Carola Dunn: Miss Daisy und die tote Sopranistin

Nachdem Irina vor einiger Zeit Cozy-Krimis für sich entdeckt hatte, hatte sie mich gefragt, ob ich die „Miss Daisy”-Reihe von Carola Dunn kennen würde. Kannte ich nicht, aber da ich im Bibliothekskatalog ein paar Titel fand, dachte ich, ich sollte diese Wissenslücke mal schließen. Nun allerdings ärgere ich mich, dass ich die Serie nicht ungefähr zehn Jahr früher für mich entdeckt habe, denn als deutsche Ausgaben sind die Bücher regulär über den Handel nicht mehr zu bekommen. In den letzten Wochen habe ich den zweiten („Miss Daisy und der Tod im Wintergarten“) und sechsten („Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser“) und  gestern den dritten Teil („Miss Daisy und die tote Sopranistin“) der Serie gelesen und kann so immerhin sagen, dass man die Geschichten unabhängig von der Reihenfolge genießen kann.

„Miss Daisy und die tote Sopranistin“ ist der dritte Band rund um die adelige Daisy Dalrymple. Die junge Frau ist für ihre Zeit ungewöhnlich fortschrittlich und lebt lieber mit einer Freundin zusammen in London, als mit ihrer Mutter auf dem Witwensitz des Familienbesitzes. Man schreibt das Jahr 1923, die Gesellschaft verändert sich spürbar und doch ist es für Daisy nicht einfach als Journalistin Fuß zu fassen. Während die Mitglieder des Adels nicht verstehen können, dass eine der ihren selber Geld verdienen will (ein vermögender Ehemann, wenn möglich mit Adelstitel, wäre doch viel standesgemäßer), stößt Daisy in anderen Gesellschaftsschichten auf die unterschiedlichsten Reaktionen. Von vollkommener Verachtung gegenüber dem veralteten Adel bis zur herzlichen Akzeptanz ist alles dabei. Trotzdem findet es Daisys Umfeld grundsätzlich irritierend, dass sie eine herzliche Freundschaft zu Detective Chief Inspector Alec Fletcher von Scotland Yard pflegt.

Mit diesem genießt Daisy an einem Sonntagnachmittag ein Konzert in der Albert Hall, als die Sopranistin Bettina Westlea nach der Pause auf der Bühne zusammenbricht. Schnell steht fest, dass die Solistin vergiftet wurde und so sieht sich Alec Fletcher gezwungen den Fall zu übernehmen. Auch Daisy mischt kräftig bei den Ermittlungen mit – nicht gerade zur Freude von Alec, obwohl dieser zugeben muss, dass Daisy ohne große Mühe die interessantesten Informationen von den Verdächtigen anvertraut bekommt. Schon während der ersten Befragung der anwesenden Musiker und Familienmitglieder stellt sich heraus, dass die Sängerin nicht gerade beliebt war und dass mehr als eine Person ein Motiv gehabt hätte sie zu ermorden.

Bei Amazon habe ich gesehen, dass einige Rezensenten bei dieser Reihe kritisieren, dass nur geredet wird und keine Spannung aufkommt. Leute, wenn ihr einen Actionthriller lesen wollt, dann greift doch nicht zu einem Cozy! Mir persönlich gefällt nämlich gerade diese Konzentration auf die Menschen, ihr Umfeld, ihre Beziehungen und ihre Gefühle. Carola Dunn hat ein wunderbares Händchen für Dialoge und für die kleinen Details, die bei mir das Gefühl aufkommen lassen, dass diese Zeit besonders stimmig dargestellt wurde. Ihre Charaktere sind mal liebenswert, mal skurril oder unsympathisch, aber immer wirken sie angenehm realistisch.

Obwohl der Krimianteil stellenweise schon sehr vorhersehbar ist, habe ich ihn in allen drei bisher gelesenen Büchern nie als langweilig empfunden. Gerade bei „Miss Daisy und die Sopranistin“ bin ich den ganzen Roman hindurch um einen bestimmten Verdacht herumgeschlichen und habe mich auf jeden kleinen Hinweis gestürzt, dass ein andere Mensch der Mörder sein könnte, weil derjenige, der es vermutlich war, mir so schnell ans Herz gewachsen ist. Die Geschichten sind einfach wunderbar unterhaltsam, zeigen ein – wie ich finde – realistisches Bild der Zeit und sorgen bei mir für angenehme Lesestunden.

Bislang habe ich den Eindruck, dass Carola Dunn ein relativ gleichbleibendes Niveau bei ihren Romanen hat, auch wenn ich „Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser“ bezüglich des Kriminalfall besonders schwach fand (was vielleicht auch daran liegt, dass ich mit Rudern als Sport nicht so viel anfangen kann). Aber insgesamt hat mich auch dieser Titel gut unterhalten. Deshalb werde ich  mich in den nächsten Tagen noch auf „Miss Daisy und der Mord im Flying Scotsman“ (Bd. 4) stürzen.

Und sobald die Bibliothek mir „Miss Daisy und der Tote auf dem Eis“ (Bd. 1), „Miss Daisy und der tote Professor“ (Bd.7) und „Miss Daisy und die Entführung der Millionärin“ (Bd. 5) liefern kann, werde ich diese Bände auch noch verschlingen. Im Original sind – wenn ich wikipedia glauben kann – sogar schon neunzehn Krimis rund um Miss Daisy erschienen (ein zwanzigster ist für Januar 2012 angekündigt) und so werde ich mir wohl in naher Zukunft überlegen müssen, ob ich die Originalausgaben auf meinen aus den Nähten platzenden Wunschzettel setzen will.

16 Kommentare

  1. die reihe klingt reizend!

    ich kann mir vorstellen, dass man über zvab vielleicht was findet (neben flohmarktstöbereien natürlich 😉 )

  2. Amazon bietet auch einige gebrauchte Exemplare an – aber wenn mich die Reihe nach den noch ausstehenden vier Bänden immer noch so reizt, dann werde ich wohl wirklich auf die englischen Ausgaben zurückgreifen. Immerhin bekomme ich da nicht nur sieben Titel geliefert. 😉

    Ohje, ich brauche einen Lottogewinn! *kicher*

  3. Oh, ich mag die 20er Jahre ^^

    Du hast mir spontan Lust auf diese Reihe gemacht, ich werde mal einen der englischen Bände auf meine Wunschliste wandern lassen (und die Cover passen ja bei englischen wie deutschen Ausgaben richtig schön zur Zeit!).

  4. Ich muss dich unbedingt öfters nach Büchern fragen, damit du sie für mich ausprobierst! *g*

    Du hattest mir ja schon mehrfach von deinen Leseerfahrungen berichtet, aber ich muss nochmal sagen: Das klingt wirklich super. Gut, dass ich die Reihe aufgestöbert habe – zumindest namentlich!

    Ansonsten geb ich dir völlig recht mit der Kritik an der Kritik. Das Problem dabei liegt m.E. aber auch ein wenig an den Verlagen, die die Cozies hierzulande einfach nicht gut genug vermarkten!

  5. @Kiya: Geht mir genauso – und zum Glück gibt es auch eine schöne Romane, die in den 20gern spielen. 🙂

    Ich bin gespannt, wie dir die Romane gefallen, wenn denn der erste Band bei dir irgendwann eintrudelt! Die Cover finde ich total schön, endlich passt das mal zum Inhalt!

    @Irina: Du bist sooo böse! 😀 Vor allem, wenn du mich nach Büchern fragst, die dann auf meinem Wunschzettel landen. 😉

    Was die Vermarktung angeht, so habe ich schon das Gefühl, dass einige Reihen – zumindest vom Klappentext her – deutlich machen, dass sie "cozy" und nicht "action" sind. Vielleicht liegt es daran, dass einfach jeder den Begriff Häkelkrimi doof findet und vermeidet. Man sollte einen schönen deutschen Begriff dafür finden … *g*

  6. Nachdem ich jetzt einige Cover angesehen habe, finde ich die englischen von Robinson am stimmungsvollsten (das ist beim ersten Teil so ein Schlittschuh-Cover, das nach ersten Erkundigungen ja auch zum Inhalt paßt). Die deutschen Cover erinnern dafür sehr an Jugendstil, auch schön.

    (Was gibt's denn noch so für 20er-Liebhaber?)

    Bei der Vermarktung laufen im Moment doch diese Provinzkrimis ziemlich gut, oder? – Von Kluftinger bis Dampfnudelblues. Ist zwar was anderes, wird aber vielleicht von manchem gelesen, der eben gemütlichere Krimis möchte (und die hier besprochenen nicht kennt, weil er sie im Buchladen nicht findet).

  7. Liebevolle Cover können wirklich beide Sprachen aufweisen. 🙂

    Da du ja auch Fantasy gerne liest, würde ich dir fürs 20er-Jahre-Feeling noch "Moonshine – Stadt der Dunkelheit" von Alaya Johnson ans Herz legen. Hm, das könnte ich für den Blog auch mal besprechen, dann hätte ich mal eine Rezi bei J stehen … *g*

    Was die Regional-Krimis angeht, so laufen die wohl wirklich vor allem wegen der regionalen Eigenheiten, die mal nur betont, mal regelrecht überzogen dargestellt werden, und dem Bedürfnis der Leute die Geschichten auf dem eigenen Stadtplan verfolgen zu können. 😉 Die Cozy-Krimis sind da doch noch etwas anderes …

  8. Stimmt, die Provinzkrimis sind derzeit sehr beliebt. Wobei die ja doch sehr auf Humor/Skurrilität setzen bzw. davon leben, oder? (Die Klappentexte vermitteln zumindest den Eindruck; ich hab noch keinen einzigen gelesen.)

    Winterkatze: Das stimmt, dass aus vielen Klappentexten hervorgeht, dass man es nicht mit einem Actionthriller zu tun hat. Ich könnte mir nur vorstellen, dass da viele nicht so wirklich drüber nachdenken, weil das Genre "Häkelkrimi" hier einfach nicht so wirklich in den Köpfen ist.

  9. @Irina: Auch bei den Regionalkrimis gibt es unterschiedliche Schwerpunkte. Die Eifel-Krimis (Jacques Berndorf), die ja mit zu den ersten gehören, setzen eher auf Lokalkolorit und individiuelle Charaktere, andere wie zum Beispiel die Grappa-Bücher (Gabriella Wollenhaupt) sollen auf humorvolle Weise die realen Bedingungen in Dortmund aufzeigen, die Schwäbisch-Hall-Krimis (Tatjana Kruse) kann ich persönlich als Krimi nicht ernstnehmen, sind aber amüsant-überzogen gemeint, und andere Autoren setzen wiederum auf solide Krimis in einer Umgebung, die sie besonders gut kennen.

    Die Begriffe Cozy und Häkelkrimi werden ja in Deutschland auch noch nicht so lange verwendet, aber "gemütliche Krimis" oder Kriminalgeschichten "wie die von Agatha Christie oder Ngaio Marsh" wurden auch schon zu meinen Anfangszeiten im Buchhandel immer wieder von den Kunden gesucht. (Und von mir gern gelesen. ;D)

  10. Ja, etwas anderes ist es auf jeden Fall, ich bin nur am Überlegen, ob die Zielgruppe ähnlich ist (Krimileser, die keine actionorientierte Handlung wollen, sondern eher Milieuschilderung mögen).

    Ich hab die ersten Kluftinger-Bücher gelesen, wobei ich nach dem vierten, den ich sehr schlecht fand, aufgehört habe. Für die Bücher kann ich sagen, daß der Humor auf jeden Fall eine große Rolle spielt – hier schreiben aber zwei Autoren und ich habe Krimi- und Privatlebenszenen (letztere sind die mit viel Slapstick-Anteil) immer irgendwie getrennt empfunden. Sprich, Krimi gibt es neben dem Humor durchaus auch 😉
    Leider wird der Witz immer platter, und was am Anfang noch für Erheiterung gesorgt hatte, nervt irgendwann nur noch. Andere Reginalkrimis kenne ich nicht.

    Danke für die Empfehlung! "Moonshine" klingt sehr interessant 🙂

  11. Ich denke, dass sich die Zielgruppen vermutlich schon überschneiden. 😀

    Bei den Kluftinger-Büchern habe ich zwei bislang gelesen, beide fand ich unterhaltsam, aber nicht so großartig, dass ich jetzt unbedingt mehr davon lesen muss. Laufen sie mir über den Weg, dann ist es gut, wenn nicht, dann kann ich auch damit leben. 🙂 Wobei ich die Romane gern empfehle …

    Gern geschehen, ich verbreite ja gern Buchempfehlungen. 😀

  12. Wenn es Überschneidungen geben sollte, teilen sich die Bücher eben sozusagen einen Markt und die Provinzkrimis könnten einige der potentiellen Cozy-Leser abfangen 🙂

    Den zweiten Kluftinger fand ich am besten (die Sagen wurden schön eingebaut), also falls du den noch nicht kennst, wäre das am ehesten eine Empfehlung.

    Zu "Moonshine" noch ein Frage: wie präsent bzw. nervig ist die Liebesgeschichte, die es offenbar gibt? 😉 (Alles andere klingt soweit gut)

  13. Den zweiten Kluftinger kenne ich noch gar nicht, ich halte den mal im Hinterkopf! 🙂

    Ich fand die Liebesgeschichte überhaupt nicht nervig. Sie ist zwar vorhanden, zeigt aber eher, was für eine ungewöhnliche Frau die Hauptfigur ist. Allerdings hätte die Verbindung zu den ungewöhnlichen Vorfällen in der Stadt nicht so offensichtlich sein müssen, aber damit konnte ich dank der schönen Atmosphäre, den sympathischen Figuren und des Humors gut leben. 🙂

  14. Auf "Miss Pettigrew" bin ich zumindest schon einmal aufmerksam geworden, liegt auch irgendwo in den Tiefen meiner Wunschliste, aber bisher war ich mir noch nicht ganz sicher. Irgendwann lese ich es aber bestimmt mal 🙂

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