Schlagwort: Italien

Laurel Corona: Die Geigenspielerin

Durch Birthe und ihre Besprechung bin ich auf „Die Geigenspielerin“ von Laurel Corona aufmerksam geworden und hatte den Roman in der Bibliothek vorgemerkt, weil sie so begeistert von und so zufrieden mit dem Buch war. Als ich den Roman dann vor ein paar Wochen endlich in der Hand hatte, habe ich das erste Kapitel gelesen, in dem beschrieben wird wie die beiden Schwestern Maddalena und Chiaretta von ihrer Mutter in die Ospedale della Piéta gebracht werden. Das las sich so weit ganz nett, hatte mich aber nicht so weit gepackt, dass ich sofort weiterlesen musste.

Einige Tage später war ich dann in der richtigen Stimmung für einen historischen Roman und nachdem ich mich erst einmal auf die ruhige Erzählweise und Venedig Anfang des 18. Jahrhundert eingelassen hatte, konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Nicht, weil die Geschichte so spannend war, sondern eher weil ich es so genossen habe die beiden Schwestern auf ihrem Weg zu begleiten, weil ich die Sprache mochte und sogar mit den ausführlichen und bildhaften Beschreibungen zum Thema Musik etwas anfangen konnte, obwohl Musik – vor allem klassische Musik – eine relativ geringe Rolle in meinem Leben spielt.

Die Ospedale della Piéta ist ein von Nonnen geführtes Waisenhaus und eine der vier großen Musikschulen Venedigs. So lernen auch Maddalena und Chiaretta, als sie dafür alt genug sind, singen und ein Instrument spielen. Während Chiaretta recht schnell als begabte Sängerin erkannt wird, zeigt ihre ältere Schwester Maddalena anfangs wenig Talent für die Musik und es sieht so aus, als ob sie vor allem mit dem Klöppeln zum Auskommen der Piéta beitragen und sich langfristig eine kleine Mitgift erarbeiten kann. Doch dann entdeckt das Mädchen die Geige für sich und entwickelt eine ungewöhnliche Leidenschaft für dieses Instrument.

Mir hat es sehr gut gefallen wie Laurel Corona die Piéta mit all ihren Regeln beschrieben hat, wie gezeigt wird, dass dieses Waisenhaus das für den Unterhalt dringend benötigte Geld mit dem musikalischen Können ihrer Schützlinge verdient oder auch einen – nicht gerade geringen – Brautpreis verlangt, wenn jemand eine ihrer begabten Musikerinnen heiraten möchte. Doch vor allem fand ich es großartig, dass die verschiedenen Charaktere (und zwar nicht nur Maddalena und Chiaretta) angenehm realistisch gestaltet wurden, mit Stärken und Schwächen, mit Wünschen und dem Wissen darum, dass manche Dinge eben in ihrer Welt nicht einfach erreichbar sind. Und obwohl ihnen manche Träume verwehrt bleiben, so gehen sie recht pragmatisch damit um und suchen ihr Glück in den Sachen, die greifbar sind. Das gibt dem ganzen Roman eine wunderschöne Stimmung, die ich als regelrecht wohltuend beim Lesen empfunden habe.

Auch die Sicht auf Vivaldi, der von der Piéta als Lehrer engagiert wurde und für die Musikerinnen und Sängerinnen Stücke komponierte, ist in gewisser Weise bodenständig. Er wird zwar als musikalisches Genie beschrieben, aber eben auch als ein Mann, der nicht glücklich ist mit seinem Priesteramt, und der als Berufsmusiker und Komponist auf die Gnade seiner Gönner und Kunden angewiesen war. Ich muss gestehen, dass ich beim Lesen immer wieder Pausen gemacht habe, um mir die erwähnten Musikstücke anzuhören, dass ich aber nicht immer (vielleicht aufgrund der Qualität der Aufnahmen) nachvollziehen konnte, was nun die Besonderheit des jeweiligen Stücks ausmachte. Beschrieben fand ich die Musik zum Teil ansprechender als beim direkten Hören. 😉

Birthe erwähnt in ihrer Rezension auch noch den von Laurel Corona in ihren Roman eingebauten Umgang mit der Liebe- und ich kann ihr da nur in jeder Beziehung zustimmen. Ich fand es sehr schön mitzuerleben wie nah sich die beiden Schwestern sind, obwohl sie aufgrund ihrer gegensätzlichen Charaktere nicht immer nachvollziehen können, was die andere bewegt. Auch was die Beziehungen zu anderen Menschen angeht, hat Laurel Corona ihren Figuren eine angenehme und wie ich finde realistische Offenheit verpasst. Es gibt nicht die eine große Liebe, ohne die das Leben keinen Sinn mehr hat (was ich wirklich nicht mehr lesen kann), sondern die Autorin lässt ihre Figuren viele verschieden Facetten von Liebe erleben, neben all den anderen Dingen, die eben das Leben ausmachen.

„Die Geigenspielerin“ ist ein eher ruhiger und flüssig zu lesender Roman, ohne große Höhen und Tiefen, ohne großes Drama, aber dafür voller interessanter und trotzdem angenehm realistisch geschilderter Charaktere, voller Freude an der Musik, vor der tollen Kulisse des Venedigs des 18. Jahrhunderts – für mich ein richtiges Wohlfühlbuch, das mir angenehme Lesestunden bereitet hat.

Michelle Lovric: Melodie der Meerjungfrauen

„Melodie der Meerjungfrauen“ von Michelle Lovric habe ich spontan letzten Mittwoch aus der Bibliothek mitgenommen, weil ich Lust auf ein Kinderbuch hatte. Die Geschichte spielt in Venedig im Jahr 1899. Die Stadt droht unterzugehen und um einen Plan zur Rettung zu entwerfen, treffen sich diverse Wissenschaftler in der Lagunenstadt. Zu diesen Wissenschaftlern gehören auch die Eltern von Teodora, die von Neapel aus anreisen und ausnahmsweise ihre Tochter mitnehmen. Teo(dora) wünscht sich schon lange einmal Venedig besuchen zu dürfen, empfindet sie doch eine unerklärliche Sehnsucht nach dieser Stadt.

Kurz nach ihrer Ankunft findet Teo, die nicht nur Bücher über alles liebt, sondern auch in der Lage ist die gesprochenen Wörter eines Menschen als Schrift über seinem Kopf zu sehen, in einer Buchhandlung ein magisches Buch mit einer Meerjungfrau auf dem Cover. In dieser Buchhandlung lernt Teo auch den gleichaltrigenVenezianer Renzo kennen, der ein ebensolcher Büchernarr ist wie sie selber, doch so richtig gut verstehen sich die beiden anfangs nicht. Aufgrund der verschiedensten Vorfälle und den Informationen, die das magische Buch für Teo bereit hält, steht für die beiden Kinder schnell fest, dass Venedig von etwas Größerem als „nur“ dem Wasser bedroht wird. Ein uralter Feind versucht sich zu erheben und Macht über die Stadt zu gelangen.

Dass Michelle Lovric sich in Vendedig verliebt hat und der Stadt mit diesem Kinderbuch ein Denkmal setzen möchte, ist beim Lesen unübersehbar. Gemeinsam mit Teo entdeckt der Leser Venedig und erfährt von den Besonderheiten und historischen Ereignissen, die die Lagunenstadt geprägt haben. Dazu kommen noch viele fantastische Einfälle und Kreaturen wie die Meerjungfrauen, die Teo und Renzo zur Seite stehen, und das Ganze ergibt eine wunderbar unterhaltsame Geschichte rund um eine magische Bedrohung für eine besondere Stadt und zwei Kinder, die auserwählt sind, die Stadt zu retten.

Die Erzählweise von Michelle Lovric ist stellenweise etwas anstrengend. Es gibt sehr viele Abschweifungen in die Vergangenheit Venedigs, es werden Legenden erzählt und der unheimliche Bösewicht und seine Taten vorgestellt und dabei springt die Handlung schon mal von einer Zeit oder einem Ort zum anderen. Mir haben besonders die Kleinigkeiten gefallen, die Beschreibungen von kleinen Geschäften, der Duft des Gebäcks am Morgen in einem Café und ähnlich atmosphärische Momente. Die wie Hafenarbeiter fluchenden Meerjungfrauen mit einer Vorliebe für Curry fand ich zum Teil etwas überzogen, ebenso wie manch anderes „lustiges“ Element, aber ich kann mir vorstellen, dass es der Zielgruppe (Kinder ab 12 Jahren) gegenüber noch angemessen ist.

Bei einigen Rezensionen wird die Brutalität in diesem Roman kritisiert. Es kommt zu einigen Todesfällen und Erkrankungen, Angriffen durch Menschen, Geister und Tiere und dazu gibt es noch einige unappetitliche Beschreibungen. Ich persönlich fand das nicht schlimm und der Handlung angemessen. Die Geschichte einer so alten Stadt wie Venedig beinhaltet nun mal auch einige grauenhafte Episoden. Schrecklicher als ein durchschnittliches Märchen (also in der unbereinigten Version, in der die Bösen am Ende in glühenden Schuhen tanzen dürfen oder ähnliches) ist es nicht. Es hängt wohl vom einzelnen Kind ab, ob es die geschilderten Dinge im Rahmen der Handlung erträglich findet oder nicht.

[Comic] Monster Allergy 1

Normalerweise schreibe ich nichts zu Veröffentlichungen, die mir persönlich am Herzen liegen. Da hätte ich immer das Gefühl, dass ich „Achtung, Werbung!“ dazuschreiben müsste. 😉 Bei „Monster Allergy“ habe ich da weniger Hemmungen, denn als ich die ersten Cover dazu zu Gesicht bekam, war mein spontaner Gedanke: „Uff … ein Funny …“. So gern ich Comics und Manga lese, so habe ich Funnys eigentlich seit meiner Teenagerzeit nicht mehr angerührt. Dann bekam ich die ersten Monster-Allergy-Texte zu lesen und der Humor sagte mir zu. Und so wurde ich dann doch neugierig auf die zeichnerische Umsetzung.

Der erste Band der Gesamtausgabe von „Monster Allergy“ beinhaltet die ersten vier Episoden („Das Haus der Monster“, „Die Pyramide der Unverwundbaren“, „Magnacat“ und „Die schwebende Stadt“) der Reihe – insgesamt werden im Laufe dieses Jahres acht Teile veröffentlicht, womit „Monster Allergy“ zum ersten Mal komplett auf Deutsch erscheint. Die Geschichte handelt von Elena Patata, die gerade erst mit ihren Eltern nach Oldmill Village gezogen ist. Bevor sie sich noch in ihrer neuen Umgebung umgucken kann, bekommt sie Besuch von den beiden Nachbarmädchen Patty und Tatty. Um ihr das Einleben zu erleichtern, überreichen die Schwestern ihr eine Liste mit den Personen, die Elena unbedingt meiden muss, wenn sie schnell Fuß fassen will. Ganz oben auf der Liste steht der Name Zick – doch die abschreckenden Dinge, die Patty und Tatty Elena über den Nachbarjungen erzählen, wecken erst recht Elenas Neugier.

So unternimmt Elena allerlei Anstrengungen, um den abweisenden Zick besser kennenzulernen. Dabei schreckt das energische Mädchen nicht mal davor zurück, seinen übergewichtigen Kater Bandito gewaltsam in die Katzenklappe von Zicks Nacktkatze Timothy zu stecken oder dem rundum allergischen Jungen einen schon leicht angeschmuddelten Donut als Kennenlernpräsent zu überreichen. Als Elena dann noch dahinter kommt, dass Zick angeblich Monster sehen kann, ist sie vollends von dem ungewöhnlichen Nachbarn begeistert. Der Junge hingegen ist nicht so erfreut darüber, dass so ein energiegeladenes, neugieriges Mädchen in seine Gegend gezogen ist. Abgesehen davon, dass Zick so einige Geheimnisse hütet, die Elena nicht erfahren soll, bringt ihn seine neue Freundin auch immer wieder in Schwierigkeiten.

Egal, ob es in den Geschichten um einen verschwundenen Kater, um den Besuch einer etwas aufdringlichen Tante oder um einen Vertreter für Kochtöpfe geht, nur wenige Dinge sind in „Monster Allergy“ so harmlos, wie sie auf den ersten Blick zu sein scheinen. So müssen Zick und Elena nicht nur hinter die Geheimnisse der verschiedensten Personen und Kreaturen kommen, sondern auch einige Gefahren bestehen. Dabei spielen die Monster, die in Zicks Haus leben, immer wieder eine wichtige Rolle. Doch vor allem gefallen mir die sympathischen Charaktere (Elena, Zick, Zicks – lebende und tote – Verwandschaft, sein Kater Timothy und knuffige Monster wie der nicht ganz so intelligente Bombo) und der Humor, der sowohl in den Dialogen als auch in den Zeichnungen zum Ausdruck kommt.

Der Zeichenstil hatte mich ja auf den ersten Blick nicht gepackt (Funny + Vorurteile 😉 ), aber inzwischen muss ich zugeben, dass er mir richtig gut gefällt. Gestik und Mimik der verschiedenen Figuren ist sehr ausdrucksvoll und trotz wechselnder Zeichner gibt es keine Brüche zwischen den verschiedenen Episoden. Außerdem kann man immer wieder fantastische Elemente und viele liebevolle Details entdecken, die einfach nur Spaß machen. Hier und da merkt man zwar, dass die Serie für Kinder gedacht ist, aber auch als erwachsener Leser fühlte ich mich sehr gut unterhalten. Besonders hat mir gefallen, dass die einzelnen Episoden durch einen durchgehenden Handlungsstrang verbunden sind und man mit jeder Geschichte wieder ein bisschen mehr über die fantastischen Monster, Zicks besondere Eigenschaften und die – für die meisten Menschen verborgene – übernatürliche Welt erfährt.

Wenn ich hier schon Werbung mache – und weil ich Jano mit seinem neuen Verlag auch gern etwas unterstützen mag – , kann ich euch hier gleich auch noch die Verlagsseite von dani books verlinken, und dann gibt es von mir noch einen Direktlink zum ersten Band von „Monster Allergy“. Die Gesamtausgabe wird übrigens inklusive der Digital Copy verkauft, die aber auch einzeln als PDF erhältlich ist … 😉

P.D. Baccalario: Cyboria – Die geheime Stadt

Als Kiya mich vor kurzem fragte, was ich von „Cyboria“ halten würde, konnte ich nur vage sagen, dass mich der Anfang an die gerade gelesenen „Skulduggery Pleasant“-Bücher erinnert. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich gerade mal 26 Seiten gelesen und war über eine Beerdigungsszene gestolpert, die mich von der Atmosphäre her wirklich sehr an die Szenen nach dem Tod von Stephanies Onkel erinnerten. Inzwischen habe ich das Buch ganz gelesen und kann sagen, dass das auch die einzige Ähnlichkeit war. 😉

Ich finde P.D. Baccalarios Grundidee für „Cyboria – Die geheime Stadt“ einfach toll. Drei hochintelligente Wissenschaftler machten sich im Jahr 1915 gemeinsam mit ausgewählten Studenten auf den Weg, um eine utopische Stadt namens Cyboria zu gründen. Auch Atamante Folgore Perrotti, ein Vorfahre des Jungen Otto, sollte sich dieser Gruppe anschließen, doch er entschied sich damals gegen die verlockende Zukunftsvision und für sein vertrautes Leben in Italien. Doch Atamante hinterließ seinen Erben einen geheimnisvollen Schlüssel, der nach dem Tod von Ottos Großvater in die Hände des intelligenten Jungen gelangt.

Das Rätsel hinter dem mysteriösen Ikosaeder, das der erste Hinweis auf den Weg nach Cyboria darstellt, reizt Otto. Der Junge hat sein Leben lang die Herausforderungen genossen, die ihm sein – ebenfalls mathematisch-/mechanisch-/wissenschaftlich interessierter – Großvater täglich gestellt hat und lenkt sich mit dieser neuen Aufgabe auch von seiner Trauer ab. Ihm zur Seite steht seine exzentrische Tante Medea, die als Archäologin arbeitet, und ihr Freund Jago. Gemeinsam finden die drei immer mehr über die Erfindungen der drei Cyboria-Gründer, ihre Ideale und die vor so langer Zeit geplante Stadt heraus. Dabei müssen sie sich immer wieder vor Conte Liguana und seinem unheimlichen Handlanger in Acht nehmen, die ihre eigenen unheimlichen Pläne verfolgen.

Ich muss gestehen, dass ich auf der einen Seite die Idee von einer solchen utopischen Stadt und den darin befindlichen Erfindungen und Automaten einfach toll finde. Auch die vielen faszinierenden Stationen, die Otto und seine beiden Begleiter auf ihre Weg nach Cyboria erreichen, haben meine Fantasie beflügelt und ich haben die atmosphärischen Beschreibungen sehr genossen. Ebenso mochte ich Otto, der sehr von seinem Großvater und dessen Weltsicht geprägt wurde, während seine Tante und ihr Freund nicht unsympathisch waren, aber ruhig etwas tiefer charakterisiert hätten werden können.

Mein größtes Problem besteht in der Qualität der Rätsel, die Otto lösen muss. Auf der einen Seite habe ich nicht das Gefühl gehabt, dass der Junge sich wirklichen Herausforderungen hätte stellen müssen. Alle Hinweise führen sofort zum nächsten Punkt auf seinem Weg, es gibt keine Sackgassen, in die er gerät, und spätestens ein Austausch mit seiner Tante bringt ihn zu den richtigen Quellen, so dass er innerhalb kürzester Zeit das notwendige Wissen angesammelt hat. Auf der anderen Seite bin ich mir nicht sicher, inwieweit manche Rätselelemente – trotz Erklärungen innerhalb der Geschichte – von der jugendlichen Zielgruppe verstanden werden. Und wenn man nicht mitraten kann, dann ist dieser Part der Handlung doch gewiss noch weniger befriedigend.

Am Ende des Romans bleibt das Gefühl, dass man einfach mehr aus der Idee hätte machen können. Trotzdem habe ich meinen Nachmittag mit der Geschichte genossen, weil P.D. Baccalario wunderbare Erfindungen, Automaten und atmosphärische Kulissen in die Handlung eingeflochten hat, die mich zum Tagträumen veranlasst haben. Was könnte man mit solchen Techniken und solchen Energiequellen nicht alles erfinden …

Milena Agus: Die Gräfin der Lüfte

„Die Gräfin der Lüfte“ ist das dritte Buch aus dem Hoffmann und Campe Verlag von Milena Agus, die schon mit ihrem Roman „Die Frau im Mond“ zu einer Bestseller-Autorin wurde. Milena Agus konzentriert sich in ihren Geschichten auf das Leben auf Sardinien und um die Eigenheiten der Sarden. Während ich sonst häufig mit italienischen Autoren nicht so recht warm werde, so mag ich die Bücher von Milena Agus – und da ich hier noch nichts über sie geschrieben habe, müsst ihr jetzt mit ein paar zusätzlichen Passagen zu diesen Geschichten leben, bevor ich zu „Die Gräfin der Lüfte“ komme.

Ihr erster Titel „Die Frau im Mond“ hat mich gut unterhalten. Ich war von ihrer Hauptfigur fasziniert, einer Frau, die trotz der harten Lebensumstände in ihrem Ort und des Drucks der Familie viele Jahre lang auf den richtigen Mann wartet. Eine Frau, die erst mit dreißig Jahren den Plänen ihrer Verwandtschaft nicht mehr standhalten kann und sich mit einem Mann verheiraten lässt, der aufgrund des (zweiten Welt-)Krieges aus der Hauptstadt Cagliari geflüchtet ist. Doch auch in dieser Vernunftehe träumt diese Sardin weiter von der großen Liebe … All das wird von ihrer Enkelin erzählt, ohne dass das Verhalten der Personen gewertet oder gar kommentiert wird. Es wird dem Leser überlassen, wie er das Benehmen der Figuren beurteilt und wie er die leichten Widersprüche deutet.

Mit „Die Flügel meines Vaters“ bin ich nicht ganz so warm geworden, aber auch hier sind Szenen oder Sätze in meiner Erinnerung haften geblieben. Wie bei „Die Gräfin der Lüfte“ erzählt Milena Agus in diesem Roman weniger eine Geschichte, als dass sie Momentaufnahmen vom Leben ihrer Protagonisten zeigt und versucht die Eigenheiten der Sarden und das Leben auf Sardinien zu beschreiben. Die Autorin verwendet eine sehr einfache Sprache und ebenso einfache Bilder und doch schwingt hinter jedem Absatz noch etwas Ungesagtes oder Ungezeigtes mit, das dafür sorgt, dass diese Szenen in mir nachklingen.

Nun aber zu „Die Gräfin der Lüfte“: Die Handlung dreht sich um drei Schwestern, die in einem alten Palazzo in Cagliari wohnen. Die drei gehören zu einer alten und verarmten Adelsfamilie – und so mussten sie in der Vergangenheit fünf von den acht Wohnungen ihres Palazzos verkaufen. Noemi, die älteste der Schwestern, ist Single und eine erfolgreiche Anwältin. Sie träumt davon den Stadtpalast eines Tages wieder in altem Glanz auferstehen zu lassen, die Fassaden zu renovieren, die Wohnungen zurückzukaufen und die Räume mit den prächtigen Möbeln ihrer Vorfahren einzurichten.

Die zweite der Schwestern, Maddalena, ist mit Salvatore verheiratet. Die beiden wünschen sich sehnlichst ein Kind und verbringen so viel Zeit wie möglich mit Sex. Die jüngste der drei Frauen wird von allen aufgrund ihrer Unbeholfenheit nur die „Contessa mit den Ricottahänden“ oder kurz Contessa (di Ricotta) genannt. Ich persönlich finde diesen Namen scheußlich, auch wenn er auf italienisch deutlich hübscher klingt. Die Contessa ist eine sehr weichherzige und ebenso ungeschickte Person. Sie gibt ihr ganzes Geld und ihren gesamten Hausrat an die Armen der Stadt weiter – die wohl zum Teil ohne ihre Mildtätigkeit besser dran gewesen wären -, obwohl sie selber ohne die Unterstützung ihrer Schwestern nicht über die Runden käme.

Auch bei der Arbeit versagt die Contessa regelmäßig, denn obwohl sie alle Prüfungen (mit Hilfe ihrer Schwestern) geschafft hat, erträgt sie es nicht als Lehrerin zu arbeiten. Nicht einmal die Aushilfsstellen, die sie immer wieder annimmt, bringt sie zu einem Ende, da sie den Lärm und den Spott der Schüler beim Unterrichten nicht erträgt. Sie hat einen kleinen Sohn, Carlino, der ebenso ein Außenseiter ist wie seine Mutter, und dessen Vater nichts mehr mit ihr zu tun haben möchte.

Milena Agus erzählt in ihrem Buch von den Hoffnungen und Wünschen dieser drei Frauen, die oft genug in einem harten Kontrast zu ihrer Realität stehen. Und doch führen ihre Träume dazu führen, dass jede von ihnen wunderschöne Zeiten erlebt. So kann man als Leser die Höhen und Tiefen im Leben der Schwestern miterleben, während sich kleine Beschreibungen der Umgebung und des Alltags in dieser Stadt durch die Zeilen ziehen.

Am Ende von „Die Gräfin der Lüfte“ blieben bei mir weniger die Erinnerung an einer Geschichte oder greifbare Handlung hängen, sondern Gerüche, Gefühle, Bilder und Träume. Ich habe das Gefühl, ich habe einen Blick auf Cagliari werfen können, hätte mich durch den dunklen Palazzo bewegt und mich vom Ausblick am Meer bezaubern lassen. In meiner Nase hängt der Geruch eines schimmeligen Kellers, in dem die Nachbarn der Schwestern wohnen, und der von Mandelgebäck, dass frisch gebacken wurde, um eine an Liebeskummer leidende Noemi aufzubauen. Ich möchte einen kleinen Garten mit einer Bruchsteinmauer hegen und pflegen – obwohl einem Teil von mir bewusst ist, dass ich mit meinem eigenen kleinen Garten nicht besonders gut zurecht komme *g* – und ich bin gerade fest davon überzeugt, dass es sich sehr heimelig anfühlen würde, wenn ich jetzt aus dem Fenstern der Nachbarn Klaviermusik hören würde.

Die Bücher von Milena Agus erzählen keine spannenden oder mitreißenden Geschichten, aber sie hinterlassen Eindrücke in mir, die noch eine ganze Weile nachklingen, die mir ein gutes Gefühl geben und die dafür sorgen, dass ich wohl auch zum nächsten Buch von der Autorin greifen werde. Ich muss aber zugeben, dass mir diese Romane nicht so wichtig sind, dass ich dafür 15 Euro für ein (wirklich schönes und liebevoll gemachtes) sehr dünnes Hardcover ausgeben wollte. Also werde ich auch dann wieder darauf warten, dass ich in der Bibliothek überraschend über eines ihrer Bücher stolpere, um mich damit für ein paar Stündchen nach Sardinien träumen zu können.

Fortunato: Die Spur der Drachen (Dragos dunkle Reise 1)

Mit „Dragos dunkle Reise“ präsentiert der Autor Fortunato eine düstere und spannende Trilogie für Jugendliche.

(Entschuldigt bitte diesen Einschub, aber selbst bei einem Kinderbuchautor reizt mich dieses Pseudonym eher zu einem spöttischen Grinsen und es fällt mir schwer, die Person hinter dem Namen ernst zu nehmen. Über das Autorenfoto möchte ich lieber erst gar nichts sagen, aber wer sich mit Suchmaschinen auskennt und neugierig genug ist, wird es schnell auf seiner Homepage finden und sich eine eigene Meinung bilden können. Bestimmt hat sich Thomas Montasser etwas bei dem Bild und dem Pseudonym gedacht – und wer weiß, vielleicht fliegen die Kinder, die ja seine Zielgruppe sind, auf diese Selbstdarstellung des Autors. 😉 )

Doch nun weiter mit „Die Spur der Drachen“! Die Hauptfigur dieses Romans ist der junge Drago. Er gehört zu einer Einwandererfamilie, die aus Illyrien floh, weil dort Krieg herrschte. Aber auch in Venedig ist das Leben für die Fremden nicht einfach. Die Stadt ist nass und kalt und die Einwohner sind den Einwanderern gegenüber nicht gerade wohlgesonnen. So kommt es, dass der Vater mit einem gemieteten Boot gerade mal genug verdient, um seine Familie vor dem Verhungern zu bewahren, während die Mutter aufgrund des unfreundlichen Klimas erkrankt ist.

Drago versucht in dieser schweren Zeit mit ein paar kleinen Gelegenheitsarbeiten und mit Taschendiebstahl etwas Geld zu verdienen. Ihm ist zwar bewusst, dass in diesem historischen Venedig sehr harte Strafen auf ihn warten, wenn er beim Klauen erwischt wird, doch der Junge bangt um das Leben seiner Familie. So ist er auch bereit sich gegen einen finsteren Hehler und seine Handlanger zu behaupten, obwohl er dabei mit seinem Leben spielt. Bei einem seiner Beutezüge lernt Drago den Gelehrten Hannibal Rabe kennen.

Zu seiner großen Überraschung wird der Junge von Rabe engagiert, um ihm in Venedig als Führer zu dienen und kleine Aufträge für ihn auszuführen. Doch was anfangs wie ein großer Glücksfall wirkte, führt dazu, dass Drago in eine unheimliche Geschichte gezogen wird. Hannibal Rabe forscht nach uralter Magie – und er ist nicht der einzige, der sich in Venedig mit diesem Thema auseinandersetzt. So wird Drago schnell zu einem unwissenden Spielball zweier mächtiger Parteien, denen das Leben des Jungen nichts wert zu sein scheint.

Ich muss zugeben, dass ich den Anfang dieses Jugendbuchs etwas verwirrend fand. Man findet sich in einem historischen Venedig wieder, welches sehr überzeugend, aber auch überaus düster geschildert wird. Und so wie Drago anfangs keine Ahnung hat, was in seiner Umgebung vorgeht, so ist man auch als Leser erst einmal nur verwirrt. Doch je weiter die Geschichte fortschreitet, desto mehr zieht einen die Handlung in ihren Bann. Es entsteht eine faszinierende Mischung aus den atmosphärischen Beschreibungen der verschiedenen Schauplätze (düstere Gassen, dunkle Kanäle, strahlende Palazzi und das trostlose und doch durch die Familie heimelig wirkende Zuhause von Drago) und der rätselhaften und spannenden Handlung, die voller Magie, Intrigen und Gefahren steckt. Auch Drago und seine Schwester Luzia sind mir ans Herz gewachsen und so habe ich das ganze Buch über gehofft, dass die beiden heil aus der Geschichte herauskommen.

Wenn man sich also erst einmal in diesem fremdartigen historischen Venedig zurechtgefunden und die verschiedenen Personen soweit kennengelernt hat, dass man sie zuordnen kann, erwartete einen eine ungewöhnliche und sehr reizvolle fantastische Geschichte. Oh, und da ich den zweiten Teil auch schon gelesen habe, kann ich jetzt schon sagen, dass die Serie ebenso fantastisch und spannend weitergeht!

Das Hörbuch zu „Die Spur der Drachen“ hat mir hingegen nicht ganz so gut gefallen. Der Sprecher Bernd Reheuser liest die Geschichte sehr „märchenhaft“ und etwas getragen und das passt nicht so gut zu der düsteren und spannenden Handlung. Außerdem hebt seine Art der Betonung die kleinen sprachlichen Mängel des Textes, die mir persönlich beim Lesen nicht so aufgefallen sind, noch hervor. Wer also die Wahl hat, sollte auf jeden Fall zum Roman greifen!