Als ich vor ein paar Tagen mein Krimiregal nach lange nicht gelesenen Romanen durchsuchte, bin ich über „Nicht ohne meine Schokolade“ von G. A. McKevett gestolpert und musste mir eingestehen, dass ich mich so gut wie gar nicht mehr an den Inhalt des Buches erinnern konnte. Was ganz eventuell daran liegt, dass ich diesen Band vermutlich zuletzt vor fünfzehn Jahren in der Hand hatte und diese Sorte 90er-Jahre-Krimis sich doch etwas ähnelt. Weil ich eh Lust auf einen Krimi hatte, schien mir der Zeitpunkt perfekt, um den Roman zu lesen und so endgültig zu entscheiden, ob er (mitsamt dem Folgeband) im Regal stehen bleiben darf.
Die Geschichte spielt in Südkalifornien und wird aus der Perspektive von Savannah Reid – einer echten Südstaatenlady – erzählt. Savannah ist eine Polizistin mit langjähriger Erfahrung und einem Arbeitspartner namens Dirk, dessen Macken und Stärken sich gut mit ihren ergänzen. Umso überraschter ist Savannah, als ihr Vorgesetzter sie alleine auf einen Fall ansetzt, bei dem es sich um den Mord an dem Modedesigner Jonathan Winston handelt. Schon früh findet Savannah raus, dass die von ihr sehr bewunderte Ehefrau des Opfers, Stadträtin Beverly Winston, ein gutes Motiv gehabt hätte, um ihren Mann zu töten. Die Stellung der Verdächtigen führt dazu, dass der Polizeichef Norman Hillquist die Ermittlungen nicht ganz so professionell wie gewohnt leitet und stattdessen lieber übereilt Jonathan Winstons Hausmeister zum Verdächtigen Nr. 1 erklären möchte.
Aber natürlich ist die untreue Ehefrau nicht die einzige Person, die ein Motiv gehabt hätte, um Jonathan Winston umzubringen. Schnell entdeckt Savannah weitere Verdächtige, die nicht gut auf den Verstorbenen zu sprechen waren, und eine Frau, die hoffte, vor ihr läge eine gemeinsame Zukunft mit Jonathan. Ich mag es sehr, wie G. A. McKevett die Handlung in einer Mischung aus beruflichen und privaten Elementen rund um Savannah erzählt und wie die Autorin Verdächtige schafft, mit denen man auf der einen Seite Mitleid hat, obwohl man sich auf der anderen Seite genügend Gründe vorstellen könnte, warum sie den Mann umgebracht haben. Ein bisschen hat mich das Ganze an eine „Columbo“-Folge erinnert, wo häufig die sympathischsten Figuren (und die, mit denen Columbo sich überraschend gut versteht) zu den Hauptverdächtigen gehören und wo die Handlung eher ruhig und personenbezogen erzählt wird – nur dass man hier nicht von Anfang an weiß, wer der Täter ist.
Der Fall an sich ist solide konstruiert, auch wenn Savannah ohne Hilfe und Tipps wohl nicht so schnell auf die Lösung gekommen wäre. Aber man hat als Leser denselben Wissenstand wie die Ermittlerin, und G.A. McKevett hält meiner Meinung nach gut die Balance zwischen einigermaßen realistisch wirkender Ermittlungsarbeit und unterhaltsamen Szenen, die dafür sorgen, dass das Ganze nicht trocken wird. Ich mochte die Figuren sehr gern, weil ich sie als überraschend realistisch für so einen unterhaltsamen Kriminalroman empfinde und weil nicht alle Personen in dem Buch schön, sportlich, schlank und perfekt sind. Savannah ist eine Frau mit Rundungen, die sich regelmäßig Kuchen und Ähnliches gönnt, ohne dass sich die Autorin genötigt sah zu erwähnen, dass das ungesund ist oder dass die Figur aber sonst so diszipliniert ist – etwas, was mich ja regelmäßig bei aktuelleren Krimis die Wände hochtreibt.
Außerdem empfindet Savannah etwas für ihren Partner Dirk, doch das ist nicht die große Romanze, keine Liebe auf den ersten Blick, und er ist kein muskelbepackter Adonis. Sie kennen sich durch die jahrelange Zusammenarbeit sehr gut und mögen sich trotz ihrer jeweiligen Macken – was sie so vertraut miteinander umgehen lässt, als wären sie schon längst ein Paar. Aber die Tatsache, dass eine Romanze zwischen zwei Kollegen sehr schwierig wäre und ihnen beiden die Arbeit wichtiger ist als eine eventuelle Beziehung, sorgt dafür, dass diese Zuneigung eigentlich nur hier und da mitschwingt und in der Geschichte – im Gegensatz zu meiner Rezension – keinen großen Raum einnimmt. Es ist erschreckend, wie angenehm ich das nach all den „Liebesromanen mit Mini-Krimianteil“, die als Cozies vermarktet werden, finde. Da habe ich dann auch kein Problem, dass sich Savannah im letzten Drittel des Romans von einem Mann hinreißen lässt, weil er gut erzogen und sehr attraktiv ist.
Einzig die Tatsache, dass es an Savannahs Arbeitsplatz so erschreckend „politisch“ zugeht, hat mich gestört. Ihr direkter Vorgesetzter will seinen Aufstieg innerhalb der Polizei beschleunigen, der Polizeichef scheint in den Fall verwickelt zu sein und gemeinsam legen sie Savannah nicht nur Steine in den Weg. Es kommt so weit, dass ihr Beweismittel aus der Hand genommen werden, ihr wird mit Konsequenzen gedroht, wenn sie „ganz normal“ ihren Job macht, statt nach der Pfeife dieser Männer zu tanzen, und so etwas lese ich einfach nicht gern. Polizisten in Romanen müssen nicht alle nett und anständig sein, aber ich hätte in der Geschichte zu gern jemanden gesehen, der einen höheren Rang als Savannah bekleidet und ihr bei ihren Ermittlungen zur Seite steht, weil da ein Mord begangen wurde und es eben wichtig ist, den Täter zu finden. Aber insgesamt ist „Nicht ohne meine Schokolade“ ein wirklich netter Cozy, und auch wenn ich mir keine weiteren Teile davon besorgen muss, werde ich diesem Roman (und die Fortsetzung „Mit Schirm, Charme und Schokolade“) weiterhin einen Platz in meinem Regal einräumen.