziehbaren Gründen. Außerdem beschleicht mich bei all dem Mangel an Hintergrundinformationen der Verdacht, dass Moira J. Moore keine Antworten auf Nachfragen zu ihrer Welt und ihrer Gesellschaft hätte, was ich frustrierend finde. Normalerweise mag ich es, wenn ich mir Gedanken um den Weltenbau machen kann – aber dafür benötigte ich das Gefühl, dass der Autor diese Informationen ausgelassen hat, weil er sie weiß und sie für die Handlung nur nicht notwendig sind. Alles in allem war das eine sehr ärgerliche Leseerfahrung, die ich nicht wiederholen möchte.
Öhm, das Buch hätte es bei mir auch schwer, weil ich SF nur sehr selten mag, aber wenn ich etwas noch weniger mag, dann sind es Bücher, deren Handlung unlogisch erscheinen. Die Kombination aus beiden wäre dann gar nichts für mich. 😉
Der SF-Anteil spielt überhaupt keine Rolle. Hätte die Autorin den weggelassen, dann hätte das absolut nichts an der Geschichte geändert! Sie hätte einfach nur mit den Naturkatastrophen und den beiden Mädchen, die dagegen angehen konnten, anfangen können. *grummel*
Ich glaube, das Schlimmste beim Lesen war für mich, dass ich die ganze Zeit dachte, dass Patricia C. Wrede oder Tamora Pierce aus der Geschichte so etwas cooles hätten machen können.
Auweia, das klingt ja nicht so toll – offensichtlich ist das Buch zu recht so auf deinem SuB versumpft.
Mich würde ja bei solchen Romanen immer besonders die Zeit interessieren, die übersprungen wird – nämlich die Besiedlung und das erste Anpassen an die neue Umgebung. Schon bei Darkover hat es mich sehr genervt, dass diese Phase weitgehend übersprungen wird. Noch nerviger ist es natürlich, wenn dann auch noch die Gesellschaft zu dem Zeitpunkt, zu dem man sie wieder trifft, dermaßen voller Logikprobleme steckt.
@Neyasha: Bei diesem Buch war es wirklich so – und es wandert beim nächsten Gang in die Richtung auch in den Bücherschrank. Vielleicht gefällt es ja jemand anderem besser.
Ja, das hätte ich auch spannender gefunden, dann hätte die Vorgeschichte vielleicht auch einen Sinn gehabt. Hast du schon mal die Drachenreiter-Romane gelesen? Da springt die Autorin auch sehr in der Zeit, aber sie erzählt genug von der Übergangsphase, dass ich das stimmig finde.
Meinst du die Drachenreiter von Pern? Ich hatte mal den 1. Band auf Deutsch aus der Bücherei zuhause, aber er ist mir sehr sprunghaft vorgekommen und ich habe dann herausgefunden, dass die Übersetzung massiv gekürzt ist. Das Buch habe ich dann auch abgebrochen.
Da es das englische Original nicht in der Bibliothek gibt und mir der Anfang der Reihe nicht gut genug gefallen hat, dass ich sie mir kaufen wollte, habe ich dann nie weitergelesen.
@Neyasha: Jupp. Ich habe damals nicht mit Band 1 angefangen – und war das Sprunghafte durch die Kürzungen von fast all meinen SFF-Romanen gewöhnt. Die Welt ist einfach toll und ihre Figuren auch. Wenn es nicht so viele Titel gäbe, die ich mir gern noch einmal im Original zulegen möchte, um endlich ungekürzte und unbearbeitete Ausgaben zu haben, hätte ich sie mir schon auf englisch neu zugelegt.
MAl abgesehen, dass es eine Strandung war und die "Magie" nicht durch Naturkatastrophen bedingt ist, aber auch dazu dient, die Natur zu beeinflussen, erinnert mich der Beginn (auch) ein wenig an Darkover. 😉 Ich habe es immer bedauert, dass MZB nicht auf die Zeit zwischen Landung und der Zeit des Chaos zurückgekommen ist …
Die Protagonistin hätte bei mir vermutlich dazu geführt, dass ich das Buch wenn nicht abgebrochen, dann zumindest nur noch quer gelesen hätte, um zu sehen, wie es ausgeht. Der Ansatz war ja interessant, aber wie sie sich aufführt ist so ignorant und zugleich vertrauensselig, dass man nur den Kopf schütteln kann.
@Natira: So präsent war der SF-Anteil gar nicht. Bei Darkover gibt es ja relativ viele Geschichten, die sich auch darum drehen, dass der Weltraumhafen Trubel in eine ungewöhnliche (und relativ altmodische) Kultur bringt.
Die Protagonistin hat mich wirklich geärgert. Aber zwischendurch z.B. mit der Polizistin hatte ich ja immer wieder Hoffnung, dass es besser würde. Und irgendwann lohnte sich das Querlesen auch nicht mehr, weil ich schon so weit in dem Roman war. *g*