„Der Tod wohnt nebenan“ wurde von mir als erste Station der „Weltreise“-Challenge von Natira ausgewählt und führte mich nach Barcelona. Dort hatte der Nachbarschaftsvereins des Viertels eine Feier in einem Abrisshaus geplant. Denn mit diesem Haus würde endgültig die Vergangenheit verschwinden und so sollte man sich noch ein letztes Mal zusammenfinden, um Abschied zu nehmen. Doch vor den schön geschmückten Tischen, die sich unter den Speisen und Getränken regelrecht verbiegen, liegt die Leiche eines Mannes.
Seine Identität ist kein Rätsel, denn er ist den Leuten in der Nachbarschaft bekannt, auch wenn er schon seit vielen Jahren nicht mehr hier wohnt. Omedes war ein kleiner Schläger und Ganove und hat eines Tages mit einem Komplizen eine Bank überfallen. Dabei wurde nicht nur ein Wachmann, sondern auch eine Geisel getötet – besonders tragisch war dabei, dass die Geisel ein gerade mal dreijähriger Junge war. Als der Gauner nun ermordet aufgefunden wird, steht für jeden fest, dass der Vater des getöteten Jungen sich für die inzwischen dreißig Jahre zurückliegende Ermordung seines Kindes gerächt hat. Auch Inspector Méndez geht davon aus, nun muss es ihm nur noch gelingen, David Miralles die Tat nachzuweisen. Und zwar bevor dieser auch noch Omedes Komplizen aufstöbern und töten kann. Oder von diesem ermordet wird, damit Miralles seine Rache nicht vollenden kann.
Was wie ein sehr reizvoller Krimi beginnt, ist eigentlich eher eine Hommage an die katalanische (nicht spanische) Gesellschaft, und zwar an eine Gesellschaft, die aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre zu verschwinden scheint. Inspector Méndez und die Menschen, denen er während seiner Ermittlungen begegnet, trauern der alten Zeit hinterher. Dabei ist ihnen allen bewusst, dass diese Vergangenheit auch ihre Schattenseiten hatte – kein Wunder, wenn man überlegt, dass all diese Menschen während des Franco-Regimes aufgewachsen sind.
Es ist nicht gerade unüblich, dass ein Krimi die gesellschaftskritische Sicht des Autors widerspiegelt, aber Francisco González Ledesma macht das „In der Tod wohnt nebenan“ so plakativ, dass es für mich doch sehr gewöhnungsbedürftig war. Ich bevorzuge dann doch eher die subtile Erzählweise eines Raymond Chandler oder Ross Macdonald. Francisco González Ledesma hingegen neigt zu blumigen Formulierungen, Übertreibungen und Wiederholungen, an die ich mich erst einmal gewöhnen musste – was mir nicht so leicht gefallen ist. Aber so geht es mir häufig mit Autoren, die aus dem spanischen, französischen oder italienischen Sprachraum kommen.
Ein weiteres Problem ergab sich beim Lesen dieses Romans dadurch, dass „Der Tod wohnt nebenan“ schon der neunte Band der „Inspector Méndez“-Reihe ist – aber das erste Buch des Autors, das in Deutschland veröffentlicht wurde. So hatte ich ganz oft das Gefühl, dass mir Hintergründe zu den Personen fehlen, dass der Autor eigentlich Namen oder Beschreibungen hätte liefern müssen und dass ich anfangs eher hilflos auf den ungewöhnlichen Inspector und sein Umfeld losgelassen werde. All das regelt sich im Laufe des Romans, doch wäre der Einstieg in die Geschichte für mich vermutlich deutlich leichter geworden, wenn ich die ersten acht Bücher um diesen Polizisten schon gekannt hätte.
Insgesamt war es für mich schon ein interessantes Buch. Ich habe noch nicht sehr viele katalanische Krimis gelesen und die Anzahl der spanischen Autoren, die mir bislang durch ihre Bücher begegnet sind, kann ich an einer Hand abzählen. So bot mir „Der Tod wohnt nebenan“ – nachdem ich mich an die Erzählweise gewöhnt hatte – einen spannenden und eher melancholischen Einblick in die katalanische Gesellschaft (wenn auch nur durch die Augen dieses einen Autors), eine Vielzahl ungewöhnlicher Charaktere und eine anfangs eher plätschernden, aber letztendlich doch noch reizvolle Kriminalgeschichte.
Diese Veröffentlichungspolitik ist schon seltsam *den Kopf schüttelt*. Natürlich hätte man einen anderen Zugang, wenn man seine Entwicklung bis zum 9. Band hätte mitverfolgen können.
Ich freue mich, daß Du dennoch einen interessanten Aufenthalt in Katalonien hattest 🙂
Ich finde es auf jeden Fall immer wieder spannend mich auf so eine andere Kultur einzulassen. Anfangs grummel ich zwar immer vor mich hin, weil ich diese überbordende Erzählweise nur schwer zugänglich finde, aber dann folgt doch immer ein ungewöhnliches Leseerlebnis.
Bei "Mein hungriges Herz" war es auch so – aber das werde ich wohl erst in ein paar Tagen besprechen können. *seufz* Hier stapeln sich gerade die Bücher, aber es fehlt die Zeit zum Schreiben …
Bei blumig und überbordend muß ich als erstes immer an arabische Literatur denken, was aus meiner Sicht ein unbestätigtes Vorurteil ist. Ich habe bislang kaum arabische Literatur gelesen und trotzdem sind diese Eigenschaften in meinen Hinterkopf gewandert. Seltsam …
Ist "Mein hungriges Herz" auch von einem spanischen Autor?
Bei Dir stapeln sich die Bücher zum Besprechen, ich habe gerade eine Leseflaute. Nun, vielleicht wird es besser mit der angekündigten Abkühlung …
Die arabischen Sachen, die ich bislang gelesen habe, waren auch blumig und überbordend, aber auf eine noch etwas andere Art. 😉
"Mein hungriges Herz" ist von einer französischen Autorin und das macht sich sprachlich auch sehr bemerkbar. Vielleicht würde ich anders an solche Romane herangehen, wenn ich eine der romanischen Sprachen beherrschen würde …
Lesen kann ich fast immer, aber zum Schreiben brauche ich dann doch etwas Ruhe … Meine Buchstapel auf dem PC kamen gerade doch bedenklich ins Wanken, als ich sie vor der nächsten Streichrunde in Sicherheit brachte. Das hat mich mal zum Zählen veranlasst: 24 Bücher und 2 Hörbücher will ich eigentlich noch rezensieren – dabei landet längst nicht jedes Buch, das ich lese auf dem Stapel!
Liebe Winterkatze,
ich finde es auch immer ganz unschön, mitten in einer Reihe anzufangen. Dieses Gefühl, dass man fremd in der Marterie ist lässt sich einfach schwer abschütteln. (Ausser natürlich bei Kai Meyer, der ja alles so oft wiederholt, dass man auch mit dem letzten Teil starten kann *lach*).
Ui, da hast Du ja noch einiges vor Dir an Rezensionen. Und da Du ja auch ein Fleissbienchen bist und viel renovierst und es ausserdem wahnsinnig heiss ist: lass Dir doch Zeit 🙂
Lg und sorry, für mein häufiges Schweigen in der letzten Zeit, irgendwie klappt das mit der Blogrunde eher selten im Moment.
Liebe Sayuri,
manche Autoren (jupp, auch der Kai Meyer gehört dazu ;D) schreiben wirklich so, dass es egal ist, ob man die vorhergehenden Bücher schon kennt, aber hier fühlte ich mich wirklich anfangs etwas verloren.
Ich fürchte, ich werde nicht alle diese Bücher auch wirklich für den Blog rezensieren. Irgendwann kommt der Punkt an dem ich aufräume und dann wandert doch das eine oder andere entweder in einen Umzugskarton oder in das Regal mit den Titel, die an die Bibliothek oder so gehen.
Zum Glück ist diese Renovierungsrunde fast geschafft, also muss ich nur noch zwei Tage durchhalten und kann dann auf ein schönes und fertig eingerichtetes Wohnzimmer blicken. Naja, zumindest soweit, wie es in absehbarer Zeit möglich ist. 😉
Mir fehlt nur noch die Fläche hinter dem Arbeitsbereich, die ich farblich absetzen werde – und die ich leider dreimal streichen muss, da die Farbe nicht so deckend ist. Aber wenn erst einmal alles abgeklebt ist, dann habe ich nach jeder Streichrunde immer schön lange Phasen, in denen ich die Füße auf dem Sofa ausstrecken und lesen (ohje, noch mehr Bücher) kann. 😉
Und du musst dich doch nicht für dein Schweigen entschuldigen! Sonst muss ich noch gestehen, dass ich seit … äh … sechs Wochen oder so eine angefangene Mail an dich herumliegen habe. 😉 Mach dir keinen Stress und bekomm erst einmal in deinem "normalen" Leben alles auf die Reihe, dann bleibt vielleicht irgendwann wieder mehr für die Blogrunde. 🙂
Ah so, französisch.
Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht, ob mir der Zugang zum Schreibstil besser gelingen würde, wenn ich mit der Sprachgruppe vertrauter wäre…
"Ich fürchte, ich werde nicht alle diese Bücher auch wirklich für den Blog rezensieren."
oh… nicht mal ein kurzer Rundblick statt einer vollständigen Buchbesprechung?
Gibt es ein Foto vom gestrichenen Wohnzimmer *lieb schaut*?
"oh… nicht mal ein kurzer Rundblick statt einer vollständigen Buchbesprechung?"
Nicht einmal das. Wenn ich alle Bücher soweit hier erwähnen wollte, dann müsste ich alle anderen Aktivitäten aufgeben. 😉
Aber wenn du willst, dann kann ich mal am Ende des Jahres eine Liste der von mir gelesenen Romane/Comics/Manga – und der gehörten Hörbücher – einstellen. 😉
Sobald die dritte (oder vierte oder fünfte) Farbschicht auf der letzten Fläche drauf ist. Diese Baumarktfarbe ist einfach grausig – naja, der Farbton hingegen ist schöner als alles, was uns der Maler anbieten konnte. 😉 Und wenn ich den Büroschrank umgebastelt und zusammengebaut habe und das SuB-Regal wieder an seinem Platz und die Katzenbrücke und die CD/DVD/Videospiel-Regale … Äh, also wahrscheinlich am Wochenende. >g<
"Aber wenn du willst, dann kann ich mal am Ende des Jahres eine Liste der von mir gelesenen Romane/Comics/Manga – und der gehörten Hörbücher – einstellen. ;)"
Ich fände das interessant!
Nach dem Wochenende? Bis dahin kann ich warten 😉
Okay, dann kann ich die Schuld auf dich schieben, wenn meine Leser von der Liste erschlagen werden. 😉 Ein aktueller Zwischenstand bringt mich auf 100 Bücher, 48 Comics (darunter 28 Manga) und 29 Hörbücher mit insgesamt 70 CDs. >g<
Ach, du bist so geduldig. 🙂
🙂
Klingt ja wirklich spannend, so wird das mit meinem SUB-Abbau nichts 😉
@Kreativmama: So ein SuB will schließlich gepflegt werden und irgendwann wirst du erstaunt feststellen, dass ein zu kleiner SuB viel beunruhigender ist, als ein richtig großer. 😉
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