Wer schon länger meine Beiträge verfolgt, der hat gewiss schon festgestellt, dass ich eine Schwäche für die sogenannten „hardboiled novels“ habe. Neben Raymond Chandler gilt vor allem Dashiell Hammett als Begründer dieses Genres. „Der dünne Mann“ hingegen ist ein eher untypisches Buch für Dashiell Hammett (wenn ich mich richtig erinnere, dann war es auch der letzte Roman, den er schrieb), da die Geschichte weniger melancholisch ist und dafür – dank vieler humorvoller Dialoge und Elemente – an eine Screwball-Komödie erinnert (eine Gattung, die ich übrigens ebenfalls sehr gern mag).
Inhaltlich dreht sich „Der dünne Mann“ um das Ehepaar Nick und Nora Charles und den verschwundenen Erfinder Clyde Wynant. Nick Charles war früher ein bekannter und gefragter Detektiv, doch nach seiner Hochzeit mit der vermögenden Nora hat er seinen Beruf aufgegeben und beschlossen, dass er sich nur noch seiner Frau, der Verwaltung ihres Vermögens und einem angenehmen Leben widmen will. Als das Ehepaar aber für ein paar verwandtschaftsfreie Weihnachtsfeiertage gemeinsam nach New York reist, geht jeder davon aus, dass Nick Charles nun im Fall des verschwundenen „dünnen Mannes“ ermitteln wird.
Clyde Wynant wird seit Monaten von der Polizei gesucht, da er in Verdacht steht, seine Geliebte Julia Wolf ermordet zu haben. Bei seinem Verschwinden hat der geniale Erfinder keinerlei Spuren hinterlassen, und so steht die Polizei vor einem Rätsel. Ehrlich gesagt macht der verantwortliche Polizist Guilt keinen besonders intelligenten Eindruck, und so wäre es ihm auch ganz recht, wenn Nick Charles den Fall übernehmen würde, obwohl er gleichzeitig dem ehemaligen Detektiv und seinen Methoden mit einem abgrundtiefen Misstrauen gegenübersteht.
Nick hingegen bekommt – ganz gegen seinen Willen – von allen Seiten Informationen zugespielt, und obwohl er fest entschlossen ist, seinen Ruhestand weiterhin zu genießen, wecken all die widersprüchlichen und absurden Details doch seine Neugierde. Auch Nora bleibt von der ganzen Geschichte nicht unberührt. Auf der einen Seite möchte sie ihren Mann mal in seiner Eigenschaft als Detektiv erleben, auf der anderen Seite hat sie sich mit Clyde Wynants Tochter Dorothy angefreundet und möchte dem Mädchen gern helfen.
Durch Noras „Einmischungen“ bekommt der Roman eine ganz eigene Note, die ihn von anderen Büchern dieser Zeit deutlich abheben. Nora und Nick sind sich ebenbürtig, Nora ist kein hilfloses Frauchen, sondern trägt ihren Teil zur Falllösung bei. Auch wird in all den wunderbaren, spritzigen und manchmal sogar leicht boshaften Dialogen immer wieder deutlich, dass Nora ihren Mann mit all seinen Stärken und Schwächen kennt – und ihm vielleicht gerade deshalb auch so zugetan ist. Nick scheint es währenddessen zu genießen, dass seine Frau ihm eine gleichwertige Partnerin ist und nicht treu und brav daheim wartet, um am Ende des Tages sein Essen auf den Tisch zu stellen.
Dazu kommt noch die etwas exzentrische Familie Wynant, deren Mitglieder selbstverständlich alle ein verdächtiges Verhalten an den Tag legen, wunderbare Beschreibungen eines Amerikas, in dem Flüsterkneipen einen Alltag voller Korruption und Hoffnungslosigkeit erträglicher machen, und ein fast schmerzlicher, zynischer Grundton, den ich als erschreckend aktuell empfinde. Umso angenehmer ist es, das Miteinander von Nick und Nora zu erleben, die neben einer gewissen Leichtigkeit sehr viel Humor in die Geschichte bringen. Allein für die Darstellung dieses sympathischen Ehepaares lohnt es sich, zu diesem Buch zu greifen.
Verfilmt wurde der Roman auch – mit William Powell als Nick Charles und Myrna Loy als seine Frau Nora – und dank der großen Beliebtheit der beiden Figuren entstand sogar eine ganze Filmreihe. Wer allerdings meine Rezension aufmerksam gelesen hat, der wird feststellen, dass der namengebende „dünne Mann“ im Roman gar nicht Nick ist, sondern der verschwundene Clyde Wynant. Aber das hat die Filmemacher natürlich nicht davon abhalten können, die weiteren Geschichten rund um das sympathische Ehepaar ebenfalls mit „Der dünne Mann“-Titeln zu versehen, obwohl der Erfinder dort keine Rolle mehr spielt. 😉 Die Filme kann ich euch übrigens auch ans Herz legen (das Drehbuch des zweiten Teils wurde immerhin von Hammett verfasst), solange ihr auch nur ein leises Interesse an einer soliden Kriminalgeschichte, wunderbaren Charakteren und treffenden, amüsanten Dialogen habt.