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Daphne du Maurier: Rebecca

Mein Name ist Mrs. Danvers. Von meinen Schützlingen bin ich immer liebevoll „Danny“ genannt worden. Mein Vorname tut nichts zur Sache. Es gibt keine Person, der ich eine solche vertrauliche, ganz und gar respektlose Anrede zugestehen würde. Respekt ist wichtig, gerade dann, wenn man wie ich sein Leben lang in Stellung gewesen ist. Respekt nicht nur gegenüber mir als Person, sondern auch gegenüber meiner Position im Haushalt. Er hatte das nie verstanden. Er hatte nie verstanden, dass ich immer mehr war als eine gewöhnliche Haushälterin.

Dabei habe ich die Position nur übernommen, um auch weiterhin bei meiner geliebten Rebecca bleiben zu können. Schon als kleines Mädchen war sie einfach hinreißend. Eine bezaubernde Schönheit mit unbändigen schwarzen Locken und einem Temperament wie ein kleiner Junge. Was immer Rebecca sich vornahm, gelang ihr auch. Sie war eine unvergleichliche Sportlerin, und nichts zeugte von mehr Lebensfreude als ihr schönes Gesicht, wenn sie auf ihrem Boot über das Meer segelte. Meine Rebecca hatte vor nichts Angst. Mit gerade einmal sechzehn Jahren bändigte sie einen jungen Hengst, an den sich nicht einmal der Stallmeister herantraute. So eine willensstarke Frau war sie, meine geliebte Rebecca.

Er aber hat sie nie verstanden. Der feine Herr de Winter … Ständig hat er ihr Vorschriften gemacht, konnte nicht begreifen, dass eine so schöne und junge Frau das Leben genießen muss. Dabei hat jeder sie geliebt. Nach diesem schrecklichen Segelunfall hat einfach jeder von ihrer Schönheit und Anmut gesprochen, davon, was für ein Verlust ihr Tod für die Grafschaft war, wie sehr man ihr Lachen und die charmanten Gespräche mit ihr vermissen würde und wie sehr ihre Bälle und Einfälle den Alltag der Nachbarn bereichert haben. Doch er, er wanderte nur in der Bibliothek herum. Bei der ersten Gelegenheit ging er auf Vergnügungsreise, verließ Manderley, wo ihn alles an meine wunderschöne Rebecca erinnerte, und kam nicht einmal zehn Monate nach Rebeccas Tod mit einer neuen Frau zurück.

Respektlos war das. Respektlos gegenüber der toten Rebecca und ebenso mir gegenüber. So ein fades Kind setzt er an die Stelle meiner geliebten Rebecca. Dieses rückgratloses Mäuschen sollte nun die neue Herrin auf Manderley sein. Eine unscheinbare Gestalt ohne Esprit, ohne Bildung und ohne jeglichen Charme – nichts von dem, was meine Rebecca ausgemacht hatte. Nicht einmal der Hund hat sie ernst genommen. Nur der schwachsinnige Sohn des Pächters lief ihr immer wieder mit großen Augen hinterher. Niemand konnte von mir erwarten, dass ich diese farblose Gestalt in Manderley duldete, dass ich zuließ, dass ihre verhuschte Präsenz das Andenken an Rebecca verwässerte.

Das Feuer war vielleicht etwas zu viel. Aber wie sonst hätte ich verhindern können, dass all das, was an meine geliebte Rebecca erinnerte, in falsche Hände gerät?

(Zur Info: „Rebecca“ wurde von mir im Rahmen der „Bücher, die man gelesen haben muss“-Challenge gelesen.)