Leider kann ich nicht mehr herausfinden, wie ich über dieses Buch gestolpert bin, da es kein Beitrag war, der in meinem FeedReader angezeigt wird. Aber es war auf jeden Fall ein Leseeindruck, der grob aussagte, dass die Geschichte etwas kitschig und unglaubwürdig sei, das Ganze aber trotzdem so schön sei, dass man es lesen sollte. Da der Titel in der Bibliothek vorzumerken war, habe ich also einen Versuch gewagt und einen wirklich schönen Nachmittag mit diesem Buch verbracht. Die Geschichte rund um Ellen und Temerity ist wirklich extrem unglaubwürdig und trotz diverser Probleme, dramatischer Ereignisse und Herausforderungen gibt es am Ende für (fast) alle Beteiligten ein Happy End. Normalerweise würde mich das beim Lesen eher wütend machen, aber Shari Shattuck hat es bei „Tage wie Salz und Zucker“ geschafft, diese Anhäufung von glücklichen Zufällen und unrealistischen Ereignissen so zu verpacken, dass ich mich (abgesehen von einer „medizinischen“ Wendung am Ende) einfach nur gut unterhalten gefühlt habe. Wobei ich zugeben muss, dass ich nicht weiß, ob ich an einem anderen Tag und in einer anderen Stimmung ebenso glücklich mit dem Roman gewesen wäre.
Die Geschichte beginnt an einem Abend, als Ellen wie immer viel zu früh mit dem Bus zur Arbeit fährt. Während sie noch damit beschäftigt ist, sich die anderen Passagiere im Bus anzuschauen, steigt eine junge, blinde Frau zu und setzt sich neben Ellen. Für Ellen ist das ein regelrechter Schock, hat sie doch seit Jahren das Gefühl, für alle anderen Menschen unsichtbar zu sein – wobei sie auch ihr Leben lang alles dafür getan hat, um diesen unsichtbaren Zustand zu erreichen. Ellen wurde mit fünf Jahren von ihrer Mutter verlassen, die sie misshandelte und hungern ließ, und wanderte von diesem Zeitpunkt an von einer Pflegefamilie zur nächsten. Sie ist sich sicher, dass es Pflegefamilien gibt, die sich liebevoll um ihre Schützlinge kümmern, aber sie selbst hatte nicht dieses Glück. Inzwischen ist Ellen 24 Jahre alt, dauerhungrig und menschenscheu und verdient sich ihren Lebensunterhalt als Putzfrau in einem Supermarkt. Ihr einziges Vergnügen besteht darin, knusprigen Bauchspeck zu essen und durch das Fenster ihres winzigen Apartments die Nachbarn zu beobachten.
Als sie nun von Temerity im Bus angesprochen wird und sieht, mit wie viel Humor die junge Frau mit ihrer Behinderung umgeht, wird Ellen neugierig. Sie folgt Temerity, als diese aus dem Bus aussteigt, und kann kurz darauf verhindern, dass der blinden Frau die Handtasche geraubt wird. Aus diesem Moment entsteht zwischen den beiden Frauen eine Freundschaft, die beiden guttut. Gemeinsam fangen die beiden an, sich in das Leben von Ellens Nachbarn und Arbeitskollegen zu mischen. Dabei beginnt das Ganze vollkommen harmlos mit einem falsch zugestellten Brief, von dem Ellen sich nicht sicher ist, ob sie ihn der wirklichen Empfängerin zukommen lassen soll, und steigert sich im Laufe der Zeit zu immer absurderen Aktionen.
Obwohl Shari Shattuck in ihrem Roman „Tage wie Salz und Zucker“ immer wieder tiefer gehende Themen anspricht, war für mich diese Geschichte wie Popcorn-Kino, denn da macht man sich auch keine Gedanken über den Realismus der diversen Wendungen oder die Risiken, die die Figuren eingehen, sondern genießt einfach eine lustige (und wohltuende) Geschichte. Unter dieser Voraussetzung hat es mir Spaß gemacht mitzuerleben, wie Ellen sich von der Beobachterin zur Akteurin entwickelt, wie sie immer häufiger kleinen Impulsen nachkommt und wie die Tatsache, dass sie Pläne für den Tag hat und eine Verabredung einhalten möchte, ihr Leben aufhellt. Im Vergleich zu Ellen bleiben die restlichen Figuren relativ blass, aber das ist nicht schlimm, denn die Geschichte dreht sich vor allem um Ellen und darum, wie selbst kleine Dinge Einfluss auf das Leben eines Menschen nehmen können.
Vielleicht funktioniert dieser Roman so gut, weil man sich einfach manchmal wünscht, dass das Leben so wäre, dass der kleine Drogendealer doch ein netter Mensch ist und Hunde mag, dass die verzweifelte junge Mutter jemanden findet, der sich um sie und ihr Baby kümmert, dass man trotz Trauer einen Weg findet, um auf positive Weise mit dem Verlust eines Menschen umgehen zu können, oder eben, dass man selbst den Mut findet, jemandem beizustehen, der in Schwierigkeiten steckt.