Von Aliette de Bodard hatte ich vor „In the Vanishers‘ Palace“ nur Kurzgeschichten gelesen; da ich diese aber sehr mochte, wollte ich von der Autorin gern auch mal einen Roman lesen. „In the Vanishers‘ Palace“ spielt in einer postapokalyptischen vietnamesischen Welt, die von den „Vanishers“ ausgebeutet und zerstört wurde, bevor diese die Welt wieder verließen und es den Menschen überließen, mit all den Folgen fertig zu werden. Für die Menschen bedeutet dies ein Leben voller Hunger, Armut und Angst vor den diversen Krankheiten, die durch die Vanishers verursacht wurden. Einzige Hoffnung gegen all dies bietet die traditionelle Magie, doch das magische Wissen der Menschen ist kaum noch vorhanden, und nur wenige sind überhaupt in der Lage, Magie zu wirken. Strenge Hirachien haben sich in den verbliebenen Ortschaften ausgebildet, und wer für die Gemeinschaft nicht mehr von Nutzen ist oder an einer ansteckenden Krankheit leidet, wird aus den Dörfern vertrieben oder zeremionell getötet.
Erzählt wird die Handlung in „In the Vanishers‘ Palace“ vor allem aus der Sicht von Yên, die als Lehrerin in einem kleinen Dorf lebt und (so gut es geht) ihre Mutter unterstützt, die wiederum die Heilerin des Ortes ist. Als die Tochter einer der einflussreichsten Personen an einer tödlichen Krankheit leidet, sieht sich Yêns Mutter zu drastischen Maßnahmen gezwungen und ruft einen Drachen herbei – wohl wissend, dass ein Drache seine Magie niemals wirkt, ohne einen gerechten Preis dafür zu verlangen. Aus dieser Ausgangssituation erschafft Aliette de Bodard eine fantastische Geschichte, die die vertrauten Elemente aus „Beauty and the Beast“ als Basis hat und durch vietnamesische Sagen, zwei starke Protagonistinnen sowie eine ungewöhnliche und wunderschöne Liebesgeschichte bereichert wird.
Es gelingt der Autorin, so viele Dinge in ihre Geschichte zu packen, dass ich gar nicht so recht weiß, wo ich anfangen soll und was ich überhaupt erwähnen kann, ohne zu viel über die Handlung zu verraten. Vor allem haben mich Aliette de Bodards Figuren beeindruckt, denn sie sind – unabhängig davon, wie viel Macht oder Wissen sie haben – glaubwürdig gestaltet mit Stärken und Schwächen, die im Leser nachklingen. Selbst Vu Côn, die als Drache über mehr Magie, Lebenserfahrung und Wissen verfügt als alle anderen Charaktere in diesem Roman, muss sich im Laufe der Geschichte ihren Schwächen und Fehlentscheidungen stellen und sich weiterentwickeln, und wie es dazu kommt, ist wirklich berührend zu verfolgen. Am Schluss des Romans steht vor allem die Erkenntnis, dass es eigentlich egal ist, ob jemand ein Mensch, ein Drache oder gar ein Vanisher ist, denn nicht die Herkunft und die Fähigkeiten, sondern die Entscheidungen, die eine Person trifft, machen einen aus. So ist es nur stimmig, dass „In the Vanishers‘ Palace“ kein rosiges Happy End aufweist, sondern ein Ende, das viele Wege für die Zukunft der beteiligten Figuren ermöglicht und ihnen zeigt, dass es in ihren Hände liegt, daraus das Beste zu machen.