Simone Buchholz: Revolverherz

Da demnächst der zweite Teil (mit dem schönen Titel „Knastpralinen“) um die Staatsanwältin Chas Riley bei mir eintreffen wird, dachte ich, dass es an der Zeit sei „Revolverherz“ mal auf meinem Blog vorzustellen. Ich muss gestehen, dass mich das Cover mit der auffälligen Leuchtreklame doch eine Weile vom Lesen abgehalten hat, obwohl mich ein Hamburg-Krimi, der auf dem Kiez spielt, schon sehr reizte.

Aber sehr viel Krimihandlung darf man sich von diesem Roman nicht erwarten, denn vor allem dreht sich das Buch um Chastity „Chas“ Riley – und natürlich um den Hamburger Stadtteil St. Pauli. Als innerhalb kürzester Zeit drei tote Frauen auf dem Kiez gefunden werden, wird Chas mit den Ermittlungen in diesen Fällen beauftragt. Zusammen mit dem Hauptkommissar Faller versucht die junge Frau mehr über die Opfer herauszufinden und zu klären, welche Umstände dafür gesorgt haben, dass sie in das Visier eines Serientäters gelangen konnten.

Dabei hat Chas eigentlich gerade so viel mit ihrem eigenen Gefühlschaos zu tun, dass sie nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf den Fall richten kann. Wie es sich für eine etwas klischeebelastete Krimihauptfigur gehört, hatte auch diese Staatsanwältin keine einfache Jugend. Schon als Kleinkind wurde sie von ihrer Mutter verlassen und an ihrem zwanzigsten Geburtstag fand sie die Leiche ihres Vaters. Der hatte freundlicherweise beschlossen, dass dies der perfekte Tag für einen Selbstmord sei. So vorbelastet hat die gute Chas so einige Bindungsängste – was natürlich nicht besser wird, als sie feststellt, dass sie sich in den deutlich jüngeren Nachbarn „Klatsche“(zu diesem Namen verkneife ich mir lieber einen ausführlichen Kommentar) verliebt hat. Aber auch ein durch ihrer Freundin Carla vermitteltes Date mit einem eher unterkühlten Theaterintendanten bringt weitere Aufregung in Chastitys Leben.

Wenn man jetzt mal guckt, wieviel ich zum Krimi und wieviel ich über die Hauptfigur geschrieben habe, dann bekommt man schon ein ungefähres Gefühl über die Gewichtung in diesem Roman. Wer also reine Krimihandlung haben möchte, der sollte die Finger von diesem Buch lassen. Oh, ebenso alle Personen, die es nicht mögen, wenn etwas in der Ich-Perspektive geschrieben wurde! Denn genau aus dieser Sicht erlebt man die ganze Geschichte – und somit auch hautnah Chas gesamtes Seelenleben mit allen Höhen (eher spärlich vorhanden) und Tiefen (in großen Mengen).

Es gibt wirklich viel, was mich an der Handlung gestört hat. So wusste ich schon beim ersten Erscheinen des Täter, dass dieser der Mörders ist. Auch sucht man den Realismus bei diesen „Ermittlungen“ wohl eher mit der Lupe – zumindest gehe ich stark davon aus, dass eine Staatsanwältin mit dieser Arbeitshaltung, die nur ab und an mal für ein paar Minuten in ihrem Büro auftaucht und sich dafür den restlichen Tag eher treiben lässt, schnell gefeuert würde. Auch ihre „besondere Fähigkeit“ sich in die Psyche des Täters hineinzuversetzen hat mir nur ein müdes Gähnen abgerungen. Sorry, aber ich habe einfach schon zu viele (und zum Teil erschreckend schlechte) amerikanische Profiler-Serien gesehen.

Wahrscheinlich fragt ihr euch jetzt, warum ich überhaupt den zweiten Band lesen werde? Es ist so, dass man jeder Seite anmerkt, dass die Autorin sich in St. Pauli verliebt hat und dieses Buch ist eine einzige Liebeserklärung an diesen Stadtteil. Hier kommen auf einmal Details, die mich fasziniert haben und das Bedürfnis weckten, mit diesem Roman in der Hand ein paar Tage in Hamburg zu verbringen und zu gucken, wie die beschriebenen Ecken wirklich aussehen. Von der eher konservativen Wohngegend über die einschlägigen Viertel bis zum Hafen wird man in dieser Geschichte geführt und empfindet – dank dieser liebevollen Darstellungen – eine gewisse Zuneigung zu diesem Teil der Stadt.

Da sich diese Liebe zu St. Pauli durch das ganze Buch zieht, konnte ich die eher belanglose Krimihandlung ein wenig zur Seite drängen und mich auf diesen Part konzentrieren. So gesehen übte „Revolverherz“ einen gewissen Reiz auf mich aus. Und während ich sonst mit allzu blumigen Beschreibungen nur wenig anfangen kann, empfand ich einige der ungewöhnlichen Vergleich der Autorin als sehr stimmungsvoll. Ebenso wie die Dialoge, die für meinen Geschmack gerade genug Dialekt aufwiesen, um atmosphärisch zu sein, ohne dass die Lesbarkeit darunter litt. So bin ich gespannt, wie Simone Buchholz die zweite Geschichte um Chas Riley angelegt hat und hoffe ein wenig, dass auch dieses Buch eine Liebeserklärung an St. Pauli sein wird – und vielleicht trotzdem etwas mehr Realismus aufzuweisen hat.

11 Kommentare

  1. Also, das erste war mir gerade auffiel, war die ungewöhnliche Namensgebung für die Hauptfigur, aber geschenkt 🙂 Das Coverbild wird mir übrigens nicht angezeigt, keine Ahnung, ob es ein Problem bei mir ist oder bei Blogger…

    Ich habe eine "Krimi"Serie, in der zwar Leichen auftauchen, der Fall und die Ermittlung durch die Protagonistin/en jedoch so obskur ist, daß es natürlich nicht um den Krimi geht, sondern die Charaktere ;). Die grundlegenden Fakten – zeitlich und in Bezug auf Ägypten – sind, wie ich denke, aber auch in dieser Serie richtig recherchiert. Ich spreche von der Amelia-Peabody-Reihe von Elizabeth Peters, die ich überwiegend unterhaltsam und erheiternd finde.

    Deine Einstellung zum Weiterlesen kann ich daher teilweise nachvollziehen. Wenn mir aber auch in Teil 2 Storyelemente "aufstoßen" würden, käme für mich wohl der Serienabbruch Betracht. Es wird ja auch in anderen Büchern Liebeserklärungen an Hamburg und St. Pauli geben … 😉

    Lg Natira

  2. Liebe Winterkatze,

    als erstes, ich kann das Coverbild bei mir sehen. Aber vielleicht hast du ja im Laufe des Abends schon etwas verändert.

    Die Idee, mit dem Buch in der Hand durch Hamburgs St.Pauli zu spazieren hört sich wirklich gut an.Das hab ich mal zusammen mit einer Freundin in Edinburgh gemacht. Ich bin ziemlicher Ian Rankin Fan ( aber nur die Rebus-Reihe 🙂 ) und das hat echt Spass gemacht, sich all Lokalitaeten aus dem Buch anzuschauen. Abschliessend sind wir auch noch in den Lieblingspub des Protagonisten gegangen und haben, natürlich………ein schönes, frisch gezapftes Guiness geschlürft. Hm, lecker.

    Bin eine ziemliche Krimi-Mimi und versuche auch immer schon am Anfang, den Mörder ausfindig zu machen. Vielleicht wäre das ja mal ein Buch für mich. Bin Krimi-maessig, glaub ich, ziemlich festgefahren. Wie gesagt, alles von Ian Rankin, ansonsten einiges von Henning Mankell oder überhaupt die ganzen Skandinavier. Die sind immer so herrlich makaber ;-). Zeit, was neues auszuprobieren.

    Lg

    Siobhan

  3. Ich sehe das Coverbild jetzt auch ;), es hätte mich innehalten und auf die Rückseite schauen lassen. Allerdings kann ich nicht sagen, ob ich den Roman nach dem Klappentext mitgenommen hätte…
    Lg Natira

  4. Das klingt ja nicht, als wäre das ein Buch für mich. Ich fürchte, ein Krimi, der sich im Wesentlichen dadurch auszeichnet, St. Pauli zu huldigen, ist mir nicht Krimi genug – auch wenn St. Pauli zweifellos ein interessantes Milieu ist!

  5. @Natira: Ich fürchte, das fehlende Coverbild gestern lag an "dir".

    Die Peabody-Krimis kenne ich und mag ich sehr! Wobei du schon recht hast, dass sie recht wenig Krimi sind. Aber dafür bieten sie Atmosphäre, liebenswerte Charaktere und amüsante Szenen – und somit deutlich mehr Qualität als dieser Krimi.

    Was "Knastpralinen" angeht, ist dies für mich die zweite Chance, die ich der Autorin gebe. Gelingt es ihr die positiven Aspekte beizubehalten und die Minuspunkte zu beseitigen, dann greife ich vielleicht auch zu einem eventuellen dritten Band – wenn nicht, dann werde ich das bestimmt nicht weiter verfolgen. Dafür gibt es zuviele richtig gute Autoren! 🙂

    @Siobhan: Lieben Dank, dass du mir versichert hast, dass das Cover zu sehen ist. Da beim Hochladen gestern ein zweiter Versuch nötig war, hätte es wirklich sein können, dass was schiefgelaufen ist.

    Zum Mitraten ist dieser Krimi überhaupt nicht geeignet, denn die Mördersuche erfolgt eher intuitiv, sprunghaft – und für den Leser ist viel zu schnell klar, wer dafür in Frage kommt (sogar noch, bevor man überhaupt den Namen der Person erfährt!).

    Kennst du schon die Deborah Crombie? Wenn nicht, dann möchte ich dir die Autorin wirklich ans Herz legen! 🙂

    Edingburgh würde ich auch gern einmal entdecken! Ich habe schon auf deinem Blog das Foto von der "Stadt unter der Stadt" bewundert – und eine Freundin von mir schwärmt so für die Stadt. Sollte ich je dahin gelangen, frage ich dich noch einmal, welches Rankin-Buch du als "Reiseführer" empfehlen würdest. 😉

  6. @Natira: Inzwischen ist die Taschenbuchausgabe von "Revolverherz" auf dem Markt und das Cover ist deutlich dezenter. Man sieht eine Ziegelmauer auf der ein Anker mit Herz gemalt wurde. Das Cover des zweiten Bandes ist ähnlich aufgebaut, dieses Mal gibt es wohl eine Holzwand und der Anker ist deutlich dezenter in die Ecke gepackt worden. 😉

    Was Klappentexte angeht, so bin ich inzwischen eher offener für die geworden. Nur selten geben sie inzwischen noch einen Hinweis, was den Leser mit einem Buch erwartet. Zu ärgerlich, dass man bei sovielen Büchern nicht erst reinlesen kann, bevor man sie ins Auge fasst. 😉

    @Irina: Ich glaube auch nicht, dass das ein Buch für dich wäre. Zuviele Punkte, die dich ärgern würden. Bei der problembeladenen Protagonistin angefangen über den fehlenden Kriminalfall bis zu den Bettszenen 😉 gäbe es für dich wohl zu viele "Aufreger" – wobei so ein Verriss aus deinem Munde bestimmt auch gut zu lesen wäre. >dumdidum<

  7. Zu den "Klappentexten" gebe ich Dir schon recht. Trotzdem sind sie für mich neben dem Cover "zweiter" Anhaltspunkt, ggf. gefolgt von einem Daumenblättern im Buch und dem Anlesen auf einer bzw. mehreren beliebigen Seiten (außer der letzten!)

    Keine Ahnung, was mein Acer gestern hatte, beim "zweiten" Versuch, war das Coverbild da.

    Und was Edinburgh angeht, zuckt mein Arm bei Siobhan auch immer mal wieder hoch. Mal sehen, wir könnten dann ja ein Minitreffen im "Rebus"-Pub veranstalten …

    Lg Natira

  8. @ Winterkatze u. Natira

    Oh ja, oh ja, ich bin sofort dabei. Ein gepflegtes Guiness in der " Oxford Bar ", das wär mal was.*nickt"

    Schönen Tag noch.

    Lg

    Siobhan

    Oh, ach ja, danke für den Typ von Deborah Crombie. Ich kenne sie noch nicht, werd aber das nächste mal, wenn ich wieder in der Buchhandlung bin, Ausschau nach ihr halten 🙂

  9. @Siobhan: Gern geschehen! Vielleicht bekomme ich demnächst mal einen Blogeintrag zu der Autorin auf die Reihe, dann gibt es weitere Informationen zu ihr. Allerdings würde ich dir jetzt schon raten mit dem ersten Band von ihr anzufangen ("Das Hotel im Moor" – gibt es immer noch als Doppelband mit dem zweiten Teil "Alles wird gut"), da die privaten Entwicklungen bei den beiden Polizisten kontinuierlich weitergeführt werden. Und ich glaube, mir hätte es ein wenig den Spaß verdorben, wenn ich einen schon am Anfang gewußt hätte, wie es in der Richtung ausgeht. 🙂

    Auch dir noch einen schönen Tag! 🙂

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