Es fällt mir sehr schwer, über „Evies Garten“ zu schreiben. Ich könnte es mir einfach machen und nur sagen, dass diese kleine, feine Buch eine wirklich berührende, märchenhafte und bezaubernde Auseinandersetzung mit dem Thema Tod ist. Aber das würde euch kein Bild von der Handlung vermitteln … Schon im Prolog wird deutlich, dass es für die siebenjährige Evie und ihre Mutter selbstverständlich ist, ihre Welt mit einem ganz besonderen Zauber zu versehen. Gemeinsam träumen die beiden in diesem Prolog von ihrem ganz eigenen Paradies, einem Garten voller Obstbäume und Fabelwesen, in dem sie als Familie einfach glücklich sein können.
Drei Jahre später ist das Leben für Evie alles andere als glücklich. Ihre Mutter ist in der Zwischenzeit an Krebs gestorben und ihr Vater hat es sich in den Kopf gesetzt, in Beaumont (New York) einen unfruchtbaren Apfelgarten zu bewirtschaften. Für Evie ist dieser Umzug unerträglich: Ihre Großeltern bleiben ebenso in Michigan zurück wie das Grab ihrer Mutter. Außerdem weiß das Mädchen nicht, wie es mit seiner Trauer umgehen soll, während der Vater sich in die Arbeit stürzt und kaum einen Moment Zeit für sie hat.
Auch der Ort Beaumont und ihr neues Zuhause sind nicht gerade dazu geeignet, Evie aufzumuntern. Die Stadt liegt ebenso im Sterben wie die – laut den Einheimischen verfluchte – Apfelplantage. Und mit dem Wohlstand durch den Obstanbau verschwand auch ein Großteil der Einwohner. Da scheint es nur das letzte Tüpfelchen auf dem I zu sein, dass das zur Plantage gehörende Haus neben dem Friedhof von Beaumont liegt – auf dem am Ankunftstag von Evie und ihrem Vater prompt eine Beerdigung stattfindet.
Es scheint nur zwei Menschen zu geben, die sich für Evies Wohlergehen interessieren, nämlich zum einen Ladenbesitzerin Maggie, die in dem Haus neben dem Friedhof aufgewachsen ist und deren Bruder die Obstplantage an Evies Vater verkauft hat. Und dann ist da noch der geheimnisvolle Junge Alex, der Tag für Tag auf dem Friedhof rumgeistert und dessen Gesicht Evie von einen Totenkärtchen kennt, welches anlässlich der letzten Beerdigung verteilt wurde. Nachdem Maggie Evie von den drei magischen Saatkörnern erzählt hat, die vom Apfelbaum des Paradies stammen sollen, beschließen Evie und Alex, sich auf die Suche nach ihrem Paradies zu machen.
Dabei will ich betonen, dass K. L. Going in „Evies Garten“ zwar die biblische Idee vom Apfelbaum aus dem Paradies aufgreift, sich aber sonst nicht an die christlichen Mythologie hält und stattdessen etwas ganz Eigenes aus dieser Grundidee schafft. Aber es ist weniger ihre Variante des Paradieses, die mich gefangen hat, als die vielen atmosphärischen Momente in der Geschichte. Evies Erinnerungen an ihre Mutter sind voller Wärme, Sonnenschein und Magie, und immer wieder wird deutlich, was für eine lebensbejahende, fröhliche und fantastiebegabte Frau sie gewesen sein muss.
Und nach ihrem Tod – aber besonders nach dem Umzug nach Beaumont – ist Evies Leben voller Kälte, Wind, Einsamkeit und Trauer. Sie sehnt sich nach ihrer Mutter, aber auch danach, dass ihr Vater sie mal tröstet, sie in den Arm nimmt und ihr zeigt, dass sie ihm wichtig ist. Ihm aber fällt es schwer, Gefühle zu zeigen und auf seine Tochter zuzugehen. Stattdessen versucht er, seine Trauer in den Griff zu bekommen, indem er hart arbeitet. Er setzt all sein Können als Gärtner ein, um die unfruchtbare Apfelbaumplantage wieder zum Blühen zu bringen, und immer wieder schimmert dabei durch, dass er auf die heilenden Kräfte der Natur und den Frühling hofft.
Evies Freund Alex hingegen geistert Tag für Tag auf dem Friedhof umher. Er kann Evies Trauer um ihre Mutter nachvollziehen und erzählt ihr im Gegenzug, dass er seit der Beerdigung schrecklich einsam ist und dass seine Eltern ihn nicht mehr wahrnehmen, obwohl er sich so viel Mühe gibt. Alex hilft Evie auf der Suche nach dem Paradies – wo sie natürlich ihre Mutter wiederzufinden hofft – und hat doch seine ganz eigenen Motive. Ich verrate wohl nicht zu viel, wenn ich sage, dass am Ende alles gut ausgeht (schließlich ist „Evies Garten“ immer noch ein Kinderbuch). Aber bis zum Ende hat der Leser so einige emotionale Momente, überraschende Wendungen, philosphische Gedanken und anrührende Szenen durchzustehen.
Und trotz des schwerwiegenden und traurigen Themas gelingt es der Autorin, die Geschichte so fein und leicht zu erzählen, dass einen Evies Schicksal zwar berührt, man aber die ganzen amüsanten, märchenhaften und niedlichen Momente trotzdem würdigen kann. Auch sind mir die verschiedenen Charaktere – selbst die anfangs so spröde wirkenden Figuren – wirklich ans Herz gewachsen und ich habe mit ihnen gebangt und gehofft und hier und da sogar eine Träne um sie vergossen.
Ui, das hört sich ja mal wieder super an! Ich mochte ja schon Volldaneben (auch dank dir entdeckt ^_-) und dieses Buch hier könnte ich ja gleich mal auf meine Wishlist setzen^^
Vielen Dank dafür!!
Es ist in einem vollkommen anderen Stil geschrieben und richtet sich an eine viel jünger Zielgruppe, aber ich finde das Buch einfach bezaubernd und … *sniff* 🙂
Mir hat das Buch auch sehr gut gefallen, die Geschichte berührt das Herz.
Ich habe mir fest vorgenommen das Buch noch einmal im Herbst oder Winter zu lesen. Ich glaube, es wirkt noch besser, wenn es draußen kalt und stürmisch ist. 🙂
Das kann ich mir auch gut vorstellen!
Hört sich toll an. Habs meinem Wunschzettel hinzugefügt 🙂
@nettebücherkiste: Ach, schön! Dann hoffe ich, dass du es auch bald in die Hände bekommst und dass es dir gefällt! 🙂
… "Evies Garten" hört sich wirklich sehr schön an! Außerdem bin ich ohnehin ein Fan von Büchern, die in Gärten spielen bzw. in denen Gärten eine wichtige Rolle spielen 😉 . Werde ich mir gleich mal bestellen. Danke für den Tipp! LG Beate
@Beate: Schön, dass ich dir Lust auf den Roman machen konnte. Ich hoffe sehr, dass er dir so gut gefällt wie mir! 🙂
Liebe Winterkatze,
"Evies Garten" habe ich mittlerweile gelesen und mir hat das Buch sehr gut gefallen. Manchmal hatte ich einen Kloß im Hals beim Lesen. Und dann hat das Buch ja auch noch einen ganz überraschenden Twist, mit dem ich wirklich nicht gerechnet hätte. Für UserInnen, die das Buch noch lesen werden, will ich jetzt natürlich nicht mehr verraten 😉 . Aber im Rückblick gesehen, fand ich den Twist zusätzlich sehr stimmig. Also die Autorin hat ihn wirklich gut angelegt.
Liebe Grüße
Beate
Liebe Beate,
schön, dass dir das Buch so zugesagt hat! 🙂 Ich fand ja auch das Verhältnis zwischen Evie und ihrem Vater sehr rührend beschrieben, gerade weil er so unbeholfen mit ihr umgeht. Und den Twist fand ich auch stimmig, das gab der Geschichte noch einen Extraschliff. 🙂
Wenn du Lust auf ein ungewöhnliches Jugendbuch haben solltest, dann würde ich dir auch noch "Voll daneben" (http://winterkatzesbuchblog.blogspot.de/2011/03/k-l-going-voll-daneben-ein-unmoglicher.html) von der Autorin ans Herz legen. Ganz anderes Thema, ganz andere Stimmung, aber eine Geschichte, die bei mir einen bleibenderen Eindruck hinterlassen hatte, als ich anfangs gedacht hätte. Oh, und amüsant ist das Buch auch zu lesen. 😀
Liebe Grüße von der Winterkatze
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