Diana Wynne Jones: The Game

Bei „The Game“ von Diana Wynne Jones bin ich mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob ich das Buch vorher schon mal gelesen hatte oder nicht. Es weckt auf jeden Fall starke Erinnerungen an andere britische Kinderbuchklassiker (die ich als Kind gelesen habe) in mir, und gerade gegen Ende gab es ein paar Szenen, die mir sehr vertraut vorkamen. Wenn ich es jemals gelesen habe, dann war es auf jeden Fall eine deutsche Ausgabe und ist schon sehr, sehr lange her. In „The Game“ erzählt Diana Wynne Jones die Geschichte der jungen Hayley, die bei ihren Großeltern aufwächst, bis sie – aus ihr unbekannten Gründen – bei ihrer Großmutter in Ungnade fällt und innerhalb weniger Stunden zur Verwandtschaft nach Irland geschickt wird. Von Anfang an wird deutlich, dass Hayley bei ihren Großeltern nicht gerade ein glückliches Leben hatte, da ihre Großmutter sehr strikte Vorstellungen davon hatte, wie Hayley sich zu benehmen hat und mit wem sie Kontakt haben darf. Das führte dazu, dass Hayley nicht nur daheim von der Großmutter unterrichtet wurde, sondern auch dazu, dass ihr einziger sozialer Umgang in den Großeltern, den ständig wechselnden Dienstmädchen und den seltenen Besuchen ihres Onkels Jolyon bestand.

Umso überwältigter ist Hayley, als sie entdeckt, dass sie in Irland Unmengen an Verwandtschaft hat, die sie vorher noch nicht kannte. Ihre diversen Tanten nehmen sie herzlich in Empfang, und auch all die Cousins und Cousinen sind zum Großteil sehr nett zu ihr und bringen ihr unter anderem die Regeln ihres ganz privaten, besonderen Spiels bei. Dieses Spiel führt Hayley in die Mythosphäre, von der ihr Großvater ihr schon erzählt hat und deren verschiedene Stränge durch all die vielen unterschiedlichen Geschichten und Legenden auf der Welt entstehen. Hayley und die anderen sind sich dabei durchaus bewusst, dass die Mythosphäre für sie verboten ist, aber die Abenteuer, die es dort zu erleben gibt, sind zu verlockend, um diesem Verbot zu folgen. Die Mythosphäre bietet dabei wunderschöne, aber auch sehr grausame Elemente, und vermutlich ist es gerade der Kitzel, der durch das Bewusstsein entsteht, wie gefährlich diese Ausflüge sind, der das Spiel so verlockend für Hayley und ihre Verwandtschaft macht. Erst im Laufe der Zeit erfährt Hayley, dass ihre Großeltern ihr in der Vergangenheit nicht nur den Zugang zur Mythosphäre, sondern auch noch viele andere Geheimnisse vorenthalten haben.

Ich mochte Hayley, ihre Familie und die diversen anderen Charaktere ebenso sehr, wie die Szenen, die in der Mythosphäre spielen. Als Leser muss man bei „The Game“ erst einmal einige Dinge hinnehmen und auch am Ende der Geschichte damit leben, dass Diana Wynne Jones nicht für jeden Vorfall und jede Figur eine Erklärung bietet. Ich habe einige Rezensionen gesehen, die dies als Kritikpunkt hervorgehoben haben und den Mangel an „Weltenbau“ beklagten, aber für mich ist das einfach ein stimmiges Mittel für diese Art von Geschichten. Zum einen bietet die Handlung so Raum für die Fantasie des Lesers, und zum anderen müssen viele Dinge nicht erklärt werden, wenn man sich mit klassischen (griechischen) Sagen auskennt. Dabei kann man „The Game“ meiner Meinung nach auch genießen, wenn man nicht all die Verweise und Anspielungen auf die griechische Götter- und Sagenwelt zuordnen kann. Außerdem gibt es zumindest in meiner Ausgabe des Buches (ISBN 9780007267132) Anhänge, die mehr über die verschiedenen Sagengestalten, über Planeten, Sternzeichen und ähnliches erzählen, um das notwendige Hintergrundwissen nachschlagen zu können, wenn man das möchte.

Grundsätzlich mag ich diese Anspielungen auf die klassische Sagenwelt und den recht respektlosen Umgang mit den diversen Göttern und ihren Geschichten. Ich glaube nicht, dass ich etwas Vergleichbares jemals in deutschen Kinderbüchern gefunden habe, während ich wirklich viele britische Kinderbücher kenne, bei denen ganz selbstverständlich und ohne jede weitere Erklärung Götter, Jahreszeiten, Planeten usw. in die Handlung eingeflochten wurde, um der Geschichte so einen fantastischen Touch zu verleihen. Wer also ebenfalls solche Elemente mag und keine detaillierten Erklärungen rund um die beschriebene fantastische Welt benötigt, der wird mit „The Game“ vermutlich viel Spaß haben. Ich persönlich mochte Hayley und den Großteil ihrer Familie ebenso wie das russische Kindermädchen, die Straßenmusiker und all die amüsanten und seltsamen Begebenheiten, die sie mit ihnen erlebte.

4 Kommentare

  1. Das klingt nach einem sehr schönen Buch und mit der griechischen Götter- und Sagenwelt kann man mich eh immer locken. Seit „Fire and Hemlock“ wollte ich ja unbedingt mehr von Diana Wynne Jones lesen, aber bisher hat es sich irgendwie nie ergeben. Ich glaube, dieses Buch setz ich jetzt mal auf meine Liste.

    • Konstanze

      Ich habe die Geschichte auf jeden Fall sehr gemocht. Es ist keine besonders komplexe Handlung und die Autorin lässt einiges in der Luft hängen, aber ich mochte all die Anspielungen, die Atmosphäre und die Figuren in dem Roman. 🙂

      Ich bin gespannt, wie es dir gefällt, wenn du es irgendwann lesen solltest. 🙂

      • Ich befürchte „irgendwann“ ist treffend, da ich gerade mal wieder zu viele Bücher auf meiner Liste habe, die ich demnächst lesen möchte …
        Aber vielleicht schiebe ich es mal dazwischen, hat ja eine überschaubare Länge.

        • Konstanze

          Die Geschichte ist wirklich schnell gelesen und lässt sich auch gut mal zur Seite legen, weil die Handlung nicht so komplex ist, dass man etwas vergessen könnte. 😉

          Die „Demnächst-Lesen-Liste“ ist doch irgendwie immer zu lang … *g*

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