Wieder ein Buch, bei dem der Klappentext in mir andere Erwartungen geweckt hatte als letztendlich erfüllt wurden.
Der Verlagstext lautet:
Seit Myriam von ihrer Familie verstoßen wurde, sucht sie nach einem neuen Sinn in ihrem Leben. Nach Jahren zielloser Wanderschaft eröffnet sie in Paris ein kleines Lokal namens Chez moi. Das ungewöhnliche Restaurant wird schnell zum Lieblingstreffpunkt des Viertels, und Myriam findet in ihren Nachbarn und Gästen eine neue Familie. Doch kann man die Vergangenheit einfach so hinter sich lassen?
Den Anfang von „Mein hungriges Herz“ fand ich noch sehr reizvoll. Agnès Desarthe zeigt hier eine recht entschlossene Myriam, die einen Haufen Dokumente fälscht und Geschichten erzählt, um sich den Traum vom eigenen Restaurant erfüllen zu können. Mir hat es gefallen, wie sich die Frau provisorisch in ihrem Café „Chez moi“ eingerichtet hat, wie sie auf einer gepolsterten Bank schläft und sich in ihrem Spülbecken ein Bad gönnt, weil sie sich eine Wohnung neben dem Restaurant nicht leisten kann. In diesen Aktionen steckt so ein Wille zum Überleben, so ein Bedürfnis sich diesen einen Traum zu erfüllen, das fand ich schön!
Doch als das Café so langsam anläuft, wird die Geschichte für mich immer seltsamer. Myriam philosophiert über die verschiedenen Gäste, über ihre Geschäftsnachbarn und über ihre eigene Stellung in der Welt – und mit diesen Passagen hat es mir die Autorin sehr schwer gemacht bei der Stange zu bleiben. Für mich waren die Gedanken von Myriam oft nicht nachvollziehbar, zu abgehoben, zu pathetisch, zu … fremd. Und zwar auf eine Art und Weise, die ich nicht interessant, sondern ermüdend fand. Wieder einmal war es hier eine Nebenfigur, die dafür sorgte, dass ich weitergelesen habe.
Denn obwohl Myriams Restaurant gut besucht ist und die Leute ihr Essen und ihre Ideen lieben, bekommt sie ihre Finanzen und all die anderen Dinge, die zu beachten sind, nicht in den Griff. Was auch daran liegt, dass sie zum Beispiel zwei Studentinnen, die sie ins Herz geschlossen hat, die teuersten Gerichte vorsetzt, ohne dass die beiden angemessen dafür bezahlen müssen. Immerhin sind es auch diese beiden Mädchen, die ihr empfehlen Ben als Kellner anzustellen. Ihr Argument ist es, dass sich Myriam so mehr auf das Kochen konzentrieren kann, während sich Ben um die Gäste kümmern wird. Aber der junge Mann bedient nicht nur die hungrigen Besucher des „Chez moi“, sondern sortiert unauffällig auch Myriams Leben neu. Er sorgt dafür, dass dringende Rechnungen bezahlt werden, dass sich die Köchin nach dem richtigen Lieferanten umschaut und dass sich Myriam wieder mehr auf sich konzentrieren kann.
Denn Myriam wirkt – je erfolgreicher das Restaurant ist – immer verlorener. Als Leser weiß man zwar, dass es zu einem Bruch mit ihrer Familie kam, aber erst so nach und nach erfährt man, was wirklich passiert ist. Auch hier hatte ich das Gefühl, dass mir die Autorin nicht so ganz erklären kann, warum dieser eine Vorfall zu einer solchen Zerstörung von Myriams Persönlichkeit geführt hat. Einzig die Andeutungen, dass sie sich noch nie wie andere gefühlt hat und dass sie auch damals ihren Mann vor allem geheiratet hat, um ein beständiges und „normales“ Leben zu führen, hat mich etwas mit dieser Grundsituation versöhnt.
„Mein hungriges Herz“ gehört wieder einmal zu den Büchern, bei denen ich die Idee, die Figuren und die Sprach zwar würdigen kann, aber bei denen ich das Fazit ziehen muss: Für mich ist das nichts! Und das obwohl ich mich am Ende in die Geschichte eingefunden hatte und mich über den Schluss freuen konnte. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass Agnès Desarthe oder daran, dass ich eben auch mit einer bestimmten Form von „Frauenroman“ nichts anfangen kann, aber so ist es eben. Das wird mich allerdings nicht daran hindern, immer wieder zu solchen Büchern zu greifen, in der Hoffnung darin eine berührende und ungewöhnliche Geschichte zu entdecken.
Mit dem Buch hatte ich auch geliebäugelt, aber mich dann doch dagegen entschieden. Scheint eine gute Entscheidung gewesen zu sein, wie es aussieht. 😉
@Soleil: Das sagtest du als ich das Buch damals neu bekam – deshalb wollte ich mich mit der Rezi eigentlich auch beeilen, aber letztenlich hat es doch sehr lange gebraucht, bis ich meine diffusen "mag ich nicht" und "irgendwie gibt es doch interessante Aspekte an dem Buch" Eindrücke sortiert hatte. Es ist komisch, aber bei manchen Romanen brauche ich eine sehr lange "Verdauungszeit" bis ich vom "emotionalen Leser" zu einem einigermaßen "objektiven Rezensenten" wechseln kann. 😉
Deine Beschreibung unterstreicht meinen Eindruck, dass französische Bücher grundsätzlich sehr, sehr eigen sind – zumindest haben mich die meisten meiner Versuche mit französischen Werken eher befremdet als begeistert. Und das gilt für Bücher ebenso wie für Filme. Irgendwie scheinen die französische Denkweise/das französisches Lebensgefühl nicht recht kompatibel mit mir zu sein! 😉
@Irina: Ich stelle das bei mir auch immer wieder fest. Wobei ich bei manchen französischen Büchern die Sprache ebenso genießen kann wie die andere Denkweise. Aber deutlich häufiger fällt es mir sehr schwer, mich darauf einzulassen und mehr positives als irritierendes dabei zu finden.
Vielleicht wäre es anders, wenn ich Französische gelernt hätte, aber irgendwie hatte ich auch nie das Bedürfnis dazu. 😉
Ich hab Französisch gelernt – nutzt nix! 😉
Irgendwie beruhigt mich das … *g* Aber eigentlich hätte ich mir das auch denken können, denn meine (mal vorhandenen) Grundkenntnisse der spanischen Sprache haben mir bei spanischen Autoren auch noch nicht geholfen. 😉
Ist ja lustig, ich habe zwar unverschämterweise deine Rezension auch nicht ganz gelesen, aber der Klappentext hatte mich mit "nach Jahren der Wanderschaft" als Leser verloren. Dann streiften meine Augen noch über Café und Paris und das Wort "Familie" und mir war klar, nix für mich.
@Susanne: Manche dieser Café-Bücher sind so nett und heimelig geschrieben, dann kann man sich einfach einen gemütlichen Nachmittag damit machen und eine schöne Geschichte genießen, während man das Gefühl hat, dass man die Gerichte und die Getränke fast riechen kann. Aber vielleicht sollte ich bei solchen Handlung wieder mehr zu amerikanischen Autorinnen greifen – auch wenn ich da in letzter Zeit auch nicht viel Glück hatte … 😉