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Ariana Franklin: Die Teufelshaube

„Die Teufelshaube“ ist Ariana Franklins zweiter Roman um Adelia Aguilar, eine Sizilianerin, die an einer der modernsten Schulen ihrer Zeit Medizin studiert hat und nun in England lebt. All das wäre nicht so besonders, wenn die Geschichten rund um diese energische Frau nicht zur Regentschaft Heinrich II. spielen würden. Im rückständigen England ist es nicht nur absolut unvorstellbar, dass eine Frau als Ärztin arbeitet (mal davon abgesehen, dass es hier so etwas wie eine fundierte Ausbildung in diesem Bereich gar nicht gibt), sondern die Tatsache, dass Adelia sich auch noch auf die Untersuchung von Verstorbenen spezialisiert hat, wäre ein Grund sie als Hexe hinzurichten. Achja, man kann „Die Teufelshaube“ auch ohne Vorwissen aus „Die Totenleserin“ verstehen, aber ich persönlich würde doch empfehlen die Bücher der Reihe nach zu lesen.

Bei „Die Totenleserin“ habe ich mich wirklich gut amüsiert. Adelia war in dem Buch eine toughe Frau, die mit den Sitten in England nur schlecht zurechtkam. Allein die Tatsache, dass sie ihren Begleiter Mansur (ein Sarazene) als Arzt ausgeben musste, damit sie seine Assistentin spielen konnte, ging ihr gehörig gegen den Strich. Aber sie war nun einmal vom sizilianischen König losgeschickt worden, um zusammen mit dem königlichen Ermittler Simon für Heinrich II. eine Reihe von Kindsmorden aufzuklären. Tja, die Sache hat sie dann so gut gemacht, dass Heinrich sie nicht wieder gehen lassen wollte – und nun sitzt Adelia in England fest und versucht sich in „Die Teufelshaube“ irgendwie mit der Situation zu arrangieren.

Natürlich bekommt sie zu Beginn des Buches wieder einen Auftrag aufs Auge gedrückt, dieses Mal geht es um einen erfolgreichen Mordanschlag auf Rosamund Clifford, die Geliebte Heinrich II. und die einzige Frau, mit die Königin sich nicht abfinden kann. Nur wenn es Adelia gelingt nachzuweisen, wer diese Frau vergiftet hat – und vor allem, dass dies nicht im Auftrag der Königin geschah – lässt sich ein Bürgerkrieg in England vermeiden. Doch die Medizinerin ist erstaunlich wenig an diesem Fall interessiert. Gerade erst ist sie Mutter geworden (natürlich ohne einen passenden Ehemann dabei, wie es sich für eine anständige Frau gehören würde) und nun kreisen all ihre Gedanken um ihr Kind.

Tja, und das ist das große Problem an diesem Buch! Im ersten Band war Adelia eine unglaublich neugierige Wissenschaftlerin, die sich in einem Problem verbeißen konnte ohne dabei auf ihre Umgebung – oder gar auf Gefahren für ihr eigenes Leben – zu achten. Nun aber lässt sie sich schon von jeder Kleinigkeit einschüchtern, ist trotzig und passiv und eigentlich nur daran interessiert, wie sie ihren Hintern aus dieser Sache wieder rausbekommt.

Hier bastelt Ariana Franklin zwar auch die eine oder andere stimmungsvolle „Familienszene“ ein, aber überzeugend entwickelt sie Adelia so nicht weiter. Wirklich aktiv ist die Medizinerin nicht an der Lösung des Problems beteiligt, wirkt statt dessen wie ein hilfloses Püppchen, das nach Belieben der verschiedenen Parteien positioniert wird. Ohne die wunderbar kauzigen Nebenfiguren, wie ihre alte Freundin Gyltha oder der Sarazene Mansur (der hier allerdings auch keine so große Rolle spielt) und ein paar wunderbar moderne Nonnen, hätte ich die Geschichtewohl noch lustloser zu Ende gelesen.

Dabei hat die Grundgeschichte wieder sehr viel Potenzial und man kann einfach nicht übersehen wie gründlich die Autorin all die Details recherchiert hat. Das Lebensgefühl der Menschen kommt hervorragend beim Leser an. Die Abhängigkeit der Bevölkerung von der Willkür der Adeligen, das Leben in einem Nonnenklostern, die Hintergründe zu Eheschließungen und anderen Verbindungen, all das ist wirklich gut beschrieben – und die eher moderne Sprache sorgt für eine gute Lesbarkeit. Aber bei all den Details fehlt diesem historischen Kriminalroman einfach eine packende Geschichte.

Ich fand zwar die Intrigen interessant und wieder hatte ich das Gefühl all die verschiedenen Adeligen etwas besser einsortieren zu können – und zu verstehen in welchem Verhältnis sie zueinander stehen und welcher Anlass welchen (Bürger-)Krieg ausgelöst hat, aber der Kriminalfall war mir einfach egal. Nach dem doch deutlich spannenderen Roman „Die Totenleserin“ hatte ich mir wirklich mehr von der Autorin erhofft – und bin letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass mir ein Sachbuch über diese Zeit wohl mehr Vergnügen bereitet hätte als diese Geschichte.