Schlagwort: Arktis

Kristina Gehrmann: Im Eisland 1 – Die Franklin-Expedition (Comic)

Die Veröffentlichung „Im Eisland 1 – Die Franklin-Expedition“ von Kristina Gehrmann habe ich bei Neyasha entdeckt, die von dem Comic sehr angetan war. Dieser erste von drei Teilen erzählt die Geschichte der Franklin-Expedition von der Abfahrt im Mai 1845 bis zum Beginn des Jahres 1846. Von Anfang an lässt Kristina Gehrmann keinen Zweifel am traurigen Ausgang dieser Reise, so dass auch Leser, die über keine Vorkenntnisse über die Franklin-Expedition verfügen, schon mit dem Vorwissen um ihr Scheitern in die Geschichte einsteigen.

Die Zeichnerin konzentriert sich vor allem auf eine Handvoll Personen aus den verschiedenen Rängen wie Commander James Fitzjames, Kapitän Francis Crozier (Kapitän der H.M.S. Terror) oder den zwanzigjährigen Heizer John Torrington und den Schiffsjungen Tommy Evans. Man bekommt als Leser die Motivation der verschiedenen Charaktere ebenso präsentiert wie die Vorurteile und Befürchtungen, die mit der Expedition verknüpft sind, doch vor allem überwiegt anfangs die Hoffnung, dass man aufgrund der technischen Errungenschaften (es gab ein Heizungssystem für die Schiffe und große Mengen an Konservendosen, ebenso wie einen großen Vorrat an Zitronensaft, um dem Skorbut vorbeugen zu können) einen Weg durch die Arktis zu finden, die eine schnellere Reise von Europa nach Asien ermöglichen würde.

Obwohl in diesem ersten Band noch nicht viel passiert, wird deutlich, dass so eine Arktis-Expedition selbst unter optimalen Voraussetzungen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist. Die lange Dunkelheit macht den Männern zu schaffen, die frischen Vorräte sind schon vor der Winterpause aufgebraucht und die Enge, in der die Männer leben, macht ein Miteinanderauskommen auch nicht immer leicht. Doch noch konzentrieren sich alle auf die Pläne für das kommende Frühjahr, darauf, sich gegenseitig bei Laune zu halten und die aufgezwungene Wartezeit so gut wie möglich zu verbringen. Das Ganze ist interessant zu lesen und gerade mit dem Wissen um das Scheitern der Expedition und den Tod der gesamten Teilnehmer auch sehr berührend. Gerade weil sich Kristina Gehrmann auf einzelne Charaktere konzentriert und ihnen durch kleine private Szenen (zum Beispiel die Panels, in denen John Torrington dem Schiffsjungen das Lesen und Schreiben beibringt) mehr Persönlichkeit verleiht.

Etwas schade fand ich, dass die Hintergrund-Informationen über die Expedition oft etwas steif und lehrbuchhaft eingeflochten wurden – unter anderem, indem sich zwei Personen über eine dritte unterhalten. Aber immerhin bekommt man auf diese Weise als Leser alle wichtigen Details mit und kann zum Beispiel besser einschätzen, wieso es so kritisch war, dass nur einer der beteiligten Offiziere vorher überhaupt in der zu erkundenden Region war. Auch mit den Zeichnungen war ich nicht so ganz glücklich. Zwar gelingt es Kristina Gehrmann, die vielen verschiedenen Figuren individuell genug darzustellen, dass sie einen hohen Wiedererkennungswert haben, aber all diese Darstellungen wirken schrecklich steif und ohne jegliche Dynamik. Obwohl es immer wieder Szenen gibt, wo man zum Beispiel die Mannschaft beim Essen oder bei der Arbeit sieht, erinnern die Zeichnungen eher an Stillleben und wirken nicht, als ob hier Aktivitäten festgehalten worden wären.

Auch hätte ich es schön gefunden, wenn es mehr ausgearbeitetet Hintergründe gegeben hätte, da die historischen Schiffe als Handlungsort für die Geschichte doch großartige Kulissen abgegeben hätten. Ein weiteres Problem ergibt sich beim „visuellen Alter“ der Figuren, denn obwohl bei den Expeditionsteilnehmer gewiss eine hohe Altersspanne herrschte, hat man das Gefühl, dass es (abgesehen von Sir John Franklin) nur Teenager oder aber Männer Ende Dreißig auf den Schiffen gibt – wobei ich zugeben muss, dass sehr viele Zeichner es nicht hinbekommen, den Gesichtern ihrer Figuren ein ihrem Alter entsprechendes Aussehen zu verleihen. Die Landschaftsdarstellungen hingegen fand ich ebenso wie die Szenen zu Beginn des Comics, in denen die Einheimische zu ihren Beobachtungen rund um die Franklin-Expedition befragt werden, sehr atmosphärisch.

Fred Bruemmer: Mein Leben mit den Inuit – Reisen zwischen Grönland und Alaska

Vor gut 1 1/2 Jahren hatte Natira auf ihrem Blog Fred Bruemmers „Mein Leben mit den Inuit – Reisen zwischen Grönland und Alaska“ besprochen und mich neugierig auf den Titel gemacht. Als Kind habe ich zahlreiche Dokumentationen gesehen, und viele davon drehten sich auch um das Leben der Menschen und Tiere in der Arktis. Ich weiß nicht, ob mir daher der Name von Fred Bruemmer vertraut vorkommt, aber auf jeden Fall war ich überrascht davon, wie viele Details ich in dem Buch gefunden habe, die ich schon wusste. Trotzdem war es faszinierend, von den Aufenthalten Fred Bruemmers bei den verschiedenen Inuit (und Eskimo) zu lesen. [Zum Thema „Inuit“ und „Eskimo“: Es werden in dem Buch verschiedene Inuit-Gruppen erwähnt, aber es wird eben auch betont, dass nicht alle Inuit sind und einige sich selbst als Eskimos bezeichnen. Bei einem Buch, das bereits 1995 ins Deutsche übersetzt wurde, finde ich das schon bemerkenswert.]

Der Fotograf und Schriftsteller hat viele Monate des Jahres auf Reisen verbracht und die meisten dieser Reisen führten ihn in arktische Regionen. Dabei lebte er oft monatelang als Teil einer einheimischen Familie und hatte so die Gelegenheit, ihren Alltag mit ihnen zu teilen. Als er in den 70er Jahren anfing, das Leben der Inuit zu dokumentieren, war schon abzusehen, dass die traditionelle Lebensweise nicht mehr lange überleben würde. So sind auch die in dem Buch beschriebenen Aspekte eine Mischung aus Dingen, die er selbst erlebt hat, und Sachen, die ihm erzählt wurden. Wobei Fred Bruemmer es immer wieder erstaunlich fand, wie genau die mündlichen Überlieferung seiner Gastgeber waren – was sich zum Teil anhand von historischen Aufzeichnungen von Missionaren, Entdeckern und „Eroberern“ nachvollziehen ließ.

Es ist spannend, wie viele Informationen in diesen wenigen Seiten gesammelt sind. Dabei erzählt Fred Bruemmer meinem Gefühl nach relativ unsortiert von seinen Reisen. Das liegt aber wohl vor allem daran, dass er – laut Inhaltsangabe – eine zeitliche Sortierung vorgenommen hat, in der er chronologisch von der Besiedlung der Arktis bis in heutige Zeit vordringt, aber trotz dieses roten Fadens gefühlt eher von Thema zu Thema hüpft. So liest man von seinen ersten Aufenthalten, den Fehlern, die er im Zusammenleben mit den Inuit gemacht hat, von den Jagd- und Sammelerlebnissen, von der Nahrung, der Erziehung, dem Handwerk und vielen anderen faszinierenden Dingen. Dafür, dass das Buch so schmal ist, habe ich zum Lesen relativ lange gebraucht, weil es eben so viele Informationen enthielt, gleichzeitig hatte ich aber nie das Gefühl, der Text wäre überfrachtet oder gar langweilig. Ich fand all die Begebenheiten und Details, die Fred Bruemmer über das Leben der Inuit zu erzählen hatte, interessant und kurzweilig zu lesen.

Da „Mein Leben mit den Inuit“ Informationen zusammenfasst, die der Autor über einen Zeitraum von 30 Jahren gesammelt hat, und auch auf viele verschiedene Begebenheiten in all der Zeit eingeht, lässt sich zudem gut nachvollziehen wie sehr sich das Leben der Inuit in diesen wenigen Jahren verändert hat. In den 90er Jahren war die traditionelle Lebensweise für viele nur noch etwas, dem man in den Sommerferien nachging – wenn überhaupt -, und auch dabei wurde natürlich häufig auf Werkzeuge und andere Annehmlichkeiten zurückgegriffen, die durch moderne Materialien und Fertigungen zur Verfügung stehen. Dabei fand ich es spannend, dass man zwar bei Fred Bruemmer auch eine gewisse Wehmut über all das verloren gegangene Wissen verspürt und eine Sehnsucht nach der Ursprünglichkeit, Gefährlichkeit und Ausgeglichenheit der traditionellen Lebensweise, dass er aber die Änderungen nicht verurteilt. Ein bisschen fühlt sich das für mich nach dem Lesen des Buches so an, als ob die große Bewunderung, die der Autor für die Überlebensfähigkeit der ersten Bewohner dieser unwirtlichen Regionen und für all die Kniffe, die sie sich zum Überleben in der Arktis beigebracht haben, bei ihm zu dem Schluss führt, dass die Menschen auch in Zukunft einen Weg finden werden, um in und mit der Arktis leben zu können.