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Reza Aslan: Zelot – Jesus von Nazaret und seine Zeit

Ich weiß nicht mehr, wo ich über „Zelot – Jesus von Nazaret und seine Zeit“ von Reza Aslan gestolpert bin, glaube aber, dass es auf einem Blog war. Auf jeden Fall habe ich die Aussage im Hinterkopf, dass in dem Buch die Zeit, in der Jesus lebte, sehr interessant dargestellt wurde – und das reizte mich genug, um den Titel in der Bibliothek vorzumerken. Reza Aslan leitet das Buch mit zwei Abschnitten ein, in denen er einmal erklärt, wie er überhaupt auf das Thema kam, und in denen er erläutert, welche Quellen er für seine Forschung herangezogen hat.

Dies beides fand ich schon einmal sehr interessant. Der Amerikaner Reza Aslan entstammt einer nicht besonders gläubigen muslimischen Familie und entdeckte als Teenager in einem Jugendcamp das Christentum für sich. Wie es sich für frisch missionierte Gläubige gehört, versuchte er in den folgenden Jahren andere Menschen für das Christentum zu begeistern und ging sogar soweit, dass er anfing Religionswissenschaften zu studieren. Was wiederum dazu führte, dass er feststellen musste wie viele Widersprüche in der Bibel zu finden sind – was ihn an seinem Glauben zweifeln ließ und letztendlich dazu führte, dass er als sich weniger als Christ, als als Wissenschaftler und Historiker mit der Bibel beschäftigte (und sich wieder dem Islam zuwandte). Die aus dieser Beschäftigung gewonnenen Erkenntnisse verarbeitete er dann in diesem Sachbuch, wobei immer wieder auch Argumente aufgeführt werden, die von anderen Bibelforschern aufgestellt wurden und die gegen seine Ansichten und Theorien sprechen, nur um dann anhand von Zitaten und historisch belegten Ereignissen in Zweifel gezogen zu werden.

Bei der Angabe der Quellen betont Reza Aslan immer wieder, dass er sich bei der Bibel auf die ältesten Teile bzw. die Schriften, auf denen diese Passagen basieren, bezogen hat. Wobei auch klar wird, dass die ersten schriftlichen Zeugnisse erst ca. zwanzig Jahre nach Jesus Tod entstanden sind und von seinen Anhängern stammen, die seinen Widerstand wollten und dafür eine Galionsfigur benötigten, was zu einer nicht unerheblichen Verklärung führte. Weitere Quellen sind zum Beispiel Passagen aus Werken jüdischer Historiker, von denen die ältesten Schriftstücke ungefähr hundert Jahre nach den geschilderten Ereignissen entstanden sind. Interessant fand ich hier die Erwähnung, dass die Historiker sich damals weniger mit Jesus als Person beschäftigt haben, als mit den Ereignissen rund um seine Widerstandsbewegung.

Nach diesen einleitenden Seiten teilt sich „Zelot“ in drei Abschnitte. Der erste Teil beginnt um 63 v. Chr. als Judäa (und somit auch Jerusalem, das Zentrum des jüdischen Glaubens) – nach einer sehr langen Phase unter Führung von Priesterkönigen – römisches Protektorat wurde. Reza Aslan umreißt in diesen Kapiteln, welche religiösen, wirtschaftlichen und gesellschaftliche Auswirkungen die römische Besatzung auf die Juden hatte, welche Aufstände und Kämpfe es sowohl zwischen Römern und Juden, aber auch zwischen jüdischen Gläubigen und den jüdischen Priestern gab und wie dies die Welt formte, in der Jesus seine Kindheit verbracht hat. So faszinierend ich die verschiedenen Passagen darüber fand, wer wann wie viel Macht über das Gebiet hatte und welcher römische Statthalter welchen Einfluss auf das Leben der Einheimischen hatte, so war es doch etwas anstrengend bei all den Namen, Daten und Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Personen noch den Ereignissen zu folgen.

Spannend fand ich dann im zweiten Teil die Passagen über den vermutlichen Anfang von Jesus „Karriere“ als Wanderprediger, Wunderheiler und Aufständischen, über den Einfluss, denn Johannes der Täufer anscheinend auf ihn hatte, und darüber wie in historischen Schriften über ihn berichtet wird. All diese Aussagen laufen laut Resa Aslan letztendlich darauf hinaus, dass der historische Jesus ein Aufrührer war, der zu einer Revolution aufrief, die die Machtverhältnisse des Landes auf den Kopf stellen sollte.

Die Reichen, die Priester, die Römer sollten entmachtet werden und das Land und seine Güter sollten zurückkehren in die Hand der – unter römischer Herrschaft verarmten – Juden. Mit diesem Bedürfnis nach einem Aufstand war Jesus nicht allein, es gab eine Menge Widerstandsgruppen, die sich gegen die Besatzer und die Priester, die mit ihnen zusammenarbeiteten, auflehnten. So geht der Autor davon aus, dass Jesus kein besonders friedsuchender Mensch war, sondern dass diese biblische Darstellung auf einem Ideal der frühchristlichen (und von griechischen und römischen Denken beeinflussten) Kirche basierte. Auch betont Resa Azlan, dass Jesus Jude war und verschiedene seiner Aussagen – in diesem religiösen und zeitlichen Zusammenhang gesehen – die Juden über alle anderen Volks- und Religionsgruppen erheben würden, womit in diesen Anfangsjahren des „Christentums“ nicht viel von dem menschenfreundlichem Gedankengut vorhanden war, das heute doch als so elementar für diese Religon gesehen wird.

Der dritte Part beschäftigt sich hingegen mit der Zeit nach Jesus Tod und auch hier betont Reza Aslan immer wieder, dass die schriftlichen Überlieferungen von Jesus Taten nicht von seinen frühen Jüngern oder sonstigen Menschen seiner Zeit und Herkunft niedergeschrieben wurden, sondern häufig von gebildeten, griechischsprachigen Städtern, deren Sicht auf die Ereignisse davon beeinflusst wurde, dass sie mit ihren Schriften Jesus Messias-Status festigen wollten. Dazu kam anscheinend in den Jahrzehnten nach der Kreuzigung noch einer Feindschaft zwischen den Jesus-Anhängern, die von seinem Bruder Jakobus vertreten wurden, und denen, die von Paulus angeführt wurden. Wobei die Lehren des letzteren nicht mehr viel mit dem gemein hatten, was Jesus zu Lebzeiten selbst verkündet hat – widersprachen Paulus Aussagen doch in der Regel dem jüdischen Glauben.

Zum Schluss kommen noch ungefähr hundert Seiten mit Anmerkungen des Autors, in denen Reza Aslan auf Veröffentlichungen hinweist, die er herangezogen hat, um seine Theorien zu Jesus Leben aufzustellen. Wobei ich es interessant fand, dass er zu einigen Passagen zwar mehrere Werke herangezogen hat, diese aber oft alle von einem Autoren stammten. Mir ist bewusst, dass es grundsätzlich schwierig ist Konkretes über eine Zeit zu sagen, die schon so lange her ist, noch schwieriger ist es natürlich, wenn man Informationen zu einer bestimmten Person sammeln möchte, die einer niedrigen Gesellschaftsschicht angehörte.

Obwohl das alles beweist, dass es wirklich wenig greifbare oder gar belegbare Informationen zu dieser Zeit existieren, gibt wirklich ungemein viele Elemente, die ich an diesem Buch spannend finde. Stellenweise habe ich mich zwar auch gefragt, wie weit die persönliche Geschichte des Autors seine Interpretation der verschiedenen Quellen und Ereignisse beeinflusst haben könnte, aber vor allem habe ich „Zelot“ als eine faszinierende Möglichkeit wahrgenommen mich der Geschichte einer Region zu nähern, über die ich viel zu wenig weiß. Zusätzlich zu all den Namen und Daten, die zeigen welche Machtverhältnisse rund um das Jahr Null herrschten und welche Veränderungen welche Auswirkungen auf das Leben der einfachen Menschen hatten, fand ich auch den Umgang mit den (oft aus verschiedenen Gründen fragwürdigen) Quellen, die Überlegungen zum Thema Sprache und Übersetzung und die Gedanken rund um die Intentionen der verschiedenen Verfasser historischer Schriften sehr fesselnd. Stellenweise fühlte ich mich mit all den Zitaten aber auch etwas überfordert, denn das Buch erfordert schon Zeit und Konzentration und davon hatte ich in den letzten zwei Monaten nicht ganz so viel wie gewünscht, aber insgesamt war es ein sehr faszinierendes Leseerlebnis.