Als ich vor einigen Wochen in der Bibliothek nur ein paar Bücher abgeben wollte, bin ich über „Ein Mann namens Ove“ von Fredrik Backman gestolpert. Von dem Titel hatte ich vorher nichts gehört (nach dem Lesen musste ich dann feststellen, dass es wohl im letzten Jahr ein Spiegel-Bestseller war), aber ab und an mag ich skandinavische Bücher über verschrobene ältere Menschen – und die Geschichte schien laut Klappentext in diese Schublade zu passen. Erwartet hatte ich nicht viel von dem Buch, aber das Schöne an Bibliotheksausleihen ist ja, dass man die Titel in Ruhe anlesen und einfach wieder zurückbringen kann, wenn sie einem nicht gefallen. Und dann habe ich den Roman an einem Tag ausgelesen, weil ich von Ove und seinen Nachbarn so hingerissen war.
Zu Beginn der Geschichte lernt man Ove nicht gerade von seiner nettesten Seite kennen. Er steht morgens auf, verjagt eine Katze von seinem Grundstück, dreht eine Runde durch die Nachbarschaft, um Falschparker aufzuschreiben und benimmt sich überhaupt wie der ekelhafte kontrollierende Nachbar, den wir alle garantiert nicht in dem Haus neben uns wohnen haben wollen, – und denkt kurz darauf darüber nach, wie er am Besten einen Haken in seine Wohnzimmerdecke dübeln kann. Auch wenn es nicht an dieser Stelle direkt ausgesprochen wird, so steht schon in diesem Moment fest, dass Ove sich umbringen möchte. Doch dann rammen der unfähige neue Nachbarn seinen Briefkasten, der Nachbar und seine Frau Parvaneh fangen an zu streiten und Ove sieht sich genötigt das Einparken des Anhängers der Nachbarn selber in die Hand zu nehmen, damit sich die Sache nicht noch endlos hinzieht.
Während es in den folgenden Tagen zu weiteren Störungen durch Parvaneh und ihre Familie kommt, lernt man als Leser Ove immer besser kennen. Er ist kein freundlicher oder gar geduldiger Mensch, aber ein Mann, der eine klare Meinung darüber hat, was richtig und was falsch ist, – und ebenso hat er genaue Vorstellungen davon wie ein Mann zu sein hat. In Rückblenden lernt man mehr darüber wie seine Kindheit war, welchen Einfluss sein Vater auf ihn hatte und wie er seine (inzwischen verstorbene) Frau kennenlernte. Es gelingt Fredrik Backman stimmig darzustellen, warum Ove so ein Prinzipienreiter geworden ist und warum er ständig das Bedürfnis hat gegen etwas ankämpfen zu müssen – und all das hat dafür gesorgt, dass ich Ove mit jeder Seite mehr ins Herz geschlossen habe.
Ove ist ein starrköpfiger Mann voller Vorurteile, er hat definitiv Probleme mit anderen Menschen umzugehen und es ist nicht leicht hinter seiner abweisenden Schale einen weichen Kern zu entdecken. Aber diese problematische Figur macht diesen Roman zu so einer wunderbaren Wohlfühlgeschichte, so dass ich locker darüber hinwegsehen konnte, dass die Handlung (griesgrämiger älterer Mann wird durch sympathisch-chaotische Familie „menschlicher“) an sich nicht neu ist oder dass Ove und seine Nachbarn schon etwas überspitzt dargestellt wurden. Auch hat mich der alte Mann mit seinem Bedürfnis zu werkeln, zu reparieren und zu bauen an so einige Menschen erinnert, die ich mal kannte und mochte.
Es hat mir einfach gut getan ein paar Stunden mit diesem Mann zu verbringen, der von sich aus kaum ein Wort redet und sich mit Werkzeug in der Hand deutlich wohler fühlt als in einem Gespräch. So haben auch die eher schlichte und klare Sprache des Romans, die – von Oves Seite aus – eher minimalistischen Dialoge und die immer wieder vorkommenden Wiederholungen von kleinen Alltagsszenen gut zu dem Roman und seinem Protagonisten gepasst. Ove erlebt keine großen Abenteuer, er entwickelt sich nicht von einem Tag auf den anderen zu einer neuen Persönlichkeit, aber es gibt am Ende kleine und entscheidende Veränderungen in seinem Leben und Menschen, die ihn immer mal wieder durchschütteln oder in den Arm nehmen – und das ist einfach nur wunderschön zu verfolgen. Ich habe beim Lesen geschmunzelt und geweint und mich geärgert, wenn dieser so gradliniger Mensch immer wieder durch die fehlenden Wertvorstellungen anderer verletzt wurde.
Ich habe gerade nur den ersten Absatz Deiner Besprechung gelesen – wir habe ja schon darüber gesprochen, dass ich das Hörbuch bei mir habe. Mir ist der Titel bereits kurz nach Erscheinen das erste Mal aufgefallen, aber mitgenommen habe ich ihn erst, als das Hörbuch im Angebot war. Aktuell habe ich zwar "Karwoche" im Auto eingelegt, aber viell. sollte ich danach Ove in Erwägung ziehen. 😉
Ich bin schon sehr gespannt, wie dir die Geschichte gefällt! Ich hoffe, das Hörbuch hat einen angemessenen Sprecher, der Ove und seine Nachbarn gut darstellt. 🙂
Das Hörbuch wurde von Heikko Deutschmann eingelesen und die erste Hörprobe klang relativ gut – obwohl ich das tiefe Einatmen bei Hörbüchern nicht so gern höre… Zur Not schwenke ich auf das Buch um. 😉
Heikko Deutschmann mag ich als Sprecher eigentlich sehr! 🙂
Von dem Roman habe ich bisher noch nie gehört – der muss im letzten Jahr gänzlich an mir vorübergegangen sein. Klingt nach einer schönen Geschichte. Vielleicht passt es bei mir ja auch, dass ich ihn mal aus der Bücherei ausleihe.
@Neyasha: Ich weiß nicht, ob dir die Sprache in dem Roman zusagt, die wurde von einigen Rezensenten kritisiert. Ich persönlich finde die einfache Ausdrucksweise passend für einen Roman über eine ebenso einfache Figur. Vielleicht schaust du dir das mal vor dem Ausleihen an. 🙂