Kerstin Herrnkind: Mein Mann der Mörder

Gleich zu Beginn: Ich will in den Titel immer ein Komma einbasteln, weil es in meinen Augen einfach dahingehört, aber Verlag (und Autorin?) haben das Buch ohne Komma im Titel auf den Markt gebracht – und damit muss ich wohl leben. 😉 Statt einer eigenen Inhaltszusammenfassung gibt es hier den Klappentext, denn dann bekommt ihr eine Vorstellung davon, was ich von dem Roman erwartet hatte:

Von einem Tag auf den anderen zerbricht Xenia Rabes heile Welt: Ihr Mann Tobias hat ein 14-jähriges Mädchen vergewaltigt und ermordet. Nun ist er auf der Flucht vor der Polizei.
Fassungslos fragt sich Xenia, warum sie von dem Doppelleben ihres Mannes nichts geahnt hat, und geht auf Spurensuche. Wer ist der Mann, den sie so überstürzt geheiratet hat? In Tobias’ Heimatdorf stößt sie auf sein furchtbares Familiengeheimnis. Ist dies der Schlüssel zu seiner Tat? Oder ist es in Wahrheit alles ganz anders?
Xenia fasst einen verhängnisvollen Entschluss …

Nach diesem Klappentext hatte ich eine Geschichte erwartet, in der eine Frau damit fertig werden muss, dass ihr Mann ein Mörder ist. Ich dachte, es ginge darum, wie sie zu verarbeiten versucht, dass der Mensch, den sie geliebt hat, zu einer solchen Tat fähig ist. Umso irritierender waren die Passagen des Romans, in denen man als Leser die Reaktion Xenia Rabes aus der Ich-Perspektive erlebt. Die Frau scheint sich weniger zu fragen, wie es sein konnte, dass sie das Doppelleben ihres Mannes nicht erkannt hatte, als dass sie herausfinden will, warum sie diesen Mann überhaupt geheiratet hat. Sie ist weniger verletzt als wütend, sie will diese Ehe und ihren Mann nur so schnell wie möglich abhaken und wieder zu einem „normalen“ Leben zurückfinden.

Neben diesem Handlungsstrang bekommt der Leser auch noch die Perspektiven diverser anderer Personen mit, die – aufgrund des „Mein Mann ist ein Mörder“-Themas – Kontakt mit Xenia Rabe haben. Dabei beschreibt Kerstin Herrnkind sehr ausführlich den Alltag zweier Polizeireporter, die anfangs Xenia Rabe zu ihrem Mann befragen wollten, und so bekommt der Leser mit, mit welcher Skrupellosigkeit die beiden Männer an Fotos und Informationen kommen, wenn es um Verbrechen geht. Auch gibt es einen kleinen – und sehr zynischen – Einblick in die Arbeit der Polizei und Staatsanwaltschaft. Das alles ist gut und interessant geschrieben, aber ich war das halbe Buch über irritiert über das seltsame Verhalten der verschiedenen Charaktere und die kleinen Unstimmigkeiten in der Geschichte.

Wieso es zu diesen unstimmigen Szenen und Handlungen kommt, wird zwar am Ende von Kerstin Herrnkind aufgeklärt, doch das hat bei mir vor allem dazu geführt, dass ich die Grundidee der Autorin zwar anerkennen kann, mich persönlich davon aber verarscht gefühlt habe. Denn diese Wendung ganz am Ende der Geschichte wirft ein komplett neues Licht auf eine der Personen, die man den ganzen Roman hindurch begleitet hat. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass die Lösungshinweise sehr (für mich anscheinend zu) subtil eingebaut wurden, oder daran, dass ich einfach etwas anderes erwartet habe, aber das Ende hat mich richtig verärgert. Bei einem zweiten Lesen könnte ich vermutlich den geschickten Einbau von Hinweisen bewundern, aber so fühle ich mich von der Autorin gezielt „dumm gehalten“.

Objektiv kann ich die gute Schreibweise, die interessanten Perspektiven und die nicht so ausgelutschte Idee würdigen, aber rein subjektiv habe ich das Gefühl, dass die Autorin gegen eine der Krimi-Grundregeln verstoßen hat, indem sie mich als Leser nicht „mitermitteln“ ließ. Vermutlich würde ich – aufgrund des wirklich gut zu lesenden Stils und der interessanten Charaktere – nach diesem Debütroman auch ein weiteres Buch der Autorin lesen, aber wenn sie auch dann zu einem solchen Kniff greifen würde, um ihrer Handlung einen besonderen Dreh zu geben, dann hätte Kerstin Herrnkind mich als Leserin wohl verloren. Ich gehöre eben doch eher zu den Leuten, die von Krimi-Schriftstellern erwarten, dass sie sich – zumindest grob – an die Regeln des „Detection Club“ halten, die gewährleisten sollen, dass sich der Autor dem Leser gegenüber fair verhält. Und ja, mir ist bewusst, dass diese Geschichte kein Detektiv-Roman ist … 😉

2 Kommentare

  1. Ich glaube, mir würde es ähnlich gehen. Auch mich würde das fehlende Komma im Titel fehlen (und obwohl ich absolut kein Held in der Zeichensetzung bin, weiss ich, dass da unbedingt eins hingehört 😉 ) und auch mich können seltsame Verhaltensweisen der Charaktere um das gesamte Lesevergnügen bringen. Es ist schade, dass in diesem Buch so viel schief gegangen ist – man kann nur hoffen, dass die Autorin im nächsten Buch sich besser an die "Regeln" hält und ihr offensichtlich vorhandenes Schreibtalent dann voll zur Geltung kommt. Wahrscheinlich würde ich das erste Buch erstmal auslassen und mit dem Folgebuch anfangen, nachdem was Du schreibst. Denn generell klingt es ja schon vielversprechend…

  2. Inzwischen kann ich sogar den Finger drauflegen, was sie meiner Meinung nach anders hätte machen müssen, damit ich am Ende die Idee hätte würdigen können. Wäre das Buch ausschließlich aus der Ich-Perspektive erzählt worden, ohne dass es die Abschweifungen zu den anderen Personen gegeben hätte, dann wäre der Kniff am Ende aus meiner Sicht viel überraschender und weniger frustrierend gewesen. Aber das hätte wirkliche Erzählkunst gefordert … 😉

    Mal gucken, ob und wann die Autorin einen zweiten Roman rausbringt. Wenn der auch bei Grafit erscheint, dann werde ich es auf jeden Fall mitbekommen, denn deren Veröffentlichungen guck ich mir immer ganz genau an. 🙂

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