Es ist lange her, seitdem ich das letzte Mal „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende gelesen habe. Wenn ich die Wahl habe, dann greife ich immer eher zu „Momo“ und bis vor kurzem hätte ich nicht sagen mehr sagen können, warum ich das eine Buch dem anderen vorziehe. Wenn ich mich an „Die unendliche Geschichte“ erinnere, dann denke ich an Phantásien, an die Kindliche Kaiserin, an Fuchur und Atréju und an all die fantastischen Gestalten und Ideen. Als ich also die Gelegenheit bekam den Roman als Hörbuch (von Gert Heidenreich gelesen) zu hören, habe ich mich sehr darüber gefreut. Doch nach ungefähr der Hälfte der Geschichte fiel mir ein, warum ich das Buch so selten lese: Ich kann Bastian nicht leiden! Blöderweise ist er nun mal eine der Hauptfiguren und ich kann ihn nicht ignorieren, wenn ich mich mit der „unendliche Geschichte“ beschäftige – auch wenn ich beim Lesen die unangenehmsten Stellen mit ihm ab und an überblättere. Meine Abneigung gegen Bastian ändert allerdings nichts daran, dass Gert Heidenreich das Ganze wunderbar liest (Natira war seine Art zu lesen übrigens zu getragen). Er verleiht jeder Figur Individualität, ohne seine Stimme groß zu verstellen oder zu übertreiben, und er hat eine natürliche „Märchenerzählerstimme“, die sehr schön zu dieser Geschichte passt.
„Grabesgrün“ von Tana French war ebenfalls eine Leihgabe und ich habe das Hörbuch vor allem deshalb beendet, weil ich den Sprecher David Nathan eigentlich sehr gern mag (obwohl ich ihn auch schon besser gehört habe als bei diesem Hörbuch, aber das lag wohl eher an dem Protagonisten). Der Anfang der Geschichte kam mir vertraut vor. Ein Prolog erzählt von drei verschwundenen Kindern (Adam, Peter und Jamie), von denen nur ein Junge, Adam Ryan, wiedergefunden wird – traumatisiert und ohne Erinnerungen an die Geschehnisse. Fast 25 Jahre später wird ein Mädchen (Katy Devlin) ermordet auf einem Opfertisch bei einer Ausgrabungsstätte gefunden und in dem Fall ermittelt Adam – inzwischen Rob – Ryan als Polizist. Ich mochte das freundschaftliche Verhältnis zwischen Rob und seiner Kollegin Cassie und seinen Versuch seine Arbeit als Polizist nicht davon beeinflussen zu lassen, was ihm als Zwölfjährigem passiert ist. Aber zwischendrin zieht sich die Handlung viel zu lang hin und Rob baut immer wieder so viel Mist, dass ich wirklich die Geduld mit ihm verloren habe. Und – auch wenn ich das regelmäßig sagen – die Auflösung war erschreckend vorhersehbar und dann ärgert es mich umso mehr, wenn Rob als Ich-Erzähler behauptet, dass ich als Hörer auf die gleichen Elemente hereingefallen wäre wie er. Nein, bin ich nicht! Wie hätte ich auch darauf reinfallen können, wenn die drei Haupthinweise auf die Lösung so offensichtlich platziert wurden?
Ich fand Bastians Fehler und sein teilweise fürchterliches Verhalten eigentlich immer essentiell für die Aussage des Buches und schließlich auch seine Weiterentwicklung. Allerdings bin ich persönlich auch ein größerer Freund der "Unendlichen Geschichte". Momo ist wirklich schön, aber trotzdem hat mir einmal lesen gereicht. Ich glaube, mir war Momo als Hautpfigur – ganz im Gegensatz zu Bastian – schon ZU gut und fehlerlos.
Mir ist Bastian einfach zu fehlerhaft. Ich vermisse hier und da Momente des Zweifels oder etwas Rückgrad. Natürlich ist sein Verhalten essentiell, aber es ist mir zu einseitig negativ. Momo als Hauptfigur finde ich auch etwas farblos, aber ich mag die Geschichte, ich mag ihre Freunde und ich mag die vielen kleinen Szenen rund um das alte Theater.
Ich habe "Die unendliche Geschichte" immer nur teilweise im TV gesehen, das war mir aber damals etwas unheimlich, ich weiß gar nicht genau, wieso. "Momo" habe ich als Jugendliche mal gelesen, mochte es damals aber nicht so gerne. Allerdings kann ich mich nur noch an dieses "Hmm, eher langweilig"-Gefühl erinnern. Ich weiß gar nicht, wie es mir heute gehen würde.
Du und Krimis – das ist auch keine einfache Sache, ne? *g*
@Tine: Mein Mann mag die Geschichten von Michael Ende überhaupt nicht, die sind ihm zu moralüberfrachtet – vielleicht ginge es dir heute wie ihm, da dir die positiven Kindheitserinnerungen fehlen. Ich fände es spannend, welchen Eindruck du heute von den Geschichten hättest. 🙂
Ich kann damit leben, dass ich die Lösung lange vor dem Ende weiß, wenn mir aber dann der Autor bzw. der Ich-Erzähler erzählt, dass ich ja genauso dämlich wäre wie er, dann werde ich fuchtig. Bei einem solchen Krimi will ich mitraten und da passe ich eben bei Gesprächen auf, merke mir Ungereimtheiten und komme eben häufig auf die Lösung. Ich glaube, ich habe einfach schon zu viele Krimis (aufmerksam) gelesen, um da noch unbefangen herangehen zu können.
Oh, und wenn mich mal eine Auflösung überrascht, dann ist der Fall in der Regel so überkonstruiert, dass ich auch nicht glücklich damit bin …
Auch ich bin der Mitrate-Typ bei Krimis, aber bei Tana French mochte ich den Schreibstil. Deshalb habe ich sie gerne gelesen.
Aly mit den sich schüttelnden drei Nasskatzen
@Aly: Hast du von Tana French auch "Grabesgrün" gelesen? Mir fällt immer wieder auf, dass ich den Erzählstil bei Hörbüchern sehr viel kritischer wahrnehme als bei Romanen.
*reicht ein kuscheliges Handtuch für die Nasskatzen rüber* 😉 Ich hoffe, du bist wieder fit und gesund! 🙂
Noah, „Die unendliche Geschichte" will ich auch schon seit einer gefühlten Ewigkeit endlich mal lesen. Ich habe den Film als Kind einmal gesehen, kann mich aber nur daran erinnern, dass der Junge ein weißes Pferd hatte, dass dann im Moor versunken ist…? Stimmt das überhaupt? Ist das die Geschichte? 😀 Jedenfalls war ich an der Stelle sehr traurig… Mehr weiß ich allerdings auch nicht. Da muss ich mich echt einmal dransetzen!
Ich habe sowohl "Die unendliche Geschichte" als auch "Momo" erst mit Anfang 20 gelesen. Und ich mochte auch damals Momo wesentlich lieber.
Wenn ich jetzt darüber nachdenke, dann habe ich auch gar kein Bedürfnis, mir die unendliche Geschichte nochmal zu schnappen. Aber Momo, hm, das wäre echt eine Überlegung wert… 😉
@BücherFähe: Atréju hat ein Pferd, das im Sumpf versinkt, aber sonst hat der Film nicht gerade viel mit dem Buch zu tun. Wenn du es irgendwann lesen solltest, dann bin ich gespannt, wie es dir gefällt (und was du zu Bastian sagst :D).
@Hermia: "Momo" kann man immer wieder lesen! *dumdidum*
Ah, okay, wie traurig 🙁 Ja, mal sehen! Ich hoffe nur, ich komme endlich mal dazu.
Muss ich mal in der Bücherei gucken, meine Ausgabe finde ich nicht mehr…
@Hermia: Viel Erfolg! 🙂
Ich war übrigens bis eben fest davon überzeugt, dass du "Manneskraft per Postversand" rezensiert hättest, bis ich dann die dazugehörige Rezi bei Birthe gefunden habe. Ich werde alt und kann mir nicht mehr merken, woher ich welche Buchempfehlung hatte! *sniff*
*gg* DAS kann ich mir schon lange nicht mehr merken!
@Hermia: Aber bei dir liegt es bestimmt nur an den anstrengenden Diensten und nicht am Alter. 😀
Der Basti, ja … 😉 Ich wollte ihn auch so manches Mal schütteln, aber in der zweiten Hälfte des Buches gibt es ja auch Gründe für sein – sich änderndes -Verhalten, sodass ich mich letztlich damit arrangieren konnte.
Ich mochte "Grabesgrün" . Viell. habe ich noch lange nicht genug Krimis gelesen und/oder bin unaufmerksam dabei. 🙂
@Natira: Du bist eben deutlich toleranter als ich, wenn es um Romanfiguren geht. 😉
Den Anfang und die Grundidee an sich, mochte ich auch, ebenso wie die Figur der Cassie. Ich mochte es aber nicht, wie sich Rob entwickelt hat und dass die Autorin dann auch noch behauptet, ich wäre – wie Rob – auf den Täter hereingefallen … Es gab drei wirklich auffällige Hinweise auf die Lösung, und einer davon wurde noch durch Robs "hätte ich damals gewusst, was passiert, dann …"-Andeutung extra hervorgehoben.