Mütter in Fantasyromanen …

Mütter oder werdende Mütter in klassischen Fantasyromanen spielen in der Regel nur eine Nebenrolle. Häufig habe ich das Gefühl, dass es eigentlich nur zwei Sorten von Müttern in diesen Geschichten gibt. Die erste Variante hat ihr Kind verlassen, entweder ist hier die Mutter an einer Krankheit verstorben, wurde von irgendwelchen mehr oder weniger namenlosen Bösewichten getötet oder sie spielt so gar keine Rolle, weil das Kind von Fremden aufgezogen wurde (nachdem es auf irgendeiner Schwelle ausgesetzt wurde)

Der andere Typ Mutter ist liebevoll, fürsorglich, tut trotz widriger Umstände alles für die Familie und sorgt dafür, dass das Kind alles mit auf den Weg bekommt, um zu einem anständigen Helden zu werden. Diese Mütter lieben ihre Nachkommen natürlich selbst dann, wenn die Umstände die Kinder dazu zwingen, eine Laufbahn als König der Diebe oder ähnlich Verwerfliches einzuschlagen. 😉 Und diese Mütter dürfen manchmal innerhalb der Geschichte noch ein kleine Rolle spielen, wenn sie zum Beispiel sich neu verlieben, als Heilerin im Hintergrund ständig parat stehen, um den Helden und seine Verbündeten zusammenzuflicken, oder dem Kindchen mal den Kopf zurechtrücken, weil so ein mütterlicher Ratschlag eben doch immer wieder eine nette Möglichkeit ist, um die Handlung endlich wieder etwas in Bewegung zu bringen.

Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, dass mir Geschichten, bei denen Mütter mal eine Hauptrolle übernehmen dürfen, doch etwas länger im Kopf hängenbleiben, selbst wenn ich mich an die eigentliche Handlung nicht mehr richtig erinnern kann.

So geht es mir zum Beispiel mit „Heldenmutter“ von Wolfgang und Heike Hohlbein. Ich habe den Roman vor ungefähr 15 Jahren das letzte Mal gelesen und kann nur noch grob sagen, worum es geht. Aber die Idee, dass eine Frau in den Kampf zieht, damit ihrem Baby – das einer Prophezeiung nach der Auserwählte ist, der das Böse besiegen kann – ein solches Leben erspart bleibt, finde ich auch heute noch sehr reizvoll.

Bei „Die Klingen des Lichts“, dem ersten Band der Reihe „Die magischen Messer“ von Lois McMaster Bujold, ist es eine ungewollte Schwangerschaft, die Fawn vom heimischen Hof weglaufen lässt. Sie ist wild entschlossen, ihr Baby alleine auf die Welt zu bringen und großzuziehen, und wird so in ein fantastisches Abenteuer hineingezogen. Durch ihre Schwangerschaft muss Fawn lernen, in einer unwirtlichen Gegend zu überleben, muss Kämpfe ausfechten, die sie in der Sicherheit des Hofes nie hätte bestehen müssen, und macht insgesamt eine sehr klassische Entwicklung für eine Fantasyheldin durch, auch wenn sie – was ich von Lois McMaster Bujold eher nicht so erwartet hätte – häufig noch das unerfahrene Frauchen ist, das von einem kampferprobten Mann gerettet werden muss (was angesichts ihres Hintergrunds wiederum schon stimmig ist).

Zwei Beispiele, mehr fallen mir zu Müttern als Hauptfiguren in Fantasyromanen nicht ein. Nur noch eine SF-Geschichte, die ebenfalls von Lois McMaster Bujold ist. Nicht mal in Urban-Fantasy-Romanen werden die Mütter mal abseits der Klischees dargestellt, wenn man vielleicht von October Daye (von Seanan McGuire) absieht, deren Tochter nach der Trennung der Eltern beim Vater geblieben ist, oder von Ashe Carver („Seelenkuss“ von Sharon Ashwood), deren Tochter in einem Internat aufgewachsen ist.

Ist euch schon mal ein Fantasyroman mit einer Mutter als Hauptfigur untergekommen?

16 Kommentare

  1. Im ersten Moment dachte ich mir – nee, Mütter in Fantasy als Hauptrolle kenne ich nicht.

    Aber dann fiel mir eine sehr gute Trilogie von Holly Lisle ein, "Das Gesetz der Magie". Darin spielen zwei Frauen die Hauptrollen und eine von denen ist eine Witwe mit einem kleinem Kind.

    Aber ansonsten – vielleicht noch bei Marion Zimmer Bradley? Allerdings fällt mir da kein Titel ein.

  2. Ich habe gerade eine Reihe von Urban Fantasy-Romanen gelesen mit Müttern, aber dabei ging es immer um Mütter, die entweder im Laufe der Geschichte einen Teenager adoptieren (Kate Daniels-Reihe und Blood Rock) oder die ein Kind zur Adoption freigeben mussten (Sign of the Zodiac-Reihe, The Walker Papers-Reihe).

    Ich denke, eine halbwegs nachvollziehbare Reihe, bei der eine Mutter, die mit ihrem Kind (oder ihren Kindern) unter einem Dach lebt los zieht und Abenteuer erlebt ist eher schwierig zu schreiben. Entweder müsste man da Kind bei jeder Gelegenheit zu einer anderen Aufsichtsperson abschieben oder die Mutter müsste das Kind auf Abenteuer mitnehmen.

    Mir fällt noch eine ein, die Dark Swan-Reihe, Mutter, die für ihre Kinder in den Krieg zieht. Und bei den Dresden Files gibt es mindestens einen Band, wo Charity Carpenter auch mit kämpfen geht.

    Vielleicht geht es mit Müttern in Fantasy ja aufwärts.

  3. Hm, ich hab mal ein wenig nachgedacht und muss sagen, dass mir auch nicht unbedingt Fantasyromane mit Vätern als Hauptfigur einfallen. Wie Susanne schon schrieb, ist sowas auch mit den üblichen Fantasyplots nur schwer in Einklang zu bringen. Mutter- oder Vaterdasein schränkt ja schon recht ein.

    An klassischen Fantasyromanen ist mir auf alle Fälle sofort das Lied von Eis und Feuer eingefallen. Da ist Catelyn als mehrfache Mutter ja eine ganze Weile lang eine der wichtigeren Perspektiventrägerinnen – und die Tatsache, dass sie Mutter ist, bestimmt ihr Handeln ja ganz enorm.
    Dann "Die vergessenen Tiere von Eld" von Patricia McKillip. Die Hauptfigur ist zwar keine leibliche Mutter, sondern hat eher so etwas wie einen Ziehsohn, aber rein emotional würde ich sie dennoch als Mutter bezeichnen.

    Etwas weiter weg von der klassischen Fantasy wär mir dann im historisch-phantastischen Bereich noch "Der Sohn der Schatten" von Juliet Marillier eingefallen, wo die Ich-Erzählerin etwa die Hälfte des Romans lang zunächst schwanger und dann eben Mutter ist.

    Sind jetzt auch nicht so wahnsinnig viele Beispiele, aber ich muss gestehen, dass ich auch gar nicht allzu gern aus der Sicht von Müttern lese.

  4. @Hermia: Ah, die Reihe kenne ich von Holly Lisle gar nicht. Bei Marion Zimmer Bradley hatte ich auch überlegt, aber mir war spontan auch nichts eingefallen – was aber vermutlich auch daran liegt, dass ich inzwischen viele ihrer Darkover-Romane nicht mehr so richtig auf die Reihe bekomme.

  5. @Susanne: Gerade in Urban-Fantasy-Romanen gibt es sehr häufig Wendungen, die dazu führen, dass die Hauptfigur sich um einen Schützling im Teenageralter kümmern muss. Nur tauchen diese Figuren halt erst als Teenies auf und sind nicht die leiblichen Kinder! Mein Mann meint, dass das daran liegen würde, dass sich der Autor 1. keine glaubhafte Vergangenheit für Mutter und Kind ausdenken muss und 2. eine nicht blutsverwandte Person sich schneller wieder "rausschreiben" lässt.

    Und wenn ich überlege, in wie vielen Fantasyromanen die Leute in einer Art WG mit ihren Verbündeten leben, dann müssten sich da doch Lösungen finden lassen …

    Von wem ist die Dark-Swan-Reihe? Das wäre ja das gleiche Motiv wie bei der Heldenmutter.

  6. @Neyasha: Ich würde jetzt auch nicht sagen, dass ich solche Geschichten bevorzugt lesen würde. Aber da ich schon mal über den Gedanken gestolpert war, habe ich mich eben gefragt, ob es da nicht doch mehr Geschichten gibt als ich kenne. So ungewöhnlich wäre es ja nicht für eine "realistische" Figur in einem bestimmten Alter, das sie Kinder hat.

    Väter kommen meinem Gefühl nach deutlich häufiger vor, auch wenn sie oft Frau und Kinder im Heimatort zurücklassen und die Familie so nur eine Rolle spielt, wenn Mann sich vor einer Schlacht noch einmal vor Augen führt, was er alles zu verlieren hat. Oder das Väterchen muss sich ins Abenteuer stürzen, um das Kind aus Gefahren zu retten – oh, und dann gibt es noch die Variante, dass ein Vater gemeinsam mit dem Teenagersohn in den Kampf zieht. Dann ist der Sohn aber in der Regel mehr ein "unterhaltsames" Anhängsel (und gehört eher zum Sidekick als zur Hauptfigur).

    Hm … vielleicht sollte ich doch mal wieder ein Buch von Juliet Marillier lesen. 😉

  7. Mir fällt da gerade Alison Sinclairs "Nachtgeboren" ein, das mir auch deshalb so gut gefallen hat, weil es sich getraut hat, mal nicht das emanzipiert-freche Frauenklischee zu bedienen.
    Telmaine und Balthasar, zwei der Hauptfiguren, haben jedenfalls zwei Töchter, wobei eine im Verlauf der Handlung entführt wird.

    Ich muß aber auch zugeben, daß ich nach dieser Perspektive bisher nicht bewußt Ausschau gehalten habe 🙂

  8. Das ist ja eine spannende Fragestellung, liebe Winterkatze. Und dass es in dem weiten Feld offenbar so wenig Beispiele für Mütter-Heldinnen gibt, ist etwas traurig. Sollte nicht gerade Fantasy dafür da sein, andere Rollen ausleben zu können? Andererseits ist Frauen als Autorinnen und Leserinnen die Mütterrolle vielleicht auch so "normal", dass sie die nicht nur in ihrem Buch-Eskapismus brauchen? Ich kenne mich im Fantasy-Genre noch nicht so aus, aber bei den Krimis ist das nicht sonderlich anders. Was sicher auch daran liegt, dass eine Heldin-Mutter, die auszieht und kämpft anstatt sich um ihr Kind zu kümmern eher negativ wahrgenommen werden könnte. (Es sei denn, sie kann nicht anders.) Und ich denke, dass eine glaubwürdig geschriebene Mutter-Heldin vielleicht auch nicht jedes Risiko eingehen würde in Gedanken an ihr Kind – was wiederum der Geschichte etwas Schärfe nehmen könnte.
    Danke für die Gedankenanregung… LG Mila

  9. @Kiya: Noch eine Serie, die ich nicht kenne, aber deren Grundidee ich sehr reizvoll finde. Hatte dir das gefallen?

    Bewusst hatte ich danach auch nicht Ausschau gehalten. Aber nachdem ich mal wieder darüber gemeckert hatte, dass die weibliche Hauptfigur einer Reihe schon wieder einen Teenager "adoptiert" und der dann als Druckmittel gegen sie verwendet wird, habe ich angefangen über das Thema nachzudenken. 😉

  10. @Mila: Bei älteren Fantasyromanen gibt für die Frauen in manchen Kulturen die Wahl zwischen Kind und Kampf und wenn eine Kriegerin sich dann doch für eine Familie entscheidet, dann muss sie eben ihren Beruf aufgeben. Ich habe das Gefühl, dass dies in moderneren Fantasyromanen nicht mehr thematisiert wird. Dafür wird das Thema dann umschifft, in dem man den Frauen schon ältere Kinder (oft mit besonderen Begabungen) "zulaufen" lässt.

    Ich fände es sehr spannend mehr glaubwürdige Mutter-Heldinnen in Romanen zu finden. Denn gerade das Einschätzen von Risiken kann doch auch zu viel Spannung führen. Und eine Frau, die eine zusätzliche Motivation hat, weil sie ihre Familie beschützen muss, kann doch ganz andere Energien aktivieren als jemand, der diese extra Anreiz nicht hat.

  11. Die ich sogar kommentiert hatte … Mein Erinnerungsvermögen braucht gerade mal wieder einen Energieschub! *tststs* Ich glaube, ich setze den ersten Band mal auf die Weihnachtswunschliste! 🙂

  12. Mein erster Gedanke in diesem Zusammenhang war auch Marion Zimmer Bradley und ihr Darkover-Zyklus, aber ich kann nicht sagen, ob dort tatsächlich Mütter mit Kind Protagonistinnen sind. Dafür habe ich die Romane zu lange nicht gelesen. Aber wenn ich mich richtig erinnere, werden Frauen und Kinder in diesem Zyklus jedenfalls regelmäßig in verschiedenen Richtungen thematisiert, sei es bei den Entsagenden, den Frauen der Trockenstädte, den Jungfrauen bzw. irgendwann nicht mehr Jungfrauen in den Türmen oder in den Domänen. Natürlich erinnere ich mich gerade an ein Gegenbeispiel (Mutter stirbt im Kindbett wegen Laran, war das in Herrin der Stürme?) 🙂

    Ich lese für diese Frage offenbar zu selten Fantasy 🙂

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