Durch Birthe und ihre Besprechung bin ich auf „Die Geigenspielerin“ von Laurel Corona aufmerksam geworden und hatte den Roman in der Bibliothek vorgemerkt, weil sie so begeistert von und so zufrieden mit dem Buch war. Als ich den Roman dann vor ein paar Wochen endlich in der Hand hatte, habe ich das erste Kapitel gelesen, in dem beschrieben wird wie die beiden Schwestern Maddalena und Chiaretta von ihrer Mutter in die Ospedale della Piéta gebracht werden. Das las sich so weit ganz nett, hatte mich aber nicht so weit gepackt, dass ich sofort weiterlesen musste.
Einige Tage später war ich dann in der richtigen Stimmung für einen historischen Roman und nachdem ich mich erst einmal auf die ruhige Erzählweise und Venedig Anfang des 18. Jahrhundert eingelassen hatte, konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Nicht, weil die Geschichte so spannend war, sondern eher weil ich es so genossen habe die beiden Schwestern auf ihrem Weg zu begleiten, weil ich die Sprache mochte und sogar mit den ausführlichen und bildhaften Beschreibungen zum Thema Musik etwas anfangen konnte, obwohl Musik – vor allem klassische Musik – eine relativ geringe Rolle in meinem Leben spielt.
Die Ospedale della Piéta ist ein von Nonnen geführtes Waisenhaus und eine der vier großen Musikschulen Venedigs. So lernen auch Maddalena und Chiaretta, als sie dafür alt genug sind, singen und ein Instrument spielen. Während Chiaretta recht schnell als begabte Sängerin erkannt wird, zeigt ihre ältere Schwester Maddalena anfangs wenig Talent für die Musik und es sieht so aus, als ob sie vor allem mit dem Klöppeln zum Auskommen der Piéta beitragen und sich langfristig eine kleine Mitgift erarbeiten kann. Doch dann entdeckt das Mädchen die Geige für sich und entwickelt eine ungewöhnliche Leidenschaft für dieses Instrument.
Mir hat es sehr gut gefallen wie Laurel Corona die Piéta mit all ihren Regeln beschrieben hat, wie gezeigt wird, dass dieses Waisenhaus das für den Unterhalt dringend benötigte Geld mit dem musikalischen Können ihrer Schützlinge verdient oder auch einen – nicht gerade geringen – Brautpreis verlangt, wenn jemand eine ihrer begabten Musikerinnen heiraten möchte. Doch vor allem fand ich es großartig, dass die verschiedenen Charaktere (und zwar nicht nur Maddalena und Chiaretta) angenehm realistisch gestaltet wurden, mit Stärken und Schwächen, mit Wünschen und dem Wissen darum, dass manche Dinge eben in ihrer Welt nicht einfach erreichbar sind. Und obwohl ihnen manche Träume verwehrt bleiben, so gehen sie recht pragmatisch damit um und suchen ihr Glück in den Sachen, die greifbar sind. Das gibt dem ganzen Roman eine wunderschöne Stimmung, die ich als regelrecht wohltuend beim Lesen empfunden habe.
Auch die Sicht auf Vivaldi, der von der Piéta als Lehrer engagiert wurde und für die Musikerinnen und Sängerinnen Stücke komponierte, ist in gewisser Weise bodenständig. Er wird zwar als musikalisches Genie beschrieben, aber eben auch als ein Mann, der nicht glücklich ist mit seinem Priesteramt, und der als Berufsmusiker und Komponist auf die Gnade seiner Gönner und Kunden angewiesen war. Ich muss gestehen, dass ich beim Lesen immer wieder Pausen gemacht habe, um mir die erwähnten Musikstücke anzuhören, dass ich aber nicht immer (vielleicht aufgrund der Qualität der Aufnahmen) nachvollziehen konnte, was nun die Besonderheit des jeweiligen Stücks ausmachte. Beschrieben fand ich die Musik zum Teil ansprechender als beim direkten Hören. 😉
Birthe erwähnt in ihrer Rezension auch noch den von Laurel Corona in ihren Roman eingebauten Umgang mit der Liebe- und ich kann ihr da nur in jeder Beziehung zustimmen. Ich fand es sehr schön mitzuerleben wie nah sich die beiden Schwestern sind, obwohl sie aufgrund ihrer gegensätzlichen Charaktere nicht immer nachvollziehen können, was die andere bewegt. Auch was die Beziehungen zu anderen Menschen angeht, hat Laurel Corona ihren Figuren eine angenehme und wie ich finde realistische Offenheit verpasst. Es gibt nicht die eine große Liebe, ohne die das Leben keinen Sinn mehr hat (was ich wirklich nicht mehr lesen kann), sondern die Autorin lässt ihre Figuren viele verschieden Facetten von Liebe erleben, neben all den anderen Dingen, die eben das Leben ausmachen.
„Die Geigenspielerin“ ist ein eher ruhiger und flüssig zu lesender Roman, ohne große Höhen und Tiefen, ohne großes Drama, aber dafür voller interessanter und trotzdem angenehm realistisch geschilderter Charaktere, voller Freude an der Musik, vor der tollen Kulisse des Venedigs des 18. Jahrhunderts – für mich ein richtiges Wohlfühlbuch, das mir angenehme Lesestunden bereitet hat.
Ach, wie schön, dass dich das Buch auch so begeistert hat. Ich erinnere mich noch an Birthes Worte dazu. Leider bin ich mir ziemlich sicher, dass es so gar kein Buch für mich ist. So ruhige und noch dazu historische Romane lese ich ja (derzeit) so gut wie gar nicht, auf wenn es euch beiden total gut gelungen ist, die Stimmung einzufanggen und das Buch an sich schmackhaft zu machen. 🙂
Ich dachte eigentlich, dass ich mit historischen Romanen auch nichts mehr anfangen könnte, aber der hier hat mir wirklich gut gefallen. 🙂 Das finde ich so schön am Bloglesen – all die vielen Empfehlungen, die einen dann doch verlocken außerhalb des "Wohlfühlgenre" zu lesen. Und mit einem Bibliotheksbuch kann man eh nichts falsch machen, im Zweifelsfall wandert es nach dem Anlesen eben ungelesen zurück. 😀
Da fällt deine Meinung ja recht ähnlich zu der von Birthe aus – das ist schonmal positiv. 🙂 Das Buch lungert ja auch noch bei mir rum, deshalb wäre es ziemlich schade, wenn jetzt etwas negatives rausgekommen wäre.^^
@BücherFähe: Mir hat es wirklich gefallen und Birthe hatte die Stimmung des Buches wirklich schön eingefangen in ihrer Rezi (auch wenn ich ihre Begeisterung für Musik nicht teile :D). Wenn du also ein paar gemütliche Lesestunden suchst, dann weißt du ja nun, dass du getrost zum lungernden Buch greifen kannst. 😀
Jetzt machst du mir auch noch den Mund schmackhaft … Leider gibts den Roman aber in Wien nicht in der Bücherei und mit gebrauchten Büchern hat man es in Österreich auch nicht immer so einfach. Vorerst bleibt der Roman also mal nur in meinem Hinterkopf geparkt, auch wenn er wirklich lesenswert klingt.
@Neyasha: Ich entschuldige mich jetzt aber nicht, weil mir das Buch gefallen hat! ;D Wie wäre es mit der englischen eBook-Version? Normalerweise sind die ja erschwinglicher und da das Buch keine Illustrationen hat oder besonders schön aufgemacht ist, würde das ja reichen. 🙂
@Neyasha: Ich entschuldige mich jetzt aber nicht, weil mir das Buch gefallen hat! ;D Wie wäre es mit der englischen eBook-Version? Normalerweise sind die ja erschwinglicher und da das Buch keine Illustrationen hat oder besonders schön aufgemacht ist, würde das ja reichen. 🙂
Ach, schön, dass es dir auch gefallen hat! 🙂
@Birthe: Ja, das hat es eindeutig. 🙂