Von George Baxt habe ich mehrere Kriminalromane in meinem Regal, die unterhaltsame (und natürlich fiktive) Geschichten rund um berühmte Persönlichkeiten erzählen. Ich weiß nicht, ob George Baxt wirklich alle diese Personen gekannt hat, aber die Tätigkeit des Autors als Agent für Schauspieler und später als Drehbuchverfasser haben ihn auf jeden Fall in denselben Kreisen verkehren lassen wie die von ihm als Protagonisten verwendeten Personen. Außerdem konnte George Baxt laut seinem Nachwort für diese Romane nicht nur auf seine eigenen Erinnerungen, sondern auch auf andere Quellen zurückgreifen – unter anderem die nichtveröffentlichte Biografie von Jean Muir.
Alles in allem spürt man meiner Meinung nach beim Lesen von „Mordfall für Tallulah Bankhead“, dass er die Personen, den Ton in ihren Kreisen und natürlich die Zeit der McCarthy-Ära direkt miterlebt hat. Wobei George Baxt sich in diesem Krimi auch ein kleines Denkmal gesetzt hat, indem er sich als Agent diverser vorkommender Figuren selbst in die Geschichte eingebaut hat. Oh, und vom Veröffentlichungsdatum her ist „Mordfall für Dorothy Parker“ der erste Band (und in dem später spielenden „Mordfall für Tallulah Bankhead“ wird auch der Täter aus dem ersten Roman verraten), weshalb es sich anbietet, mit „Dorothy Parker“ zu starten, wenn man die Krimis ausprobieren will. Ich habe nur zu „Tallulah Bankhead“ gegriffen, weil mir der Band als erstes in die Finger fiel, als ich meinen Krimibestand durchsah, und weil ich die Geschichte in ebenso guter Erinnerung hatte wie „Dorothy Parker“.
„Mordfall für Tallulah Bankhead“ beginnt mit dem Selbstmord der Tänzerin Nance Liston – einer von vielen Todesfällen unter Künstlern während der McCarthy-Ära, mit denen die verbleibenden Kollegen neben all ihren eigenen Sorgen rund um ihre Zukunft fertig werden müssen. Als weitere in New York lebende Künstler, die auf der „Schwarzen Liste“ stehen, sich das Leben nehmen, scheint es einem unbekannten Mörder zu reichen. Er rächt sich für das Unglück, das die Denunzianten mit ihren Aussagen vor den Ausschüssen des HUAC (House Committee on Un-American Activities) angerichtet haben, indem er ihnen nach dem Leben trachtet. Tallulah Bankhead wird dabei in die Ermittlungen verwickelt, weil sie auf der einen Seite versucht, so viele geächtete Künstler wie möglich in ihrer Radiosendung unterzubringen, um den Freunden und Kollegen zumindest ein kleines Auskommen zuschießen zu können, und auf der anderen Seite die Bekanntschaft von Detective Jacob Singer macht, der mit der Suche nach dem Mörder beauftragt ist. So ist Jacob Singer für die methodische Polizeiarbeit in der Geschichte wie Recherchen, Verhöre und Kriminaltechnik zuständig, während Tallulah scheinbar ziellos von einem Bekannten zum nächsten flattert, um möglichst viel über die Verstorbenen und mögliche Verdächtige in Erfahrung zu bringen.
Ein Grund, warum ich diese Romane so gern lese, sind die wundervollen Dialoge und Charaktere, die direkt aus einem der alten (Schwarzweiß-)Filme stammen könnten, die ich so sehr mag. Dazu kommen noch all die vielen Nebenfiguren, die trotz ihrer kurzen Auftritte einen bleibenen Eindruck hinterlassen und bei denen ich mir nie sicher bin, ob der Autor da reale Personen aus dem Film- oder Theatermileu aufgreift oder nicht. Das bringt mich dann immer wieder dazu, sehr viel Zeit mit Recherchen über schon längst verstorbene Schauspieler, Regisseure, Drehbuchautoren, ihr Leben, ihre Filme/Stücke und Ähnliches zu verbringen. Ich mag es, wenn ein Roman mich dazu animiert, dass ich mich neben dem Lesen der Geschichte mit den Figuren und der Zeit beschäftige, in denen die Handlung spielt. Und nicht zuletzt spricht für diese Kriminalromane, dass George Baxt jedes Mal wieder unterhaltsame und solide Fälle konstruiert, die in ihre Zeit und zu den verwendeten Charakteren zu passen scheinen.
Wenn jemand von euch nun auch Lust auf diese Krimis hat, so gibt es viele der damals auf Deutsch veröffentlichten Titel noch sehr günstig gebraucht zu kaufen. Da mir (wie ich inzwischen feststellen konnte) auch noch ein paar der Original-Bände fehlen, werde ich mich in den nächsten Wochen auch auf die Jagd danach machen. Ich freue mich jetzt schon darauf, dass ich in Zukunft noch ein paar Geschichten von George Baxt vor mir habe, die ich noch nicht kenne. Oh, und wer vielleicht an der Zeit und dem Erzählstil, aber weniger an Geschichten mit „berühmten Personen“ interessiert ist, der könnte mal nach den Krimis rund um den Privatdetektiv Pharoah Love Ausschau halten. Angeblich war Pharoah Love der erste schwule (schwarze) Protagonist eines Kriminalromans, als George Baxt 1966 „A Queer Kind of Death“ – „Pharoah Love und die Badewanne des Todes“ – veröffentlichte. Ich muss allerdings gestehen, dass mich Pharoah Love in den 90ern nicht so sehr packte, dass ich mir nach dem Auftaktband die weiteren Teile angeschafft hätte.