Schlagwort: Jared Diamond

Jared Diamond: Guns, Germs and Steel – A Short History of Everybody for the Last 13.000 Years

Ich muss gestehen, dass ich jedes Mal, wenn ich in den vergangenen Woche zu diesem Buch gegriffen habe, dachte, dass „Jared Diamond“ klingt wie der Name des Protagonisten eines zweitklassigen Kitschromans. *g* Stattdessen ist Jared Diamond ein Evolutionsbiologe, Physiologe und Biogeograf, der für seine populärwissenschaftlichen Bücher bekannt wurde. Lustigerweise hatte ich durch Neyasha schon mehrfach von dem Autor gehört, ihn aber immer wieder verdrängt, bis ich in der Bibliothek vor dem Buch stand. Die Tatsache, dass Neyasha schon seit Jahren die deutsche Ausgabe von „Guns, Germs and Steel“ weiterlesen will, war zwar nicht sehr ermutigend, aber ich dachte, ich könne ja mal reinschauen und gucken, wie ich damit vorankomme. Das Thema ist immerhin interessant, auch wenn das englische Schriftbild (wieso werden englische Sachbücher immer in so einer unangenehmen Schrift gedruckt?) mich eher abgeschreckt hat. Eine kurze Rechnung ergab, dass ich den Titel problemlos in einem Monat schaffen würde, wenn ich mir 16 Seiten pro Tag vornehmen würde. Das erschien mir durchaus machbar – und das war es auch.

Bevor ich (endlich) auf den Inhalt von „Guns, Germs and Steel – A Short History of Everybody for the Last 13.000 Years“ eingehe, möchte ich noch erwähnen, dass das Buch schon im Jahr 1997 von dem Autor geschrieben wurde. Das macht die darin enthaltenden Informationen nicht falsch, aber ich bin mir sicher, dass es ein paar Aspekte darin gibt, zu denen es aktuellere Daten gibt, und die deshalb vielleicht von Jared Diamond heutzutage anders bewertet würden. Wer also ein aktuelleres Buch von dem Autor lesen möchte, sollte eher auf „Collapse – How Societies Choose to Fail or Succeed“ aus dem Jahr 2005 zurückgreifen – ich muss gestehen, dass ich den Titel auch noch im Hinterkopf habe, um zu schauen, wie weit die darin aufgeführten Informationen die in „Guns, Germs and Steel“ erwähnten Theorien ergänzen oder vielleicht sogar widerlegen.

Jared Diamond greift in den verschiedenen Kapiteln unterschiedliche Themen auf, wobei er bei der Entwicklung des Menschen (zum Homo Sapiens) beginnt und dann die verschiedenen Völkerwanderungen, Klima- und Vegetationsbedingungen beschreibt, bis er am Ende einen Vergleich zwischen den verschiedenen Kontinenten, ihren Startbedingungen und den verschiedenen Einflüssen zieht. Dabei beginnt er jedes Kapitel mit einer oder mehreren Fragen zu dem Thema, um sich dann von verschiedenen Seiten der Beantwortung dieser Fragen zu nähern, bevor er am Ende noch einmal kurz zusammenfasst, welche Erkenntnisse es zu dem Gebiet gibt und welche Schlüsse sich daraus ziehen lassen. Er verschweigt auch nicht, wenn zu bestimmten Themen noch keine ausreichenden Daten vorliegen, erklärt aber an diesen Stellen auch, wie und warum die Wissenschaft eine bestimmte These als die wahrscheinlichste ansieht und wieso er diese für dieses Buch heranzieht. Natürlich sind die Informationen in „Guns, Germs and Steel“ sehr gedrängt und beschränken sich häufig auf den groben Zusammenhang und weite Regionen, aber durch die Zusammenfassungen zum Schluss des Kapitels hat man beim Lesen das Gefühl, dass all das gehäufte Wissen an den richtigen Platz fällt und ein schlüssiges Gesamtbild ergibt, das auch langfristig haften bleibt. (Wie langfristig, werde ich dann im Laufe der kommenden Monate sehen. *g*)

Ich fand es auf jeden Fall sehr spannend, welche Aspekte der Autor ansprach und welche Verbindungen er schafft. Es gab so einige Dinge, die nicht neu für mich waren, die ich aber nie in einem großen Zusammenhang gesehen habe und die so einen ganz neuen Eindruck auf mich machten. Gerade diese weltweite Sicht auf das große Ganze hat mich sehr fasziniert und ich fand es großartig, mich mal nicht beim Lesen eines Sachbuches fragen zu müssen, wie es wohl in einem anderen Teil der Welt aussah oder welche Auswirkungen diese eine Erfindung oder Entdeckung wohl auf andere Gebiete gehabt haben mochte. Gerade der afrikanische und südamerikanische Raum (und das ist ein verflixt großes Stück der Welt) werden in den klassischen Sachbüchern (die auf Deutsch erscheinen) häufig ausgespart, weil sie sich auf ein bestimmtes Themengebiet in Europa, Großbritannien oder Nordamerika konzentrieren und die weltweite Sicht den Rahmen sprengen würde. Ich finde es aber inzwischen ziemlich frustrierend, dass es so schwierig ist, mehr über andere Teile der Welt zu erfahren, wenn man nicht gerade Romane liest oder auf Sachbücher zurückgreift, die in Sprachen geschrieben wurden, die ich leider nicht beherrsche.

Obwohl nicht jedes Kapitel gleich spannend war, war ich überrascht, wie gut ich bei den meisten davon trotz der Faktenfülle am Ball blieb. Auch sprachlich konnte ich gut mithalten, weil Jared Diamond jedes verwendete Fachwort so gut erklärt, dass ich nichts (abgesehen von zwei Begriffen für Hirse *g*) nachschlagen musste. Allerdings ertappte ich mich zwischendurch etwas dabei, dass ich mit den Augen rollte, wenn ich den Begriff „New Guinea“ las. Ich weiß, dass Jared Diamond sehr viele Jahre dort geforscht hat und mir ist auch bewusst, dass diese – lange Zeit isolierte – Inselgruppe ein wunderbares Beispiel für viele Entwicklungsschritte der Menschheit darstellt, aber manchmal fragte ich mich, ob der Autor nicht auch ein anderes Gebiet als Beispiel hätte heranziehen können. Denn obwohl sich Jared Diamond bemüht, wirklich weltweit auf die verschiedenen Entwicklungen einzugehen, so gab es doch zu einigen großen Gebiete relativ allgemeine Informationen und ich kann nur spekulieren, ob das daran lag, weil es in diesen großen Gebieten keine individuell erwähnenswerten Vorkommnisse gab oder weil es keine greifbaren archäologischen Erkenntnisse dazu gibt.

Letzteres halte ich für eher unwahrscheinlich, aber wenn der gesamte eurasische Raum bei den meisten Themen als eine Einheit behandelt wird, dann frage ich mich schon, ob es nicht doch mehr erwähnenswerte Aspekte gegeben hätte – gerade im asiatischen Raum, der ja doch auch einige vielfältige Bedingungen und Lebensweisen hervorgebracht hat. Aber vermutlich wäre das zu sehr ins Detail gegangen, denn der Autor konnte seine Theorien ja auch so überzeugend vorlegen. Erst beim Epilog gibt es Passagen, in denen sich Jared Diamond (scheinbar) widerspricht, wobei er selbst sagt, dass diese (scheinbaren) Ungereimtheiten dadurch entstehen, dass man bei einer solch weitreichenden und groben Zusammenfassung auf bestimmte Aspekte nicht im Detail eingehen kann, obwohl diese neben den geologischen, biologischen und ähnlichen Bedingungen natürlich auch Einfluss auf die Entwicklung der verschiedenen Völker gehabt hatten. Ich kann mit diesem „Widerspruch“ leben, da der Autor ihn selber erwähnt und erklärt, und so schmälert das nicht meinen positiven Gesamteindruck von „Guns, Germs and Steel“.