Irgendwie passen „Silberlicht“ und ich nicht so recht zusammen. Der Roman war zwar gut zu lesen und hat mir eigentlich auch zugesagt (oder zumindest dachte ich das beim Lesen), aber ich hatte so einige Kritikpunkte – und ich finde es immer noch nicht so ganz einfach die auszuformulieren. Die Geschichte handelt von Helen, die schon seit 130 Jahren als „Licht“ existiert. Ihr ist bewusst, dass sie mal ein Mensch war und gestorben ist. Es gibt aber zwei Sachen, die sie noch auf der Erde halten. Zum einen ist da ihre Angst vor der Hölle, die sie nach ihrer Überzeugung nach ihrem endgültigen Tod erwartet, und zum anderen ist da die Liebe zur Literatur. Es ist Helen gelungen sich einen Halt im Leben zu suchen, in dem sie sich an Menschen hält, die ihr als „Bewahrer“ dienen.
Diese Menschen teilen ihre Vorliebe für Bücher und Geschichten, sie sind Dichter oder Schriftsteller und Helen versucht ihnen als eine Art Muse beizustehen. Ihr aktueller Bewahrer ist Mr.Brown, ein Englischlehrer an einer Highschool, der seit vielen Jahren schon an einem Buch arbeitet. Mit ihm zusammen geht Helen jeden Tag zur Schule, sie empfindet Zuneigung zu ihm und es fällt ihr schwer sich mit seiner Ehefrau und ihrem gemeinsamen Kinderwunsch abzufinden. Nie hat jemals jemand Helen zu Gesicht bekommen, auch wenn sie manchmal Vorhänge oder Papier in Bewegung versetzt. Doch eines Tages blickt ihr einer von Mr. Browns Schülern ins Gesicht und lächelt sie an.
Helen ist anfangs unglaublich erschrocken, da sie nicht fassen kann, dass da jemand in der Lage ist sie zu sehen. Doch James ist nicht irgendjemand. Auch er ist ein „Licht“, aber ihm ist es gelungen, den Körper eines Jungen in Besitz zu nehmen. Schnell überzeugt er Helen davon, dass auch sie einen Körper finden sollte, der von seiner Seele verlassen wurde und ihr die Möglichkeit bieten würde, endlich wieder etwas zu fühlen. Doch so einfach ist es nicht ein passendes Gefäß für Helen zu finden …
Am Ende des Buches liefen mir die Tränen runter, aber da ich an dem Tag sehr müde und eh emotional angeschlagen war, weiß ich nicht, ob das jetzt nur an der Handlung lag. Denn während des Lesens hatte ich immer das Gefühl, dass die ganze Geschichte einfach nicht richtig ausgereift war. Auf der einen Seite erfährt man anfangs sehr viel über Helens erste Bewahrer und ihrer ersten Schritte als „Licht“ und das macht einen auch ein wenig neugierig auf dieses ungewöhnliche Geschöpf, aber letztendlich hatte ich das Gefühl, dass hier zuviel Raum für die paar wichtigen Informationen genommen wurde. Das ist aber wirklich vor allem nur mein Gefühl, denn wenn ich mir jetzt die Seitenzahl angucke, dann nimmt sich Laura Whitcomb gerade mal bis Seite 24 Zeit dafür.
Als Helen dann James kennenlernt hat mich die Geschichte mehr gefangen genommen, aber trotz der Grundvoraussetzung, dass beide „Licht“ (ich weigere mich hier „Lichter“ zu schreiben, denn das hört sich einfach blöd an) sind, bekommt man hier doch nicht mehr als eine typische amerikanische Romeo-und-Julia-Geschichte geboten. Junge aus der Unterschicht, der in kriminelle Machenschaften verstrickt war, und Mädchen aus der gehobenen Mittelschicht, die in einer superbraven christlichen Familie aufgewachsen ist, können nicht zusammenkommen, da die gesellschaftlichen Unterschiede und der Widerstand des Umfelds so groß ist.
Okay, es ist ein bisschen komplexer, weil es ja nicht nur um die beiden „Wirtskörper“ von Helen und James, sondern auch um die beiden und ihrer Vergangenheit geht. Und um die Tatsache, dass sie sich doch deutlich von den Personen unterscheiden, die sie darstellen müssen, damit sie in ihrer neuen Rolle als „normale Menschen“ überzeugen. Eigentlich ist das auch alles von Laura Whitcomb schön geschrieben worden, die Sprache lässt sich (mal moderner, mal altmodischer) gut lesen, die literarischen Anspielungen haben mir gefallen und eigentlich mochte ich auch Helen und James.
„Eigentlich“ ist allerdings das entscheidende Wort. Denn ich fand das Ganze nicht ausgewogen genug. Auf der einen Seite sind Helen und James erwachsene Menschen gewesen, bevor sie verstarben, auf der anderen benehmen sie sich wie kopflose und egoistische Kinder. Die vielen einsamen Jahrzehnte haben anscheinend dafür gesorgt, dass die beiden nur jemanden finden mussten, der von der gleichen Art ist, damit sie sich sicher sind, dass es für die ewige Liebe reicht und das unwiderstehliche Verlangen haben übereinander herzufallen.
Beide haben mit den Körpern auch die Probleme derjenigen Personen übernommen, die sie nun überzeugend darstellen müssen – und irgendwann wurde es mir für die paar Seiten, aus denen die Geschichte besteht, einfach zuviel. Extreme Religiosität, Drogen und Jugendbanden, zerstörte Familien mit komatösen oder im Gefängnis steckenden Angehörigen und dazwischen die beiden frischverliebten Teenager … Sehr viele Sachen, die angesprochen werden, viel vorhandener Konfliktstoff, aber nichts davon ist richtig ausgearbeitet. Alles wird oberflächlich behandelt und nur angerissen.
Was die Handlung an sich angeht, so kann man letztendlich sagen, dass Helen und James irgendwie was gutes für diese beiden Familien getan haben, aber das Ende ihrer Geschichte ist mir dann schon wieder zu sehr wie in einer klassischen Geistergeschichte und somit zu beliebig. Während mich die Frage, was aus den beiden ursprünglichen Seelen in den beiden Teenagerkörpern wird, mich sehr unbefriedigt zurückgelassen hat. Ich glaube nämlich nicht, dass die Entwicklungen, die James und Helen ausgelöst haben, die Sache zu einem guten Ende führen können. Wie auch immer, das bekommt man als Leser nur angedeutet – und egal in welche Richtung ich es für mich „zuendespinne“, ich bin nicht wirklich glücklich mit dem Buch!