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Simone Buchholz: Knastpralinen

Im März hatte ich hier auf dem Blog „Revolverherz“, den ersten Band rund um die Staatsanwältin Chas Riley, vorgestellt. Schon bei diesem Roman von Simone Buchholz hatte ich kräftig kritisiert, dass die Kriminalgeschichte unglaubwürdig, durchschaubar und wenig realistisch ist. Aber dafür hatten mich die schöne Sprache der Autorin und die wundervoll atmosphärischen Beschreibungen von Sankt Pauli mit der schwachen Geschichte ausgesöhnt. Also habe ich mir an diesem Wochenende den zweiten Teil, „Knastpralinen“, vorgenommen, der damit anfängt, dass in der Elbe kurz hintereinander zwei sorgfältig verklebte Plastikbeutel gefunden werden, in denen sich jeweils ein Kopf und die Hände und Füße eines Mannes befinden.

So muss Chastity Riley nicht nur einen Prozess gegen eine Bande von Mädchenhändern, sondern auch noch die Mordermittlungen im Fall der getöteten Männer führen. Doch leider fehlen der Polizei jegliche Hinweise auf den oder die Täter, was sich auch nicht ändert, als ein dritter (diesmal vollständiger) Ermordeter in der Elbe gefunden wird. Neben den beruflichen Problemen kämpft Chas auch noch mit ihrer Beziehung zu dem fünfzehn Jahr jüngeren „Klatsche“ und muss sich um ihre Freundin Carla kümmern, die in ihrem eigenen Café nach Feierabend vergewaltigt wurde.

Mit all diesen Zutaten müsste sich doch ein spannender Krimi schreiben lassen, aber auch „Knastpralinen“ versagt in dieser Hinsicht. Ebenso wie Chas Riley haben mich die Morde an den verschiedenen Männern kalt gelassen, aber nicht nur dieser Fall war mir egal, auch die verschiedenen Hauptfiguren. Selbst Carla, die ich in „Revolverherz“ ins Herz geschlossen hatte, war mir recht gleichgültig – obwohl ich sonst bei dem Thema Vergewaltigung und Gewalt gegen Frauen doch recht empfindlich bin.

Das Mordmotiv wurden einem hier auf dem Silbertablett präsentiert ebenso wie der Täter! Ich hasse es, wenn ich einen Krimi lese und der Autor den Mörder so in die Geschichte einbaut, dass man das Gefühl hat, er wird die ganze Zeit mit einem Scheinwerfer und blinkenden Weihnachtsbaumketten beleuchtet, damit man auch ja nicht verpasst, dass hier eine verdächtige Person rumläuft! Das war es also mit der Hoffnung, dass Simone Buchholz den Krimianteil bei ihrem zweiten Chas-Riley-Buch besser macht.

Doch es gab ja zwei Dinge, die mir bei „Revolverherz“ gefallen hatten, einmal die Sprache und dann die Atmosphäre. Die ungewöhnliche und doch klare Sprache ist geblieben und die habe ich auch in „Knastpralinen“ wieder würdigen können. Doch gelingt es Simone Buchholz mit diesem Roman nicht bei mir eine Sehnsucht nach Sankt Pauli auszulösen. Die Geschichte spielt in einem sehr heißen Sommer, was ein Grund dafür ist, dass alle Bewohner der Stadt träger und langsamer sind. Aber diese Trägheit hat sich auch auf mich als Leser gelegt. Ein heißer Tag in der Großstadt, das kenne ich, das hasse ich – und das fühlte sich beim Lesen nicht anders an als ein Tag in Köln, in Frankfurt, in München, in … Nur ganz selten gelingt es der Autorin etwas zu beschreiben, das sich für mich von anderen Städten abhebt.

Diese Passagen sind zwar dann so gut gelungen, dass sie in meiner Erinnerung haften blieben, wie das Kaffeetrinken am Sonntagmorgen auf der Straße, ein angsteinflößender Schuster oder ein kurzer Moment unter einem Leuchturm, aber diese wenigen Szenen reichen nicht, um mich für den Rest des Buches zu entschädigen. Ich glaube nicht, dass ich noch einen weitere Roman rund um Chas Riley lesen werde – und da mich die anderen Titel, die Simone Buchholz bislang veröffentlicht hat, auch nicht reizen, war es das wohl erst einmal für mich mit der Autorin.

Simone Buchholz: Revolverherz

Da demnächst der zweite Teil (mit dem schönen Titel „Knastpralinen“) um die Staatsanwältin Chas Riley bei mir eintreffen wird, dachte ich, dass es an der Zeit sei „Revolverherz“ mal auf meinem Blog vorzustellen. Ich muss gestehen, dass mich das Cover mit der auffälligen Leuchtreklame doch eine Weile vom Lesen abgehalten hat, obwohl mich ein Hamburg-Krimi, der auf dem Kiez spielt, schon sehr reizte.

Aber sehr viel Krimihandlung darf man sich von diesem Roman nicht erwarten, denn vor allem dreht sich das Buch um Chastity „Chas“ Riley – und natürlich um den Hamburger Stadtteil St. Pauli. Als innerhalb kürzester Zeit drei tote Frauen auf dem Kiez gefunden werden, wird Chas mit den Ermittlungen in diesen Fällen beauftragt. Zusammen mit dem Hauptkommissar Faller versucht die junge Frau mehr über die Opfer herauszufinden und zu klären, welche Umstände dafür gesorgt haben, dass sie in das Visier eines Serientäters gelangen konnten.

Dabei hat Chas eigentlich gerade so viel mit ihrem eigenen Gefühlschaos zu tun, dass sie nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf den Fall richten kann. Wie es sich für eine etwas klischeebelastete Krimihauptfigur gehört, hatte auch diese Staatsanwältin keine einfache Jugend. Schon als Kleinkind wurde sie von ihrer Mutter verlassen und an ihrem zwanzigsten Geburtstag fand sie die Leiche ihres Vaters. Der hatte freundlicherweise beschlossen, dass dies der perfekte Tag für einen Selbstmord sei. So vorbelastet hat die gute Chas so einige Bindungsängste – was natürlich nicht besser wird, als sie feststellt, dass sie sich in den deutlich jüngeren Nachbarn „Klatsche“(zu diesem Namen verkneife ich mir lieber einen ausführlichen Kommentar) verliebt hat. Aber auch ein durch ihrer Freundin Carla vermitteltes Date mit einem eher unterkühlten Theaterintendanten bringt weitere Aufregung in Chastitys Leben.

Wenn man jetzt mal guckt, wieviel ich zum Krimi und wieviel ich über die Hauptfigur geschrieben habe, dann bekommt man schon ein ungefähres Gefühl über die Gewichtung in diesem Roman. Wer also reine Krimihandlung haben möchte, der sollte die Finger von diesem Buch lassen. Oh, ebenso alle Personen, die es nicht mögen, wenn etwas in der Ich-Perspektive geschrieben wurde! Denn genau aus dieser Sicht erlebt man die ganze Geschichte – und somit auch hautnah Chas gesamtes Seelenleben mit allen Höhen (eher spärlich vorhanden) und Tiefen (in großen Mengen).

Es gibt wirklich viel, was mich an der Handlung gestört hat. So wusste ich schon beim ersten Erscheinen des Täter, dass dieser der Mörders ist. Auch sucht man den Realismus bei diesen „Ermittlungen“ wohl eher mit der Lupe – zumindest gehe ich stark davon aus, dass eine Staatsanwältin mit dieser Arbeitshaltung, die nur ab und an mal für ein paar Minuten in ihrem Büro auftaucht und sich dafür den restlichen Tag eher treiben lässt, schnell gefeuert würde. Auch ihre „besondere Fähigkeit“ sich in die Psyche des Täters hineinzuversetzen hat mir nur ein müdes Gähnen abgerungen. Sorry, aber ich habe einfach schon zu viele (und zum Teil erschreckend schlechte) amerikanische Profiler-Serien gesehen.

Wahrscheinlich fragt ihr euch jetzt, warum ich überhaupt den zweiten Band lesen werde? Es ist so, dass man jeder Seite anmerkt, dass die Autorin sich in St. Pauli verliebt hat und dieses Buch ist eine einzige Liebeserklärung an diesen Stadtteil. Hier kommen auf einmal Details, die mich fasziniert haben und das Bedürfnis weckten, mit diesem Roman in der Hand ein paar Tage in Hamburg zu verbringen und zu gucken, wie die beschriebenen Ecken wirklich aussehen. Von der eher konservativen Wohngegend über die einschlägigen Viertel bis zum Hafen wird man in dieser Geschichte geführt und empfindet – dank dieser liebevollen Darstellungen – eine gewisse Zuneigung zu diesem Teil der Stadt.

Da sich diese Liebe zu St. Pauli durch das ganze Buch zieht, konnte ich die eher belanglose Krimihandlung ein wenig zur Seite drängen und mich auf diesen Part konzentrieren. So gesehen übte „Revolverherz“ einen gewissen Reiz auf mich aus. Und während ich sonst mit allzu blumigen Beschreibungen nur wenig anfangen kann, empfand ich einige der ungewöhnlichen Vergleich der Autorin als sehr stimmungsvoll. Ebenso wie die Dialoge, die für meinen Geschmack gerade genug Dialekt aufwiesen, um atmosphärisch zu sein, ohne dass die Lesbarkeit darunter litt. So bin ich gespannt, wie Simone Buchholz die zweite Geschichte um Chas Riley angelegt hat und hoffe ein wenig, dass auch dieses Buch eine Liebeserklärung an St. Pauli sein wird – und vielleicht trotzdem etwas mehr Realismus aufzuweisen hat.