„A Bit of Earth“ von Karuna Riazi ist eine moderne Neuerzählung von „Der geheime Garten“ von Frances Hodgson Burnett, wobei sich die Autorin einige (sehr willkommene!) Freiheiten mit dem Original erlaubt. Da die Geschichte zu einem Teil in Versen erzählt wird, habe ich zum Hörbuch gegriffen, weil ich davon ausging, dass mir diese Passagen mit einer professionellen Sprecherin mehr Freude bereiten würden als beim Lesen. Die Handlung wird aus der Sicht von Maria Latif erzählt und beginnt an dem Tag, an dem sich Maria in einem Flughafen in New York wiederfindet, wo sie in die Obhut einer ihr fremden Familie übergeben wird. Von Anfang an steht fest, dass Maria keine einfache Person ist, und das ist ihr durchaus bewusst. Sie ist sogar in gewisser Weise stolz darauf, dass sie so abweisend und stachelig ist und sich nicht unbedingt so verhält, wie es von ihr erwartet wird. Die Tatsache, dass Maria seit dem Tod ihrer Eltern von einer Verwandten zur nächsten abgeschoben wurde, hat nur dafür gesorgt, dass sie umso entschlossener ist, an ihrem widerspenstigen Charakter festzuhalten und sich nicht zu verstellen, nur um besser in ihr jeweiliges „Übergangszuhause“ zu passen.
Schnell findet Maria heraus, dass in der Familie Claybourne einiges im Argen liegt. Lindsay Claybourne, die sich hauptsächlich um Maria kümmert, ist die zweite Ehefrau ihres Mannes und steht im Schatten ihrer verstorbenen Vorgängerin und unter der Fuchtel ihrer konservativen Schwiegermutter. Den Herren des Hauses, der mit ihrem Vater befreundet war, bekommt Maria gar nicht erst zu Gesicht, da er auf Geschäftsreise ist, und Colin, der Sohn der Familie, hält sich zu Beginn der Geschichte in einem Internat auf. Maria selbst kann das alles eigentlich egal sein, sie weiß genau, dass die Claybournes nur eine Station von vielen für sie sind. Und doch beginnt sie sich im Laufe der kommenden Wochen – eher unwillig – für die Personen um sie herum zu interessieren. Dazu kommt noch, dass eines der Mädchen (Mimi) in der Nachbarschaft wild entschlossen zu sein scheint, sich mit Maria anzufreunden, egal, ob diese damit einverstanden ist oder nicht.
Ich mochte die verschiedenen Figuren, die Karuna Riazi für ihre Variante von „Der geheime Garten“ geschaffen hat, sehr. Maria ist sich durchaus bewusst, dass sie eine schwierige Persönlichkeit hat und dass ihr Leben deutlich einfacher wäre, wenn sie liebenswerter wäre, aber gerade dieses Bewusstsein für all die Ecken und Kanten ihres Charakters hat sie für mich so sympathisch gemacht. Colin ist Maria in gewisser Weise ähnlich, was natürlich auf der einen Seite dazu führt, dass die beiden sich aneinander reiben, obwohl sie auf der anderen Seite so gut nachvollziehen können, was den jeweils anderen zu seinem Handeln motiviert. Und dann gibt es da noch Mimi und ihre Familie, die – im Gegensatz zu den Claybournes – alle respekt- und liebevoll miteinander umgehen und mit ihrem Verhalten dafür sorgen, dass Maria, Colin und Lindsay ein bisschen aus ihren eingefahrenen Bahnen ausbrechen und mehr aufeinander zugehen können.
Ein weiterer Aspekt, den ich sehr genossen habe, war Marias pakistanisch-bengalischer Hintergrund, der sich ganz selbstverständlich durch die gesamte Geschichte zieht. Maria ist Muslimin, sie trägt jeden Tag ihre Dupatta, sie betet ganz selbstverständlich und sie sehnt sich nach all den vertrauten Gerichten, die sie bei ihren Eltern und den verschiedenen Verwandten genossen hat. Überhaupt sind Gerüche und Essen zwei wichtige Elemente in der Geschichte. Die Erinnerungen und Gefühle, die Düfte und Speisen auslösen können, spielen eine nicht zu übersehende Rolle in Marias Leben. So ist es auch kein Wunder, dass gerade diese Dinge Kindheitserinnerungen bei Maria auslösen und so dafür sorgen, dass auch die Zuhörer*innen ein Gefühl für Marias Vergangenheit bekommen. Ich fand es auch ausgesprochen stimmig, wie die Autorin die zwiespältigen Gefühle, die Maria gegenüber ihren verstorbenen Eltern und ihrer Verwandtschaft empfindet, darstellte und wie die Arbeit im Garten dem Mädchen hilft, mit all seiner Trauer, seiner Frustration und seiner Sehnsucht fertig zu werden.
Die Sprecherin Subhadra Newton hat für mich noch zusätzlich dazu beigetragen, dass ich diese an sich schon sehr schöne Geschichte noch mehr genossen habe. Sie hat nicht nur den verschiedenen Figuren eine überzeugende Individualität verliehen, sondern auch dafür gesorgt, dass sich all die nicht ganz so vertrauten Begriffe, die Maria verwendet, für mich stimmig anfühlten. Es hat mir wirklich viel Freude bereitet, Subhadra Newton zuzuhören, was dazu geführt hat, dass ich meine Hörbuchzeit deutlich verlängert habe, um nur noch ein bisschen mehr von der Geschichte mitzubekommen. Ich hoffe sehr, dass ich von Karuna Riazi (und Subhadra Newton) in Zukunft noch mehr lesen bzw. hören werde.